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Fußball-Regionalliga Frauen Trainer Jörg Beese im Interview über seine Entlassung beim TV Jahn

Am Sonntag wurde Jörg Beese beim Fußball-Regionalligisten TV Jahn Delmenhorst entlassen. Der Spielerinnenrat sprach sich gegen ihn aus. Im Interview schildert er seine Sicht der Dinge.
04.04.2022, 19:00 Uhr
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Trainer Jörg Beese im Interview über seine Entlassung beim TV Jahn
Von Michael Kerzel

Herr Beese, Sie wurden am Sonntag als Trainer der Regionalligafrauen des TV Jahn Delmenhorst entlassen. Wie ist das abgelaufen?

Jörg Beese: Ein Redakteur hat mich angerufen und nachgefragt. Am Abend hat sich dann auch Bernd Hannemann (Abteilungsleiter Frauenfußball, Anmerkung der Redaktion) bei mir gemeldet und es mir mitgeteilt.

War die Entlassung für Sie absehbar?

Überraschend ist es nicht. Ich bin jemand, der Missstände offen anspricht. Im Sommer hatten wir schon das Theater, dass – nach einer Bombenvorbereitung – vier Stammspielerinnen direkt zum Saisonauftakt zusammen in den Urlaub gefahren sind. Da war ich angefressen, habe es aber runtergeschluckt. Jetzt hatten wir eine katastrophale Vorbereitung, weil fast alle Testspiele wegen Corona ausgefallen sind und wir regelmäßig nicht trainieren konnten. Und dann wiederholt sich das mit dem Urlaub. Das ist mir mächtig auf den Zeiger gegangen.

Was genau ist passiert?

Erstmal war ich eh schon angefressen, da sich mehrere Spielerinnen nicht an den individuellen Trainingsplan über den Winter gehalten haben. Der war sehr einfach gehalten. Aber einige Spielerinnen, darunter Leistungsträgerinnen und Mitglieder des Mannschaftsrates, haben nichts für sich getan und kamen in einem sehr schlechten Zustand aus der Winterpause. Da wäre nur ein wenig Selbstdisziplin nötig gewesen. Und dann fahren fünf Spielerinnen, darunter drei aus dem Mannschaftsrat, in der heißesten Saisonphase zusammen in den Skiurlaub in ein Gebiet, in dem sich fast jeder mit dem Coronavirus infiziert. Sie haben nichts gelernt aus dem Sommer, wo wir den Saisonstart vergurkt haben, weil die Spielerinnen gefehlt haben. Da war ich sauer. Der Teamrat ist sehr mächtig. Es ist ja jetzt zum zweiten Mal in zwei Jahren passiert, dass er einen Trainer abgesägt hat.

Sie sind enttäuscht vom Verhalten der Spielerinnen?

Da hat sich bei mir sehr viel Frust aufgebaut, das muss ich ehrlich sagen. Sie wollen in der Regionalliga spielen und auch so behandelt werden. Wir sind keine Profis, aber in der dritthöchsten Liga geht es schon um Leistung. Nur tun diese Mädels nichts dafür und sie verhalten sich so, also ob sie in der Bezirks- oder Kreisliga spielen. Wären wir da und es ginge nur um "just for fun", dann hätte ich auch nichts gesagt.

Wie ging es dann weiter?

Es war frustrierend. Sie kamen aus dem Urlaub wieder und hatten natürlich nach und nach Corona. Nur am Rande: Da waren drei Spielerinnen aus dem Mannschaftsrat dabei, Stichwort Verantwortungsbewusstsein. Am Freitag vor dem St. Pauli-Spiel haben sich Sandra Göbel und Lea Bultmann freigetestet. Sandra hat dann ja auch gespielt, Lea Bultmann sagte am Freitag, dass sie sich nicht so gut fühle und nicht spielen wolle. Das Spiel war am Sonntagnachmittag. Und sie hätte ja nicht von Beginn an spielen sollen, aber sich wenigstens im Dienst der Mannschaft auf die Bank setzen können. Oder wenn sie am Sonntag vor dem Spiel sagt, dass es ihr nicht so gut geht, dann hätte ich auch nichts gesagt. Aber zwei Tage vorher absagen, weil sie sich nicht so gut fühlt... Das wäre für mich als Spieler undenkbar gewesen. Durch eigenes Fehlverhalten einiger Spielerinnen kam es dazu, dass die Mannschaft in der Situation steckt, in die sie in den vergangenen Wochen reingerutscht ist. Wenn ich dann gesund bin, helfe ich der Mannschaft.

Wie haben Sie reagiert?

Als ich am Samstag vor dem Spiel den Kader bekanntgegeben habe, habe ich einen entsprechenden Kommentar in unsere Whatsapp-Gruppe geschrieben. Der kam bei den Mädels provozierend an – aber nicht so, wie ich mir das erhofft hatte. Ich hatte mir ein "Jetzt erst recht" versprochen, es kam aber ein "Was erzählt der alte Idiot da für einen Scheiß!?" – mal auf gut Deutsch gesagt. Als ich die Reaktionen dann mitbekommen habe, war es eigentlich auch klar, dass die Zusammenarbeit endet. Das ist nicht mehr meine Welt. Mir war es dann auch egal.

Eigentlich hatten Sie schon zugesagt, auch in der kommenden Saison die Mannschaft zu trainieren.

Ja, aber in meiner Corona-Pause hatte ich für mich entschlossen, dass ich am Saisonende aufhöre. Ich konnte da über Dinge nachdenken. Die Spielerinnen – nicht alle natürlich – haben nicht die Einstellung, die ich in so einer Liga erwarte. In der Regionalliga ist der Trainer dafür da, um sportliche Ziele zu erreichen. Ich erwarte dafür von Spielerinnen, gerade von denen aus dem Teamrat, Leistungsbereitschaft. Ich bin Trainer, weil ich daran Spaß habe. Ich muss niemandem etwas beweisen. Seit Januar, als das mit dem Urlaub klar war, habe ich keinen Spaß mehr gehabt. Ich habe einfach gegen Wände geredet. Vielleicht liegt das an den unterschiedlichen Generationen. Ich war schon trauriger, auch wenn ich den Pokal gerne gewonnen hätte. In gewisser Hinsicht war die Freistellung eine Erleichterung für mich.

War es im Rückblick ein Fehler, dass Sie in der Winterpause gesagt haben, dass es eigentlich nur noch um den Pokal geht und in der Liga eigentlich um nichts mehr?

Da gab es ein Missverständnis, aber das hatten wir eigentlich bereits vor dem ersten Spiel nach der Winterpause geklärt. Die Ligapartien waren und sind keine Freundschaftsspiele, sondern waren als Testspiele für den Pokal gedacht. Also diejenigen vor dem Pokalviertelfinale. Dadurch, dass mehrere Stammspielerinnen wegen des Urlaubs und auch wegen Verletzungen fehlten, sollten sich die anderen zeigen. Um dann zu sehen, wer am fittesten für den Pokal ist. Das Halbfinale und das Finale sind da erst sehr spät Ende Mai und Anfang Juni. Wenn man da zu Anfang Februar körperlich schon Topform hat, kann man das nicht halten. Vier Monate mit Beginn von Anfang März hätte das geklappt. Aber die Kommunikation war da vielleicht nicht so gut. Ich halte den Weg aber nach wie vor für richtig.

Ist die Gefahr denn nicht zu groß, dass Jahn absteigt?

Um den Klassenerhalt mache ich mir keine Sorgen. Nächste Woche sind alle Spielerinnen wieder da. Dann wird genau das passieren, was auch in der Hinrunde passiert ist. Wir hätten da zwar mehr Tore machen müssen, aber insgesamt war die Hinrunde okay. Als alle Spielerinnen da waren, lief es gut. Das Team wird insgesamt mehr als 30 Punkte holen. Mit dem Walddörfer SV kommt jetzt ein sehr dankbarer Gegner, die haben interne Querelen und sind momentan wohl die schwächste Mannschaft. Ich würde mich nicht wundern, wenn die neben Wellingsbüttel noch absteigen. Es müsste schon sehr viel falsch gemacht werden, dass Jahn noch absteigt.

Wie geht es für Sie weiter?

Ich mache jetzt bis zum Sommer Pause, bis Ende Juni bin ich vertraglich an den Jahn gebunden. Ich bin nur freigestellt, nicht entlassen. Ich genieße jetzt die Zeit für mich. Die Zeit bei Jahn war sehr zeitintensiv. Jedes Mal 45 Minuten zum Training hin und dann wieder zurück. Ich war auch bei der Kaderplanung für kommende Saison recht weit, habe mir samstags oft Partien angeschaut, um neue Spielerinnen zu finden. Jetzt habe ich die Wochenenden frei. Im Sommer werde ich dann mal schauen. Am Sonntag habe ich direkt um 22 Uhr eine Anfrage bekommen, aber das gehe ich entspannt an. Wenn ich ab Sommer ein Amt übernehme, dann in Wohnnähe mit maximal 20 Minuten Fahrzeit, um mehr Zeit für mich zu haben.

Das Interview führte Michael Kerzel

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