Wer lügt? In einem Fall von Vergewaltigung, der seit Montag vor dem Landgericht Oldenburg verhandelt wird, ist das schwer auszumachen. Denn die Schilderungen des vermeintlichen Opfers und des Angeklagten gehen sehr weit auseinander.
Laut der Anklage soll der 35-jährige Angeklagte am 1. April 2024 eine Sexarbeiterin in deren Wohnung geschlagen, gewürgt und mehrfach über mehrere Stunden brutal vergewaltigt haben. Das Opfer selbst schilderte vor dem Gericht, wie der Angeklagte zunächst wie ein ganz normaler Kunde für sexuelle Dienste zu ihr gekommen sei und bezahlt habe – es dann aber mangels Erregung nicht zum Vollzug gekommen sei. Der Mann sei nett gewesen – obwohl er, wie selbst zuvor angekündigt habe, alkoholisiert gewesen sei und unter Drogeneinfluss gestanden habe. Nach der vereinbarten Stunde sei er gegangen.
Doch nach zwei oder drei Stunden sei er wiedergekommen. Kaum in die Wohnung getreten, habe er die Frau am Hals gepackt, sie geschlagen und gefesselt und dann vergewaltigt. Bevor er gegangen ist, soll er noch 700 bis 900 Euro aus ihrer Wohnung gestohlen haben. Das Opfer äußerte die Vermutung, dass der Angeklagte wütend gewesen sei, dass das erste Treffen sexuell erfolglos geblieben sei.
Der Angeklagte erzählte eine ganz andere Geschichte. Er berichtete, wie er am Ostermontag mit seiner Verlobten und seinen Kindern einen Bekannten besucht habe und dort mit ihm viel hochprozentigen Alkohol und große Mengen Kokain konsumiert habe. Nachdem er abends mit seiner Familie nach Hause gekommen war, habe er noch mehr Alkohol getrunken und Kokain genommen und habe dabei im Internet nach Sex geschaut. Dabei sei er auf die Sexarbeiterin gestoßen, die er dann auch kontaktierte. Man sei sich einig geworden und der Angeklagte sei dann – nachdem er bei der Bank Geld abgehoben und seinen Dealer für Kokain-Nachschub getroffen habe – zu der Wohnung des Opfers gefahren.
Dort habe er gezahlt und sich auf Geheiß der Frau ausgezogen und geduscht. Seine Kleidung habe er im Wohnzimmer liegen lassen. In der Innentasche seiner Weste soll sich sein Portemonnaie mit seiner EC-Karte und etwa 325 Euro Bargeld befunden haben. In seiner Hosentasche habe er noch rund 30 Euro verwahrt. Nachdem der erste Sex-Versuch gescheitert sei, habe die Frau dem Angeklagten Kokain und Wodka angeboten. Danach habe man Geschlechtsverkehr gehabt und sich verabschiedet.
Als der Mann das Haus bei Regenwetter verließ und sich zunächst unterstellte, habe er festgestellt, dass sein Geld und seine EC-Karte fehlten. In dem Verdacht, dass das Opfer ihn bestohlen hat und in der Hoffnung, dass er das Geld und die Karte nur in ihrer Wohnung verloren habe, habe er erneut bei ihr geklingelt und sei eingelassen worden. Er habe zunächst in der Wohnung nach seinem Eigentum gesucht, doch als er nichts davon fand, sei er wütend geworden. Er gesteht ein, dass er die Frau am Hals gepackt, geschlagen, an den Haaren durch die Wohnung gezogen, zu Boden gebracht und gefesselt habe – vergewaltigt habe er sich aber nicht. Er habe sein Geld und seine Karte zurückbekommen wollen. Schließlich habe die Frau ihm auch die Karte aus einer Schublade gegeben. In einer Küchenschublade habe er Geld gefunden und habe sich etwas genommen. Dann sei er gegangen. Gegen vier Uhr morgens sei er zu Hause angekommen.
Auf Nachfragen seitens der Verteidigung, warum sich einige ihrer Aussagen, was zum Beispiel den zeitlichen Ablauf oder den Verlauf der Ereignisse anging, von ihren eigenen Angaben bei der Polizei oder im Haftprüfungsverfahren unterschieden, reagierte das Opfer unwirsch. Auch wie ihre DNA auf die EC-Karte und das Portemonnaie des Angeklagten gekommen sind, konnte sie nicht erklären. Da half auch der Austausch der Dolmetscherin nach anfänglichen Verständigungsproblemen kaum.