Wie viele Menschen leben in Delmenhorst? Diese Frage klingt trivial, ist aber tatsächlich gar nicht so leicht zu beantworten. Aktuell kommt es darauf an, wen man fragt. Laut Stadtverwaltung gibt es – Stand 2020 – 80.647 Menschen, die ihren Hauptwohnsitz in der Stadt haben. Nach Zahlen des Landesamts für Statistik sind es 77.502. Dieser Unterschied von rund 3000 Menschen stiftete zu Beginn der Corona-Krise immer wieder Verwirrung, weil die auf 100.000 Menschen berechnete Sieben-Tage-Inzidenz laut Stadtverwaltung immer etwas niedriger ausfiel. Inzwischen wird nur noch eine Inzidenz veröffentlicht, nämlich die des Robert-Koch-Instituts. Die Frage nach der Einwohnerzahl ist damit aber nicht beantwortet. Klarheit soll der bundesweite Zensus bringen. Um die Bevölkerung statistisch neu zu vermessen, befragen im kommenden Jahr 100 sogenannte "Erhebungsbeauftragte" rund 7500 zufällig ausgewählte Delmenhorster.
Der vom Land Niedersachsen beauftragte und bezahlte Erhebungsstellenleiter ist in Delmenhorst Zeynal Kaya. "Eigentlich sollte der Zensus bereits im Jahr 2020 vorbereitet und in diesem Jahr durchgeführt werden. Durch Corona hatte der Staat aber andere Probleme", sagt er. Kaya ist kein fester Bestandteil der Behörden, sein Arbeitsvertrag läuft nur zwei Jahre. Die Erhebungsstelle ist von der Stadtverwaltung getrennt, es gibt auch ein separates IT-System.
"Dieses abgesicherte System dient dem Datenschutz. Es ist unmöglich, dass die Ergebnisse der Befragung in falsche Hände geraten", verspricht Kaya. So ist auch eine Bereinigung der Melderegister, auf welche Unstimmigkeiten bei der Einwohnerzahl oft zurückzuführen sind, nach dem Zensus nicht vorgesehen. Die neue statistische Datengrundlage kann aber dazu führen, dass Behörden noch einmal in Eigenaufwand ihre Daten überprüfen.
In der Vorbereitung des Zensus ist für Kaya dieser Mittwoch ein wichtiger Tag. Denn dann erwartet er die Informationen über die rund 7500 zufällig ausgewählten Menschen, die Stichprobe für Delmenhorst. Von Mai bis Oktober 2022 laufen dann die Befragungen. Danach dauert es 18 bis 24 Monate, bis der Zensus vollständig ausgewertet ist.
Die für die Befragung ausgewählten Delmenhorster werden ab dem 1. Mai einmal Besuch von den Erhebungsbeauftragten bekommen. Dann gibt es drei Möglichkeiten: Entweder die Fragen werden direkt beantwortet, man schickt das ausgefüllte Formular per Post, oder man entscheidet sich für die digitale Variante per Internet. Alle für den Zensus ausgewählten Bürger müssen die Fragen beantworten, der Staat kann ansonsten ein Bußgeld verhängen. Wie hoch dieses ausfällt, steht noch nicht fest. Beim Zensus 2011 waren es in zwei Schritten für zwei Mahnungen 800 Euro. "In Delmenhorst musste das aber niemand zahlen. Das wünschen wir uns natürlich auch für das kommende Jahr", betont Kaya.
Die Frage, ob in Delmenhorst nun 3000 Menschen mehr oder weniger leben, wird letztlich eine statistische Methode aufklären. Als einen ersten Schritt erfassen die Erhebungsbeauftragten, ob sie die zufällig ausgewählte Person auch tatsächlich antreffen. Gibt es diese nicht, sinkt die Einwohnerzahl. Es ist aber auch möglich, dass in einem Haushalt, in dem zwei Personen zu erwarten sind, tatsächlich drei leben. So kann die Einwohnerzahl steigen. Das Ergebnis wird dann hoffentlich nicht mehr gebraucht, um Corona-Inzidenzen zu berechnen. Die Bevölkerungszahl ist für Kommunen aber auch in vielen anderen Fragen eine entscheidende Zahl, etwa bei der Zuweisung der Steuergelder von Bund und Land oder der Planung der Infrastruktur.