Wenn die Fans eines vom Abstieg bedrohten Zweitligisten während eines Testspiels ihrer Mannschaft gegen einen vom Abstieg bedrohten Erstligisten plötzlich den Kurven-Klassiker „Einer geht noch, einer geht noch rein!“ skandieren, dann muss zuvor schon einiges passiert sein. Und das war es am Sonntagnachmittag im eiskalten Stadion von Eintracht Braunschweig ja auch. Drei Tore für die Hausherren, nach 47 Minuten Spielzeit. Und auf der anderen Seite: keines für den SV Werder Bremen, der sich als Gast an der Hamburger Straße trotz späten Ehrentreffers bis auf die Knochen blamierte – und nunmehr kaum umhinkommt, die 1:3-Niederlage als gellendes Warnsignal zu werten.
Die Tatsache, dass Braunschweig zur zweiten Hälfte die komplette Elf ausgetauscht und vielen Spielern aus der zweiten Reihe Einsatzzeit verschafft hatte, verschärfte den folgenden Eindruck noch: Werders Generalprobe hat auf direktem Wege in eine Gefahrenlage geführt. Was vor dem Bundesliga-Wiederbeginn beim VfL Bochum am kommenden Sonntag (15.30 Uhr) doch mächtig auf die Stimmung drückt.
Natürlich lässt sich spätestens an dieser Stelle einwenden, dass die Partie doch bloß ein Testspiel war, dessen Bedeutung per se nicht überbewertet werden sollte. Grundsätzlich ist das natürlich richtig. Allerdings waren die Bremer Leistung und dementsprechend auch das Ergebnis in Braunschweig derart schwach, dass Sorge durchaus berechtigt ist. Nicht umsonst präsentierten sich Werders Cheftrainer Ole Werner („Jedem muss klar sein, worum es geht. Wir sind sehr unzufrieden“) und auch Leiter Profifußball Clemens Fritz („Mich hat der schwache Auftritt überrascht heute, ganz klar“) nach der Partie im Gespräch mit den Journalisten äußerst verschnupft. Was ausdrücklich nichts mit der klirrenden Kälte zu tun hatte.

Braunschweigs Fabio Kaufmann jubelt nach seinem Tor zum 1:0, Marco Friedl, Jens Stage und Michael Zetterer hadern.
Garniert wurde das Ganze von Werner sogar mit einer ebenso unmissverständlichen wie für seine Verhältnisse ungewöhnlichen Forderung. „Es sind sich alle einig, dass wir in der Breite noch etwas tun müssen und dass es so nicht reichen wird“, sagte der 35-Jährige auf die Frage, wie sehr er sich Neuzugänge für seinen Kader wünscht. Ziemlich doll und ziemlich schnell, wenn möglich, darf festgehalten werden.
Werders Spieler äußerten sich nach der Pleite von Braunschweig übrigens nicht öffentlich, stapften nach den 90 unerfreulichen Minuten stattdessen allesamt an der Interviewzone vorbei, ehe es über die Kabine direkt in den Mannschaftsbus ging. Abfahrt. Es ist davon auszugehen, dass die Stimmung auf der Autobahn nicht eben rosig war. Ole Werner dürfte sein öffentlich geäußertes Fazit des Tages in ähnlicher Form schließlich auch an seine Profis gerichtet haben: „Heute waren wir nicht bereit für ein Testspiel, jetzt müssen wir zusehen, dass wir nächste Woche bereit für ein Bundesligaspiel sind.“
VfL Bochum liefert überzeugende Generalprobe ab
Beim punktgleichen VfL Bochum – beide Mannschaften haben nach bisher 16 Saisonspielen 16 Punkte auf dem Konto – steht für Werder das letzte Spiel der Hinrunde an. Anders als den Bremern ist dem Team von Trainer Thomas Letsch die Generalprobe vor dem Duell geglückt. Gegen den niederländischen Erstligisten (und Letschs Ex-Club) Vitesse Arnheim, der aktuell Schlusslicht der Eredivisie ist, setzten sich die Bochumer am Sonntag nach überzeugender Vorstellung mit 2:0 durch. Einen Tag vorher hatte die zweite Garde des Revierclubs bereits mit 2:1 gegen den Eredivisie-Sechsten FC Groningen gewonnen. „Man hat in beiden Spielen gemerkt, dass es besser wird, wenn die Spieler in den Rhythmus kommen. Es war wichtig, zu gewinnen, heute auch zu null“, sagte Letsch nach der Arnheim-Partie. Und betonte mit Blick auf das kommende Wochenende: „Wir haben beide Testspiele gewonnen. Das gibt uns ein gutes Gefühl für die Woche vor dem Spiel gegen Werder Bremen.“
Beflügelte Bochumer hier, besorgte Bremer dort – das ist also die Ausgangslage vor dem direkten Duell, das für beide Vereine richtungsweisenden Charakter hat. Schließlich winkt bei einem Sieg das vorläufige Festsetzen im tabellarischen Mittelfeld, sprich: etwas Entspannung. Dieses Ziel hat natürlich auch Ole Werner fest im Blick, weshalb er trotz aller sicht- und hörbaren Ernüchterung noch in Braunschweig bemüht darum war, der Katerstimmung verbal entgegenzutreten. „Man muss jetzt nicht den Teufel komplett an die Wand malen, weil man ein Testspiel in den Sand gesetzt hat“, sagte der Coach und verwies auf eine „schwierige Trainingswoche“ vor der Partie, als ihm zeitweise nur 13 Spieler zur Verfügung gestanden hätten. Indirekt unterstrich das seine Forderung nach frischem Personal. Zeitnah erhört werden dürfte sie jedoch nicht. Aktuell sieht es jedenfalls nicht danach aus, dass vor dem Duell mit Bochum Neuzugänge am Osterdeich auftauchen.
Ob die angeschlagenen Milos Veljkovic (Knieprobleme) und Nicolai Rapp (Aufbautraining) sowie Felix Agu (krank) in Bochum wieder Kandidaten für den Kader sind, ist zudem noch offen. Sicher fehlen werden weiterhin Amos Pieper (Knöchelbruch) und Naby Keita (Afrika-Cup).
Für alle anderen gilt laut Cheftrainer Ole Werner: „Wir müssen mehr von uns verlangen als das, was wir in Braunschweig gezeigt haben. Denn wir sind längst nicht da, wo wir eine Woche vor dem Pflichtspielstart sein wollen.“