Seine Fußballschuhe hatte Marco Friedl längst gegen bequeme Sneaker getauscht und anstelle des zuvor durchgeschwitzten Trikots trug der 26-Jährige ein Trainingsshirt. Feierabend-Look, wenn man so möchte, denn Friedls Arbeitstag war am Sonntag nach der ersten Halbzeit des Testspiels beim FC Verden 04 gemäß Belastungssteuerung bereits beendet gewesen. Also zumindest fast, denn eine Aufgabe übernahm der Österreicher kurz vor der Rückreise im Mannschaftsbus dann doch noch: Er zog in einer kleinen Journalistenrunde pflichtschuldig sein Fazit des Spiels.
Als Kapitän des SV Werder Bremen gehört so etwas seit Sommer 2022 quasi zu seiner Stellenbeschreibung. „Im ersten Testspiel ist es immer nicht ganz einfach“, sagte Friedl also nach dem 2:0-Erfolg seines Teams, monierte noch „Ungenauigkeiten und Abstimmungsprobleme“ – und hielt fest: „Es geht darum, dass wir das in den nächsten Wochen besser machen.“ Womit er ein mannschaftliches Ziel formuliert hatte. Sein persönliches folgte auf Nachfrage prompt – und klang wahrlich vielversprechend.
„Unterm Strich würde ich sagen, dass die Rückrunde das beste Halbjahr von mir war, seitdem ich im Verein bin“, hielt Friedl zunächst fest, was durchaus zutreffend ist. In der Bremer Abwehrzentrale hatte er mit großer Ruhe und Übersicht maßgeblichen Anteil daran, dass sich die Defensive deutlich steigerte, was wiederum die Grundlage für Werders gute zweite Saisonhälfte war, die am Ende bekanntlich fast noch ins internationale Geschäft geführt hätte. Friedl, so die allgemeine Wahrnehmung, ist spätestens in der Rückrunde des vergangenen Spieljahres angekommen in der Rolle des Kapitäns – sowohl auf dem Platz als auch abseits davon. „Es geht für mich jetzt darum, daran anzuschließen, da weiterzumachen, wo ich aufgehört habe“, betonte er in Verden.
Rein formal sind die Voraussetzungen dafür bereits geschaffen worden: Als Kapitän wurde Friedl in der vergangenen Woche bestätigt, diskussionslos. „Marco bleibt Kapitän, es gibt keinen Grund, das zu verändern. Er hat seine Rolle im letzten Jahr sehr gut ausgefüllt“, sagte Cheftrainer Ole Werner. Was passiert, sollte bei Werder noch ein attraktives Angebot für den Abwehrchef auf den Tisch flattern, steht freilich auf einem anderen Blatt Papier, denn als per se unverkäuflich gilt in Bremen schon lange kein Profi mehr. Auf Transfererlöse ist der Verein trotz des Einstiegs des regionalen Investorenbündnisses weiterhin angewiesen, wenn auch nicht mehr ganz so zwingend wie noch vor einem Jahr. Grundsätzlich plant Werder aber wenig überraschend fest mit seinem wichtigsten Defensivspieler, um den herum Trainer Werner seine Dreierkette baut – was kurioserweise gerade wegen Friedl ziemlich kompliziert ist.
Der Österreicher dürfte im Zentrum weiterhin gesetzt sein, weil er dort für die Mannschaft am wertvollsten ist. Theoretisch käme er als Linksfuß zwar auch für den Part des linken Innenverteidigers infrage, in den Überlegungen von Werner spielt das aber eine untergeordnete Rolle. Zum einen, weil Anthony Jung den Posten zuletzt sehr zuverlässig bekleidet hat, und zum anderen, weil Friedl außen Probleme offenbart, die er in der Mitte nicht hat. Im Laufe der vergangenen Saison sagte er über den Job im Zentrum: „Ich fühle mich sehr wohl in der Rolle. Ich habe viel Verantwortung, muss sehr viel reden und versuche auf dem Platz, viel zu coachen.“ Zu einem Kapitän passt das naturgemäß sehr gut. Bei Werder sorgt es allerdings auch für ein Überangebot an Innenverteidigern, denen ob des blockierten Zentrums nur noch die rechte Seite übrig bleibt.
Allen voran ist da Niklas Stark, der in der Vergangenheit auch schon als Bremer Abwehrchef galt. Hinzu kommen im jungen Julian Malatini, dem wieder genesenen Amos Pieper sowie EM-Teilnehmer Milos Veljkovic, der am ehesten noch auf die linke Seite rücken könnte, drei weitere Verteidiger. Für Ole Werner ist das eine Art Luxusproblem, klar. Moderiert werden muss es aber trotzdem gut, um Unzufriedenheit im Kader vorzubeugen.
Während der Vorbereitung, die im Zillertal-Trainingslager ab Mittwoch so richtig an Fahrt aufnimmt, dürfte sich nach und nach herauskristallisieren, welches Trio der Chefcoach favorisiert – oder besser: welches Duo, das künftig Kapitän Friedl flankiert.