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Zurückgeblättert: 19. März 1979 „Werder im Endspurt dem 2:2 nahe“

Seit 1963 spielt Werder in der Bundesliga, mehr als fünf Jahrzehnte, in denen sich im Fußball, bei Werder und in der Berichterstattung viel verändert hat. Mein Werder zeigt die Originaltexte und Zeitungsseiten.
19.03.2019, 09:07 Uhr
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Von mw

Am 19. März 1979 schrieb der WESER-KURIER:

Es hätte nicht viel gefehlt, und dem SV Werder wäre in Frankfurt das gleiche Kunststück gelungen, das ihm drei Tage zuvor beim Hamburger SV geglückt war: nach einem beinahe hoffnungslosen 0:2-Rückstand noch den Ausgleich zu erzielen! Denn nach dem Anschlußtreffer von Werner Dreßel in der 70. Minute war der Rhythmus der zuvor in allen Belangen dominierenden Frankfurter plötzlich verlorengegangen, während die Bremer in gleichem Maße die Initiative übernahmen. „Ich habe tatsächlich noch eine Parallele zu Hamburg befürchtet", gestand Frankfurts Trainer Friedel Rausch, der die Schlußphase dieser überraschend noch einmal spannend gewordenen Partie nur noch gestikulierend vom Spielfeldrand aus zu dirigieren versuchte. Von einem möglichen 2:2 blieben die Frankfurter schließlich nur deshalb verschont, weil Torhüter Pahl noch eine große Parade glückte.

Eintracht Frankfurt: Pahl, Trapp (50. Schauss), Neuberger, Körbel, Pezzey, Lorant, Kraus, Hölzenbein, Borchers (77. Elsener), Nachtweih, Wenzel.

Werder Bremen: Burdenski, Möhlmann, Kamp, Geils, Roentved, Hiller, Reinders, Röber (19. Siegmann), Wunder (69. Linz), Bracht, Dreßel.

Schiedsrichter: Dr. Stäglich (Bonn).

Zuschauer: 16 000.

Tore: 1:0 Hölzenbein (2.), 2:0 Nachtweih (21.), 2:1 Dreßel (70.).

„Ein 2:2 war tatsächlich noch möglich", meinte Werders Trainer Wolfgang Weber eher verwundert als verärgert, denn ein 2:2 hätte den Spielverlauf völlig auf den Kopf gestellt. In den 90 Minuten spielten die Bremer nämlich nur ganze drei Torchancen heraus! Die Frankfurter Überlegenheit, vornehmlich in der ersten Halbzeit, war derart groß, daß die 16 000 Zuschauer im Waldstadion den ersten Bremer Schuß aufs Frankfurter Tor mit Beifall honorierten. Immerhin lief schon die 34. Minute . . .

Zweifellos profitierten die Gastgeber von ihrem Blitztor, das Hölzenbein schon nach 100 Sekunden markiert hatte. Diese Führung beflügelte die Frankfurter in einem Maße, daß die durch den Ausfall des verletzten Konschal umformierte Bremer Mannschaft kaum einmal mehr Zeit fand, sich nach vorn zu orientieren. Zum großen Schrecken für Weber fiel dann auch noch Röber nach einem Zusammenstoß mit Pezzey aus (20.). „Nun haben wir die Zehenpest„, witzelte Weber später, „erst mußte sich Konschal den Zehnagel entfernen lassen, und nun hat Röber 'nen dicken Zeh.“

Tempo, Kampfkraft, Spielwitz: Die Frankfurter beherrschten ihren Gegner in allen Belangen. Und hätte Torhüter Dieter Burdenski nicht einen so großartigen Tag erwischt, dann wäre dem SV Werder eine ähnlich katastrophale Niederlage, wie er sie vor zwei Jahren mit dem 1:7 an gleicher Stätte hinnehmen mußte, wohl kaum erspart geblieben. Weber: „Wir standen am Rande einer regelrechten Abfuhr!"

Ein gerüttelt Maß Schuld an der erstaunlich großen Unsicherheit in der Bremer Abwehr trug Libero Per Roentved, der in Frankfurt nicht jene Souveränität ausstrahlte, die ihn noch drei Tage zuvor in Hamburg ausgezeichnet hatte. Roentved allein hätte beide Tore verhindern können!

2. Minute; Nach einem Zuspiel von Nachtweih kann Hölzenbein den Ball rund zehn Meter voi dem Bremer Tor sogar noch zweimal aufspringen lassen, ohne daß er von dem vor ihm stehenden Roentved attackiert wird. Hölzenbein „bedankt" sich mit einem plazierten Schuß in den rechten Torwinkel. — 0:1

21. Minute: Roentved läßt sich auf ein völlig unnötiges Dribbling mit Hölzenbein ein, verliert prompt den Ball und kann nur machtlos zuschauen, wie der ehemalige DDR-Juniorennationalspieler Norbert Nachtweih auf Zuspiel von Hölzenbein sein erstes Bundesligator schießt. — 0:2.

Nicht jeder wird jedoch aus Schaden klug: Roentved leistete sich sogar ein weiteres vermeidliches Duell mit Hölzenbein, verlor auch dieses und hätte somit beinahe auch das 0:3 (67.) verursacht, doch Hiller traf bei seiner Abwehraktion glücklicherweise nur den Pfosten. „Roentved hat einfach eine zu große Ruhe am Ball„, versuchte Weber seinen Libero zu entschuldigen, wissend, daß dies kein Grund zur Entschuldigung sein kann. Daraufhin Weber: „Oder soll ich ihm deswegen den Kopf abreißen?!“

Es war andererseits beachtlich, wie die notgedrungen ad hoc umformierte Bremer Mannschaft sich stabilisierte und mit „unheimlichem Willen„ (Rausch) die Frankfurter noch in Verlegenheit brachte, Werder demonstrierte in der letzten halben Stunde des Spiels, daß auch die „Mannschaft der Stunde“ sehr leicht verwundbar ist. Immerhin bilanziert die Eintracht 12:2 Punkte aus den letzten sieben Spielen ohne Niederlage!

Bis auf den Schnitzer von Roentved aus der 67. Minute vermochten die Frankfurter im Verlaufe der zweiten Halbzeit keine nennenswerte Chance mehr herauszuspielen. Selbst der später eingewechselte Schweizer Nationalspieler Rudi Elsener, von Rausch als „Turbo„ apostrophiert, blieb ohne Wirkung: Vorstopper Geils, neben dem „kämpferischen Vorbild Kamp“ (Weber), bester Bremer Feldspieler, kaufte Elsener ebenso den Schneid ab wie zuvor Jungnationalspieler Borchers, der völlig demoralisiert ausgewechselt wurde.

Die 16 000 Zuschauer, die lange Zeit mit einem Kantersieg gerechnet hatten, quittierten das Unvermögen der Frankfurter Eintracht auf ihre Weise: Sie pfiffen die „Mannschaft der Stunde" trotz des Sieges aus!

Das hochauflösende PDF der Original-Zeitungsseite gibt es hier (bei iOS den Link länger gedrückt halten).

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