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Werder-Kolumne Die Beförderung von Fritz muss man anders einfädeln

Clemens Fritz, langjähriger Werderaner und potenzieller Nachfolger von Frank Baumann, muss sich vor dem Aufsichtsrat beweisen. Ist das der richtige Weg? Nein, meint Jean-Julien Beer, man sollte ihn stärken.
06.11.2023, 15:00 Uhr
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Die Beförderung von Fritz muss man anders einfädeln
Von Jean-Julien Beer

Manchmal kann man sich nur wundern, wie beim SV Werder wichtige Personalentscheidungen getroffen werden. Aktuell betrifft das den Fall Clemens Fritz. Der frühere Nationalspieler und Kapitän wurde im Verein über Jahre gezielt für eine Karriere im Management aufgebaut, zuletzt schloss er den entsprechenden Studiengang des Fußballverbandes UEFA mit Lehrgangsmodulen in Europa und den USA erfolgreich ab. Und jetzt, wo es bei seinem SV Werder um die Nachfolge von Frank Baumann geht, soll Fritz sich neben anderen Kandidaten vor dem Aufsichtsrat präsentieren, um seine Eignung für das Amt zu prüfen?

So ist es angedacht, damit das höchste Entscheidungsgremium des SV Werder bewerten kann, ob Fritz am Saisonende in Baumanns Fußstapfen als „Geschäftsführer Sport“ treten kann. Das bringt Fritz in eine blöde Situation: Im Gegensatz zu anderen Managern schleppt er schon den Nachteil mit sich herum, dass er bisher „nur“ bei Werder gearbeitet hat, wo er nach einem Trainee-Programm gezielt befördert wurde, von der Scoutingabteilung bis zum „Leiter Profifußball“. Wenn man bei Werder von Fritz überzeugt ist, muss man ihn jetzt ohne Wenn und Aber unterstützen, schließlich ist er schon seit Monaten in allen Pressekonferenzen und vielen Fernseh-Interviews das Gesicht des Vereins. All diese Aufgaben hat er längst von Baumann übernommen und meistert sie ohne Probleme. Und genau das wird er auch in den kommenden Wochen und Monaten weiter tun müssen.

Es wirkt fast schon albern, dass einer wir er sich vor dem Aufsichtsrat präsentieren soll. Wer soll ihn denn besser kennen als Werder? Fritz ist seit 2006 im Verein, er gehört zu den Ehrenspielführern. Seine Werder-Akte ist dicker als die Krankenakte von Naby Keita. Dass er sich jetzt – auf dem Papier – einem Wettbewerb mit externen Managern stellen soll, weckt Erinnerungen an seine Ernennung zum Scouting-Chef im Winter 2019/20. Das war ein Schauspiel in mehreren Akten, über viele Wochen inszeniert. Auch damals erzählte man bei Werder die Geschichte vom „umfassenden Recruiting-Prozess“: Man wolle den besten Mann auf dem Markt finden, Fritz sei nur einer der Kandidaten, aber es gebe verschiedene Runden in einem professionellen Bewerbungsverfahren und so weiter und so weiter. Und dabei gehe, man ahnt es schon, Qualität vor Schnelligkeit.

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Wahnsinn, konnte man da denken, jetzt will Werder es aber wissen und der Konkurrenz die besten Leute abluchsen. Doch am Ende kreißte der Berg und gebar eine Maus: Nicht ein international vernetzter Topmann bekam den Job, sondern der damals noch lernende und aufstrebende Clemens Fritz - was immer naheliegend war, denn für eine solche Karriere hatte man ihn im Verein in den Jahren zuvor ausgesucht und gefördert. Es war eine bewusste Entscheidung für den Menschen und Ex-Profi und Vollblut-Werderaner Fritz – die man auch ohne das Theater sofort hätte treffen können. Das wäre glaubwürdiger gewesen.

Nun scheint es ähnlich zu laufen. Natürlich gibt es Stimmen, die lieber einen externen Manager hätten, einen ausgebufften Profi, der frische Ideen und einen neuen Geist in die verkrustet wirkende Werder-Familie bringt. Das hat aber auch viel mit der Sorge der Fans zu tun, es könne andernfalls bei Werder alles so weiterlaufen wie zuletzt. Werder leidet stark unter verschiedenen Wahrnehmungen: Die Leute da draußen, und das sind bei beliebten Traditionsvereinen sehr viele Leute, sehen die Abläufe und Entscheidungen bei Werder viel kritischer als die Leute innerhalb des Vereins. Trotzdem wäre es unfair, Fritz nicht die Chance zu geben, die Dinge besser zu machen.

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Aber bei dieser negativen Grundstimmung im Werder-Umfeld müsste man das anders vorbereiten. Selbstbewusster und klarer. Einer wie Reiner Calmund, der als ausgebuffter Manager schon viel schwierigere Personalentscheidungen durchsetzte, der hätte eine Beförderung von Fritz komplett anders eingefädelt. Nämlich in etwa so: „Bei der Baumann-Nachfolge brauchten wir nicht eine Sekunde nachzudenken. Clemens Fritz scharrt da schon seit Jahren mit den Hufen. Der ist heiß wie Frittenfett und das Beste, was dem Verein passieren kann. Der kennt hier jeden Grashalm und jede Abteilung, der atmet Werder. Der hat einen internationalen Management-Abschluss. Schon viele Vereine haben nachgefragt, ob sie den haben können. Den Anruf könnt ihr euch sparen, habe ich denen gesagt, wir sind doch nicht bekloppt. So einen Top-Mann geben wir nicht her. Clemens Fritz ist Werders Zukunft.“

Durch solche Worte wäre Fritz gestärkt. Wenn man ihn wirklich als Baumann-Nachfolger haben will, muss man ihn unterstützen. Durch ein monatelanges Auswahlverfahren, bei dem Fritz um eine Beförderung werben und bitten muss, stärkt man ihn eher nicht.

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