Frank Baumann, Sie hatten vor ein paar Tagen Geburtstag. War das Geschenk von Werder so schlecht, dass Sie nun prompt Ihren Rückzug zum Saisonende ankündigen mussten?
Ehrlich gesagt habe ich gar kein Geschenk bekommen – mal abgesehen von dem Sieg der Mannschaft gegen Union Berlin. Ich hatte meine Entscheidung aber ohnehin schon vor meinem Geburtstag, also Ende letzter Woche, dem Aufsichtsrat in Person von Hubertus Hess-Grunewald mitgeteilt.
Wann haben Sie sich persönlich entschieden und was war der Hauptgrund?
Ich bin schon länger davon überzeugt, dass eine Veränderung auf der Position des Geschäftsführers nach acht bis zehn Jahren sinnvoll sein kann. Es geht da um persönliche Themen wie Gesundheit und Familie, aber auch um eine persönliche Reflexion. Deshalb wäre eigentlich nur noch eine Verlängerung des Vertrags um ein Jahr infrage gekommen – mit der Gewissheit, dass danach Schluss ist. So eine lange Vorlaufzeit wäre für mich, aber vor allem auch für den Verein keine gute Situation gewesen. Das ist das eine.
Und das andere?
Ich bin davon überzeugt, dass wir sportlich, wirtschaftlich und personell nach den schwierigen Jahren mit der Corona-Pandemie und dem Abstieg jetzt nicht nur ein gutes Fundament haben, sondern man darauf auch etwas weiterentwickeln kann. Mit Ole Werner, Clemens Fritz, Johannes Jahns, Björn Schierenbeck und Marc Dommer sowie Birte Brüggemann und Thomas Horsch sind wir in meinem Bereich personell einfach sehr gut aufgestellt. Das war mir sehr wichtig, weil ich wusste, dass ich irgendwann aufhören möchte. Übrigens betrifft das auch die Mannschaft: Da haben wir eine gute Basis geschaffen und einen spannenden Kader zusammen. Ich wollte immer zu einem guten Zeitpunkt aufhören – und das ist ein guter Zeitpunkt.
Es könnte allerdings sein, dass Sie im Sommer nicht erstklassig aufhören. Werder steht zwar über der Abstiegszone, aber...
...aber ich höre nicht jetzt auf, sondern erst am 30. Juni 2024. Ich bin überzeugt, dass wir unsere Ziele erreichen und dann die weiteren Schritte gehen werden.
Sie behaupten, der Verein stehe gut da, aber es drücken immer noch Schulden von rund 37 Millionen Euro und das Ergebnis des vergangenen Jahres dürfte negativ ausgefallen sein. Wie passt das zusammen?
Warten Sie doch erst mal ab, wie die Zahlen tatsächlich sind und sich in den nächsten Monaten entwickeln.
Ihnen war es sehr wichtig, Ihre Mitarbeiter weiterzuentwickeln – speziell auch Clemens Fritz. Ist er Ihr logischer Nachfolger?
Als Geschäftsführer muss man sich über solche Themen grundsätzlich Gedanken machen, aber die Entscheidung trifft letztendlich der Aufsichtsrat. Ich kann über Clemens nur sagen, dass wir ihn sukzessive über ein Trainee-Programm und dann über verschiedene Positionen aufgebaut haben.
Ist Clemens Fritz schon bereit für diese Aufgabe?
Wie fühlt sich Ihre Entscheidung ein paar Tage nach der internen Bekanntgabe an?
Es gibt ein lachendes und ein weinendes Auge. Es ist bei einem besonderen Verein ein spannender Job, den ich immer mit großer Leidenschaft gemacht habe und bis zum letzten Tag machen werde. Ich habe hier so viele tolle Menschen kennengelernt. Aber klar ist auch: In den letzten 25 Jahren war ich sehr intensiv hier bei Werder, hatte wenig Zeit für die Familie. Aber es ist Zeit für eine Veränderung. Wenngleich ich noch nicht weiß, was ab dem 1. Juli kommt. Das wird ein Einschnitt – quasi von 100 auf 0. Und wie bei meinen ersten Auszeiten werde ich mich erst mal zurückziehen, um Abstand zu gewinnen und die Zeit zu reflektieren.
Sie haben die Gesundheit angesprochen, hat Ihr Körper Ihnen entsprechende Signale gesendet?
Nein. Bei mir gibt es aktuell keine gesundheitlichen Probleme, es ist eher eine präventive Maßnahme.
Wird Bremen Ihr Lebensmittelpunkt bleiben?
Das haben wir als Familie noch nicht entschieden, das ist offen. Ein Vorteil ist sicher, dass die Kinder schon groß sind.
Was steht ganz oben auf Ihrer To-do-Liste?
Bei mir ist neben der Zeit für die Familie vor allem eine Sache zu kurz gekommen: sportliche Aktivität. Das war vor meiner letzten Auszeit auch schon so. Da habe ich mir dann vorgenommen, einen Marathon zu laufen. Das habe ich nach dreimonatiger Vorbereitung auch geschafft. Ich werde mir wieder ein Ziel setzen, um etwas für meinen Kreislauf zu tun.
Da bietet sich durchaus ein Triathlon an.
Das kann ich ausschließen. Ich glaube nicht, dass die Ziele im Alter noch höher als vorher gesteckt werden sollten.
Oder sehen wir Sie künftig jede Woche an der Seite von Ailton und Co. in der Traditionself?
Mit mehr Zeit und mehr Fitness könnte es schon sein, dass ich dort häufiger mal auflaufen werde.
Was wollen Sie in Ihrem Jahr Auszeit sonst noch machen?
Ein Jahr ist nicht ganz korrekt, es soll mindestens ein Jahr sein, es können also auch mehrere werden. Ich habe keine To-do-Liste und muss einfach mal schauen, worauf ich Lust habe und was ich mir für mein weiteres Leben vorstellen kann.
Welche Rolle wird der Fußball dabei spielen?
Das weiß ich nicht. Bei meinem Job wird oft nur das Ergebnis am Wochenende gesehen. Daran wird meine Arbeit gemessen – nach dem Motto: „Der stellt den Kader zusammen, und das war es dann.“ Aber es ist viel mehr. In diesen Führungspositionen wird inzwischen ganz anders gearbeitet, das hat auch nicht immer mit Fußball zu tun – zum Beispiel die Entwicklung von Strategien, Führung und Verhandlungsmanagement. Das ist so vielfältig. Deswegen möchte ich gar nicht ausschließen, dass ich in einem ganz anderen Bereich arbeiten werde. Es muss einfach eine spannende Aufgabe sein, bei der man im Team etwas entwickeln kann.
Wenn Werder einen Nachfolger gefunden hat, könnten Sie sich dann auch einen früheren Ausstieg vorstellen?
Das ist nicht angedacht. Aber es ist sicher klar: Jede Entscheidung bei uns im sportlichen Bereich ist eine Teamentscheidung. Und wenn mein Nachfolger feststehen sollte, würde ich wichtige Entscheidungen mit ihm natürlich abstimmen.
Werden Sie dadurch nicht zu einer „lame duck“?
Nein, das kann ich für meine Teams ausschließen!
Wo sehen Sie Werder nach der Baumann-Ära?
Nachdem ich 2016 zurückgekommen bin, haben wir nach jahrelanger Tristesse Europa zweimal nur knapp verpasst. So einen ähnlichen Weg traue ich Werder Bremen über die nächsten Jahre wieder zu.