Herr Reijnen, umweltverträgliches Fliegen war eines der großen Themen auf der Ila. Funktioniert das auch in der Raumfahrt?
Bart Reijnen: Natürlich, Themen wie Wiederverwendbarkeit unserer Entwicklungen spielen bei uns eine große Rolle. Wir müssen uns aber auch immer fragen, ob das technologisch und wirtschaftlich umsetzbar ist. Diese Kombination ist wichtig, damit wir als Industrie eine Entscheidung treffen können.
Anders als früher müssen Sie heute bei Neuentwicklungen und beim Bau noch mehr aufs Geld schauen. Das spüren auch Ihre Zulieferer in der Region Bremen.
Bart Reijnen: Wir stehen vor der Herausforderung, den Preisdruck über die ganze Lieferkette zu verteilen, ja. Aber das gilt für alle Industrien – nicht nur für die Raumfahrt. Es kann ja nicht sein, dass der eine Verlust macht und der andere einen riesigen Gewinn.
Wie wichtig sind die kleinen und mittelständischen Firmen überhaupt für einen großen Konzern wie Airbus Defence and Space?
Bart Reijnen: Sehr wichtig. Wir sind für den Betrieb des Columbus-Labors auf der Raumstation ISS verantwortlich und haben allein hierfür etwa 200 Zulieferer. Ein Großteil davon kommt aus Bremen und den Umland. Für mich ist das relevant, denn es hilft nicht nur uns, sondern auch den Unternehmen. Ich höre oft von diesen Firmen, dass wir als Airbushohe Anforderungen stellen. Wenn unsere Zulieferer diese aber umsetzen können, stehen sie auch auf ihren eigentlichen Märkten gut da. Denn die wenigsten sind reine Raumfahrt-Unternehmen.

Bart Reijnen, hier rechts im Bild neben dem ESA-Direktor und ehemaligen Astronauten Thomas Reiter, ist der Leiter von Airbus Defence and Space in Bremen.
Aber die Zahl der Firmen, die sich primär mit Raumfahrt beschäftigen, wächst.
Bart Reijnen: Im Moment sehen wir etwas ganz Spannendes. Bremen entwickelt sich zu einem kleinen Silicon Valley – vor allem, wenn es um junge Raumfahrt-Start-ups geht. Hier bildet sich gerade ein gutes Netzwerk aus großen Firmen, Forschungsinstituten aber auch kleinen, dynamischen Firmen. Wenn wir das ausbauen, wird Bremen auch in Europa noch sichtbarer als Raumfahrthauptstadt.
Wie unterstützen Sie die Start-up-Szene?
Bart Reijnen: Kürzlich hat in Bremen das Start-up-Event Disrupt Space stattgefunden. Da war Airbus nicht nur Sponsor, sondern hat auch inhaltlich dazu beigetragen. Geld geben ist einfach, aber das ist nicht so interessant für uns. Wir wollen uns mit Know-how und Themen einbringen. Es geht darum, mit den jungen Leuten Ideen zu entwickeln, mit denen wir selbst weitermachen können.
Angenommen Sie wären noch einmal 20. Würden Sie lieber bei einem Start-up einsteigen oder bei einem großen Konzern wie Airbus?
Bart Reijnen: Ich finde es sehr bewundernswert, dass junge Leute ihre eigene Raumfahrt-Firma gründen. Und wenn man damit eigenes Geld verdienen kann, ist das eine super Sache. Gleichzeitig hat ein großer Konzern wir Airbus den Vorteil, dass über Länder und Fachbereiche hinweg Know-how zur Verfügung steht. Das müssen sich Start-ups erst erarbeiten. Wir stehen hingegen manchmal vor dem Problem, dieses Wissen richtig zu nutzen. Das will ich in meiner jetzigen Rolle ändern.
Wie?
Bart Reijnen: Indem wir uns etwa mit Start-ups zusammentun. Mit Astrobotic aus den USA kooperieren wir. Das haben wir auf der Ila bekannt gegeben. Das Unternehmen will ein kommerzielles Landegerät für den Mond entwickeln. Da haben wir gesagt: „Prima, wir wollen uns gerne mit unserem Wissen einbringen und euch helfen.“ Am Ende sehen wir dann, wie auch wir davon profitieren können. Mir geht es darum, neue Wege zu gehen und so auch neue Märkte zu erschließen. Am liebsten hätte ich also beides: Das Know-how eines großen Konzerns, aber dann auch den jungen, unternehmerischen Geist eines Start-ups.
Wie viel von diesem Start-up-Geist steckt denn schon im Bremer Standort?
Bart Reijnen: Wenn man bei Airbus in Bremen die Leute bittet, einmal außerhalb der Box zu denken, dann kommen viele tolle Ideen dabei rum. Die Innovationskraft ist auf jeden Fall da. Die Herausforderung ist allerdings, dann zu sagen, welche Idee die beste ist – auch aus finanzieller Sicht.
Wird es denn auch noch in fünf Jahren genug Leute geben, die für die Ideen sorgen? Die deutsche Wirtschaft klagt schließlich ständig über Fachkräftemangel.
Bart Reijnen: Im Moment sehe ich noch kein Problem. Durch unsere Beteiligung am Orion-Projekt haben wir derzeit die Möglichkeit, unsere erfahrenen Ingenieure mit dem Nachwuchs zusammenzubringen. Da herrscht eine unglaubliche Dynamik. Wir müssen aber noch weitere Entwicklungsthemen nach Bremen holen, damit das nicht einschläft.
Wie wichtig ist die Mitarbeit an der Orion-Raumkapsel für Bremen?
Bart Reijnen: Außerordentlich wichtig. Die astronautische Raumfahrt ist neben Trägerraketen einer der beiden Schwerpunkte bei uns – und in diesem Geschäft gibt es nicht jedes Jahr ein neues Programm. Deswegen müssen wir auch der Politik die Luft- und Raumfahrtthemen nahebringen.
Haben Sie das Gefühl, dass Bremens führende Rolle überhaupt in der Stadt wahrgenommen wird?
Bart Reijnen: In Gesprächen bekomme ich viel Bestätigung, aber natürlich habe ich mich noch nicht mit jedem Bremer unterhalten. Wirtschaftssenator Martin Günthner war auch in Berlin auf der Ila. Das zeigt, wie groß das Interesse ist. Wir öffnen uns aber auch selbst. Jedes Jahr kommen über die Bremer Touristikzentrale 13 000 Besucher an unseren Raumfahrtstandort. Und da sind natürlich Leute dabei, die gar nicht wissen, was alles hinter den Toren bei Airbus passiert.
Bremen und Raumfahrt sind fest miteinander verwoben. Können Sie sich vorstellen, dass sich das irgendwann auch mal ändern wird?
Bart Reijnen: Bremen ist seit den Anfängen der Raumfahrt vor mehr als 50 Jahren mit dabei. Deswegen hat der Standort sehr starke Voraussetzungen. Doch die sind kein Selbstläufer. Wir brauchen industrielle Investitionen – dafür sorgt unter anderem Airbus. Doch auch der politische Wille muss da sein. Deutschland muss sagen: „Wir stehen weiter hinter der bemannten Raumfahrt.“
Spüren Sie den Willen in der Politik?
Bart Reijnen: Ja, aber dennoch müssen wir den Politikern deutlich machen, was wir hier überhaupt machen und was es den Bürgern nützt.
Das Interview führte Stefan Lakeband.
Zur Person: Bart Reijnen ist seit Februar 2013 neuer Leiter des Airbus Defence and Space Standortes in Bremen. Gleichzeitig ist der 44-Jährige für die beiden Bereiche Orbitalsysteme und Space Exploration verantwortlich.
Arbeit für Bremen
Das US-Start-up Astrobotic will Ende 2017 erstmals mit einem selbst entworfenen Shuttle ins All fliegen und dabei auch persönliche Gegenstände von Privatleuten mitnehmen. Unterstützt werden die Amerikaner bei ihrer Mission vom deutschen Logistikkonzern DHL und Airbus Denfence and Space, wie auf der Ila in Berlin bekannt gegeben wurde. Der Raumfahrtkonzern knüpfe damit eine wichtige Partnerschaft in den globalen Bemühungen, einen kommerziellen Weg zum Mond zu erschließen, sagt Bart Reijnen, Standortleiter von Airbus DS in Bremen.
Ebenfalls Arbeit für den Bremer Standort bedeutet das Bartolomeo-Projekt der europäischen Weltraumorganisation Esa. Airbus DS soll eine neue Plattform für externe Nutzlasten entwickeln, die an das europäische Raumlabor Columbus der Internationalen Raumstation ISS angedockt werden soll. Damit soll unter anderem das privatwirtschaftliche Engagement in der Weltraumerkundung gefördert werde. Daneben arbeitet Airbus DS auch an einem Projekt mit, das die sichere und präzise Landung der russischen Mondsonde Luna-Resource gewährleisten soll. Das Projekt mit dem Namen Pilot wird an den Unternehmensstandorten in Bremen und Toulouse entwickelt. Damit soll ein wichtiger Beitrag zur der Erforschung der Mondumgebung und -oberfläche beigesteuert werden.