Nachrichten über aussterbende Fischarten und leergefischte Meere werden in den Medien immer noch verbreitet. Hauptgrund dafür sei die Überfischung, heißt es. Aber wie sieht die Realität aus? In der Nordsee gibt es derzeit so viele Speisefische, wie seit 50 Jahren nicht mehr.
Sieht man sich die Langzeitdaten des Internationalen Rates für Meeresforschung (ICES) an, kommt man zu diesem erstaunlichen Ergebnis. Allein beim Nordseehering ist der Bestand der erwachsenen Heringe heute etwa doppelt so groß wie 1967. Damals schätzte ICES die erwachsenen Tiere auf eine Million Tonnen, heute sind es zwei Millionen Tonnen.
Anderen Fischarten geht es so gut wie nie zuvor. Dazu gehört die Scholle. Ihr Bestand war noch nie so hoch, seit die wissenschaftlichen Datenreihen 1957 begannen. Damals gab es etwa 342.000 Tonnen erwachsene Schollen. 1967 waren es immerhin schon 473.000 Tonnen und heute ist der Bestand erwachsener Schollen auf 937.000 Tonnen angewachsen.
Forderung nach Fangverbot hätte nicht durchgesetzt werden können
Der Nordsee-Kabeljau galt bei Umweltverbänden lange Zeit als Symbol der Überfischung. Noch zu Beginn dieses Jahrtausends hieß es: Der Nordsee-Kabeljau sei vom Aussterben bedroht, wenn kein komplettes Fangverbot verhängt wird. Die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin, Renate Künast, hatte sich mit ihrer Forderung nach einem Fangverbot nicht in Brüssel durchsetzen können.
„Das ist der Todesstoß für den Kabeljau“ hieß es damals. Heute gibt es in der Nordsee 168.000 Tonnen erwachsener Tiere. Seit seinem Tiefpunkt im Jahre 2006 ist der Bestand enorm gewachsen. Er ist noch nicht wieder so groß wie 1967, hat aber in diesem Jahr erstmals wieder die Nachhaltigkeitsschwelle überschritten. Glaubt man den wissenschaftlichen Vorhersagen, könnte er bis 2019 auf mehr als 215.000 Tonnen anwachsen.
Erfolge der Fischereipolitik der EU
Soweit einige Beispiele. Die Daten des ICES reichen nicht für alle Bestände in der Nordsee bis 1967 zurück. Die nordostatlantische Makrele lebt nur zu bestimmten Zeiten in der Nordsee. Auch die überwiegend kleinen, kurzlebigen Arten, die für die Fischmehl- und Fischölproduktion gefangen werden, bleiben in dieser Betrachtung unberücksichtigt. Ihre Bestandsgröße unterliegt erheblichen natürlichen Schwankungen.
Ich möchte an dieser Stelle die Erfolge der Fischereipolitik der EU hervorheben. Man kann also Fisch mit gutem Gewissen essen. Für die Fischer zahlt sich die nachhaltige Bewirtschaftung ebenfalls aus. Die Quoten sind in den letzten Jahren bei vielen Arten gestiegen. Das bedeutet für die Fischer mehr Geld und sichere Jobs. Wer immer noch von leergefischten Meeren redet, hat offensichtlich die Fähigkeit verloren, die Realität zu erkennen.
Über den Autor:
Holger Ortel ist Präsident des Deutschen Fischerei-Verbandes. Der 66-jährige Delmenhorster war von 1998 bis 2013 Mitglied des Bundestages (SPD). Der Deutsche Fischerei-Verband hat circa eine Million Mitglieder in Deutschland.