Mario Draghi hat viel Mut bewiesen, als er auf dem Höhepunkt der Finanzkrise ankündigte, die Europäische Zentralbank werde „alles“ tun, um den Euro zu retten. Das ist ihm gelungen. Aber er hat es versäumt, rechtzeitig den Ausstieg aus dem Überfluten der Märkte mit frischem Geld zu finden. Nun mag es unangemessen sein, dem Italiener zu unterstellen, er habe damit seinem Heimatland helfen wollen. Tatsache aber ist, dass genau das eingetreten ist: Die Politik der EZB war nichts weniger als eine Gelegenheit, die Schuldenbremse, die sich die Euro-Länder versprochen hatten, zu unterlaufen.
Von Christine Lagarde als Nachfolgerin wird nun das Ende dieses Kurses erwartet. Sie darf diese Großzügigkeit nicht fortsetzen – zum einen, weil der EZB sonst langfristig die Instrumente ausgehen, um bei einer erneuten Krise noch draufzulegen. Zum anderen, weil dies die wachsende Spaltung innerhalb der Währungsunion vergrößert. Der mehr oder weniger latente Verdacht, dass Italien und Frankreich, aber auch weitere Länder den Euro-Raum zu einer großen Transferunion umbauen wollen, sitzt so tief, dass kaum noch echte Fortschritte möglich sind. Das betrifft die Bankenunion, die Finanztransaktions- und die Digitalsteuer gleichermaßen. Bis heute ist nicht wirklich klar geworden, wozu beispielsweise das eigene Budget der 19 Euro-Länder genutzt werden soll.
Die Vorstellung, hier eine weitere Kasse aufzumachen, aus der ökonomische Nachzügler für ihre Reformpolitik belohnt werden, klingt zwar gut, legt aber die Frage nahe, ob das nicht auch die Grundlinie aller übrigen EU-Subventionen ist. Ja, es stimmt: Die Währungsunion braucht eine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik – und dann auch eine gemeinsame Haftung. Aber für dieses Zusammenwachsen müssen alle Beteiligten in gleichem Maße „fit“ sein. Die Beseitigung von finanziellen Risiken bei den Geldhäusern wie im Staatshaushalt hat vorher zu erfolgen, nicht hinterher.