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Globale Mindeststeuer Die Welt stopft Steuerlöcher

Die größten globalen Konzerne sollen mehr Abgaben an Staaten und Bürger zahlen. Das Abkommen zur weltweiten Mindeststeuer scheint in erreichbarer Nähe. Wie funktioniert es?
09.06.2021, 18:00 Uhr
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Von Hannes Koch

Wenn es tatsächlich zur Einigung kommt, wäre die Veränderung epochal. Quasi weltweit müssten die größten Unternehmen eine bisher nicht existierende Mindeststeuer an die Staaten zahlen. Zusätzlich sollen Konzerne wie Facebook und Google mehr Abgaben dort leisten, wo ihre Kundinnen und Kunden wohnen. Regierungen wie die deutsche, letztlich die Bürgerinnen und Bürger, können sich darauf freuen, einige Hundert Milliarden Euro jährlich zusätzlich zu erhalten, die die Firmen bis heute nicht an die Gemeinwesen abführen.

Was ist passiert?

Nach dem Regierungswechsel in den USA unterstützt Präsident Joe Biden das globale Steuerabkommen. Am vergangenen Wochenende beschloss die Gruppe der großen westlichen Wirtschaftsnationen (G7) – Nordamerika, Europa, Japan - ihre grundsätzliche Unterstützung. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) gehörte zu denen, die das Vorhaben seit Jahren vorantrieben.

Wie soll die Mindeststeuer funktionieren?

Die teilnehmenden Staaten könnten einen effektiven, also tatsächlich zu zahlenden Steuersatz für Unternehmen von 15 Prozent vereinbaren. Heute liegen die Steuersätze teilweise bei nur zwei oder vier Prozent. Manche Steueroasen verlangen auch gar keine Gewinnsteuer. Praktisch bedeutet das: Wenn ein in Deutschland ansässiges Unternehmen einen Teil seiner Einnahmen im Ausland mit weniger als 15 Prozent versteuert, dürfen die hiesigen Finanzämter bis zu 15 Prozent nachversteuern. Diese Größenordnung liegt aber immer noch deutlich unter der einheimischen Firmen-Gewinnsteuer, die insgesamt etwa 30 Prozent beträgt.

Für wen würde die Mindeststeuer gelten?

Wenn eine Untergrenze von 750 Millionen Euro Umsatz pro Jahr definiert wird, fallen etwa 7000 bis 8000 Firmen weltweit unter die Regelung. Clemens Fuest, Präsident des Münchner Ifo-Instituts für Wirtschaftsforschung, schätzt, dass das in Deutschland einige Hundert Unternehmen betrifft. Diese würden für ihre im Ausland erzielten oder dort verbuchten Gewinne mehr Abgaben bei hiesigen Finanzämtern leisten. Manchen Steuersparmodellen wird damit der Boden entzogen. Leiden könnten darunter Steueroasen wie die britischen Überseegebiete Jungfern-, Bermuda- und Kaiman-Inseln, aber auch Niedrigsteuer-Staaten wie Irland, Luxemburg, Zypern, Malta und die Niederlande.

Worum geht es bei der Steuerverteilung?

Unternehmen wie Facebook, Google, Amazon, Apple, aber auch VW, Daimler, Siemens oder SAP zahlen heute eher Steuern dort, wo ihre Konzernzentralen stehen, als in den Ländern, in denen ihre Kundinnen und Kunden wohnen. Europa und Deutschland erhalten deshalb kaum Abgaben etwa von Google, obwohl die Firma hier Milliarden verdient. Das soll sich bald ändern für ungefähr 100 Unternehmen weltweit mit mehr als 20 Milliarden Euro Jahresumsatz und gleichzeitig mehr als zwei Milliarden Gewinn. Die US-Digital-Firmen müssen dann ein paar Milliarden mehr in Europa entrichten, einheimische Unternehmen wie VW und Daimler etwas mehr beispielsweise in den USA oder China. Diese Regelung soll die Mindeststeuer ergänzen.

Was hat Deutschland davon?

Die EU-Steuerbeobachtungsstelle schätzt die Zusatzeinnahmen für die gesamte Europäische Union auf mindestens 50 Milliarden Euro. Deutschland könnte mit mindestens sechs Milliarden, Frankreich mit fünf Milliarden pro Jahr profitieren.

Welche Schwierigkeiten gibt es?

Die Verhandlungen laufen im Rahmen der Industrieländer-Organisation OECD. 139 Staaten sind beteiligt. Etwa 50 fehlen. Und noch ist nicht klar, ob alle Verhandlungspartner mitmachen. So sträubt sich die irische Regierung, weil Irland mittels Niedrigsteuern viele Firmen auf die Insel lockte. Wahrscheinlich beugen sich kleine Staaten jedoch schließlich der Mehrheit, wenn die großen mitmachen. Wobei China ein Problemfall zu sein scheint, weil auch Auslandstöchter chinesischer Unternehmen möglicherweise mehr Mindeststeuer zahlen müssten. Die britische Regierung begrüßt das Abkommen zwar offiziell, will aber Ausnahmen für Londoner Banken durchsetzen, die unter dem neuen Regime der Steuerverteilung eventuell mehr Abgaben in Asien und Afrika leisten sollen.

Wie ist der Zeitplan?

Ende Juni geben die Staaten im Rahmen der OECD vielleicht grünes Licht. Am 8. Juli folgt dann der Gipfel der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen, darunter auch China, Indien und Brasilien (G20). Dieser Termin gilt als entscheidend. Wenn alles gut läuft, sollen die Regeln 2022 in Kraft treten und 2023 die ersten Einnahmen an die Staaten fließen.

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