Der ein oder andere Lürssen-Konstrukteur wird demnächst einen größeren Koffer packen müssen: Sein Arbeitsplatz wird für längere Zeit in Australien sein. Denn die australische Regierung hat einen Milliardenauftrag zum Bau von zwölf Offshore-Patrouillenbooten an die Bremer Lürssen-Werft vergeben. Das teilte Premierminister Malcolm Turnbull am Freitag in Sydney mit. Der Auftrag habe ein Volumen von vier Milliarden australischen Dollar (2,57 Milliarden Euro). Allerdings findet der Bau nicht an einem der deutschen Werftenstandorte der Lürssen-Gruppe statt. Die inder Branche als Offshore Patrol Vessels (OPV) bezeichneten Patrouillenboote werden in Australien gebaut. Mit dem Bau soll Mitte kommenden Jahres begonnen werden.
Die Bremer Lürssen-Gruppe bestätigte am Freitag den Auftrag auf Nachfrage des WESER-KURIER: "Die australische Regierung hat heute die Fr. Lürssen Werft im Rahmen ihres SEA1180-Programms als bevorzugten Designer und Generalunternehmer zur Fertigung der nächsten Generation von Offshore Patrol Vessels ausgewählt", sagte Peter Lürßen, der zusammen mit seinem Vetter Friedrich Lürßen die Gruppe führt. Der Entscheidung sei ein etwa zweijähriges Bewertungsverfahren mehrerer Anbieter und deren eingereichten Entwürfe vorausgegangen. "Die gesamten Fertigungsleistungen werden unter Führung von Lürssen in Kooperation mit australischen Schiffbauern an zwei Werftstandorten in Australien erbracht." Die insgesamt zwölf hochseetauglichen Küstenwachboote werden die bislang von der Royal Australian Navy eingesetzten Boote der Armidale-Klasse ersetzen und für Grenzschutz- und Patrouillenmissionen, Such- und Rettungsdienste sowie die Katastrophenhilfe zum Einsatz kommen. Die Ablieferung des ersten Offshore-Patrouillenbootes ist für 2021 geplant.
"Von australischen Arbeitern auf australischen Werften mit australischem Stahl"
Zwei Patrouillienboote sollen laut australischen Medienberichten zunächst auf der Osborne South Naval Shipyard in Adelaide gebaut werden, die weiteren zehn dann auf der Austal-Werft inHenderson bei Perth. Die Patrouillenboote würden "von australischen Arbeitern auf australischen Werften mit australischem Stahl" hergestellt, sagte Turnbull. Durch das Projekt sollen an den Standorten Adelaide und Perth 1000 Arbeitsplätze entstehen. Die neuen Boote hätten eine größere Reichweite und bessere Leistung als die gegenwärtige Flotte. Ihnen werde "eine wichtige Rolle beim Schutz der Grenzen" Australiens zugedacht. Die australische Marine könne künftig "umfassendere Operationen unternehmen".
Die Austal-Werft hat bereits Geschäfte mit Deutschland gemacht: So liefert das Unternehmen den Nachfolge-Passagierkatamaran für den ausgemusterten "Halunder Jet", der auf der Route Hamburg-Helgoland eingesetzt wurde. Die 1988 gegründete Austal-Werft gilt als Marktführer bei 40-Meter-Passagierkatamaranen. Die Werft fertigt aber auch Automobilfähren, Küstenwachschiffe und Versorgungsschiffe für die US-Marine.
Da der Bau der Patrouillenboote in Australien stattfindet, ist unklar, wie viel von dem 2,57-Milliarden-Euro letztlich bei der Lürssen-Gruppe als Wertschöpfung verbleibt. Das Unternehmen selber machte dazu keine Angaben. Klar ist auf jeden Fall: Das Geschäft ist Werbung für das Bremer Unternehmen und damit sicherlich förderlich für künftige Exportgeschäfte – ein Bereich, in dem Lürssen seit längerem bereits durchaus sehr erfolgreich agiert. Das Familienunternehmen baut im Bereich Marine Fregatten, Korvetten, Minensucher und -jäger, Versorgungsschiffe sowie Schnellboote.
Australien ist seit ein paar Jahren dabei, seine Seestreitkräfte auszubauen beziehungsweise zu modernisieren. Im Vorjahr wurde der französische Schiffsbauer DCNS mit dem Bau von zwölf U-Booten im Wert von 50 Milliarden Dollar (32,2 Milliarden Euro) beauftragt. Außerdem werden ab 2020 neun Fregatten gebaut. Der Auftrag ist allerdings schon vergeben und findet auf der Osborne-Werft in Adelaide statt.
Einer der ganz großen Exportgeschäfte für Lürssen war in der Vergangenheit der Auftrag über 48 Patrouillenboote für Saudi Arabien. Eines dieser Boote ist bereits ausgeliefert, zwei weitere sind genehmigt. Das Geschäft ist in der Politik nicht unumstritten. Denn Saudi-Arabien steht seit Längerem in der Kritik wegen Verstößen gegen die Bürger- und Menschenrechte. Das sunnitische Königshaus in Riad ist aber gleichzeitig ein enger Verbündeter des Westens im Anti-Terror-Kampf. Auf die Voranfrage zu den 48 Patrouillenbooten gab der Bundessicherheitsrat im Jahr 2012 grünes Licht. Trotz der grundsätzlichen Genehmigung muss das Gremium die Entscheidung jedes Jahr überprüfen. Das soll dazu dienen, jährlich die politische Situation des Landes zu bewerten, an das geliefert wird.
Auftrag hat eine große Bedeutung
Dass sich auch andere Werften um den Australien-Auftrag bemüht haben, unterstreicht, welche Bedeutung so ein Auftrag hat, auch wenn die Schiffe nicht am eigenen Produktionsstandort hergestellt werden: Bei der Ausschreibung hatte sich die Lürssen-Gruppe gegen die Fassmer-Werft aus Berne und den niederländischen Konkurrenten Damen durchgesetzt. Wichtig sei der Auftrag nicht nur wegen des Renommees̱ und im Hinblick auf Folgeaufträge, sondern würden dadurch auch eigene Kompetenzen wie das Engineering weiter entwickelt, heißt es aus Unternehmenskreisen von Lürssen. Als Basis für die Entwicklung der australischen Patrouillenboote soll das Lürssen-Modell OVP 80 dienen. Dieses 80 Meter lange Schiff verfügt unter anderem über einen Helikopter-Landeplatz.
Der Auftrag aus Australien zeige, dass das deutsche Know-how im Überwasser-Marineschiffbau gefragt sei und belege die Exportfähigkeit der Produkte, sagte ein Sprecher der IG Metall im Bezirk Küste. In diesem Fall werde zwar die Produktion in Deutschland nicht direkt gesteigert, aber auf jeden Fall die Wertschöpfung. Die große Herausforderung sei es aber grundsätzlich, diese Schlüsseltechnologie in Deutschland zu halten, hieß es mit Blick auf anstehende Investitionsentscheidungen bei der Marine.
Wie viele Mitarbeiter von Lürssen sich demnächst auf einen längeren Zeitraum in Australien einstellen müssen, das teilte die Unternehmensgruppe nicht mit.
++ Diese Meldung wurde zuletzt am 24.11.2017 um 17.44 Uhr aktualisiert. ++