In der Ecke eines Konferenzraumes steht ein Modell eines weiß-blauen Propellerflugzeugs, genauer einer Dornier Do-228-212LM. Nils Robbe zeigt mit dem Finger auf ein längliches schwarzes Bauteil, das auf beiden Seiten der Außenhaut angebracht ist und einer Soundbar fürs Heimkino ähnelt. "Das sind unsere Slar: side-looking airborne radars", sagt er. Zu deutsch: luftgestützte Seitensichtradare.
Wofür diese Sensoren genutzt werden können, verraten große weiße Lettern auf einem blauen Streifen, der Modell wie Original von der Nase bis zur Spitze der Heckflosse durchzieht: "Pollution Control" - Verschmutzungskontrolle. "Wie mit all unseren Sensoren kann die Meeresoberfläche nach chemischen und biologischen Unregelmäßigkeiten abgesucht werden", sagt Robbe. Zum Beispiel Öl.
Der gebürtige Wilhelmshavener leitet seit über 13 Jahren den Vertrieb bei der Firma Optimare mit Sitz in Bremerhaven. Für die Meeresüberwachung aus der Luft heraus entwickelt das Unternehmen sowohl Datenerfassungssysteme als auch passive und aktive Sensorsysteme.
"Wir haben ein Mikrowellenradiometer, mit dem wir die Dicke von Ölschichten auf der Meeresoberfläche messen können", sagt Robbe. Einen auf infrarot- und ultravioletter Strahlung gestützter Zeilenscanner, der die relative Dicke der Ölschicht messe. "Oder auch einen Lasersensor, das Aufschluss über die Art des Öls gibt." Angebracht werden die Sensoren, mit Ausnahme der steuer- und backbordseitigen Slar-Antennen, am Bauch des Flugzeugs. "Entweder einzeln", sagt Robbe. Oder aber kompakt in einem speziell dafür entwickelten Behälter, dem Octopod.
Für Optimare sind die firmeneigenen Sensoren jedoch kein exklusives Quintett. Wieder tippt Robbe auf ein kugelförmiges Element am Nachbau der Do-228. "An den Special Mission Aircraft, die wir ausstatten, sind oft acht bis zehn Sensoren angebracht", sagt er. Zu den fünf von Optimare kämen meist ein Search and Rescue Peiler, ein Überwachungsradar und eine elektrooptische Kamera. Damit die Fremd- und Eigensensoren im Einsatz miteinander harmonieren, stellt die Firma aus Bremerhaven Soft- und Hardware zur Verfügung. Robbe nennt es das Gehirn, offiziell heißt das Produkt Medusa MMS. "MMS steht für Missionsmanagementsystem", sagt er.
Optisch erinnert das MMS an Gerätschaften in einer Operationszentrale auf einem Schiff der Marine: Auf zwei Bildschirmen einer Konsole mit Tastatur und Schnittstellen für Funksysteme ist eine elektronische Seekarte zu sehen und nebenbei bauen sich ständig neue bunte Bilder auf und ab.
"Die farbigen Darstellungen enthalten die wichtigen Informationen über die Meeresverschmutzung: Dicke, Verlauf, Typ", sagt Robbe. Während des Fluges, der Phase zwei einer Mission, würden die Daten dafür gesammelt, gespeichert und gegebenenfalls weitergeleitet. In der Nachbereitung erstelle man Berichte. "Diese fließen schließlich in die Phase eins, die Flugvorbereitung, wieder mit ein", sagt Robbe. Zyklisches Missionsmanagement eben.
Kunden von Deutschland über Spanien bis nach Brasilien
Sowohl die Überwachungsflüge als auch die Beseitigung der Umweltschäden müssen allerdings andere durchführen. "Wir liefern die Entscheidungsinstrumente", sagt Robbe. Zum Beispiel an die deutsche Marine, die zwei der Do-228 fliege. "Oder an die portugiesische Luftwaffe, die die C-295 nutzt", sagt Nils Robbe. Für einen kurzen Moment verliert sich der Physiker in kryptischen Kennungen unterschiedlicher Fliegertypen, die die internationalen Kunden aus Belgien, Spanien, den Niederlanden, Brasilien oder dem Oman betreiben.
"Ich bin ein absoluter Fan von Flugzeugen." Diese Neigung habe ihn vor über 20 Jahren zu Optimare geführt, erzählt er. Im Jahr 2000 studierte Robbe an der Universität Hamburg Physik. Er interessierte sich für optische Messungen mit Lasern, sei chemieaffin gewesen. "Da habe ich in Absprache mit einem Professor und der Firma hier meine Diplomarbeit schreiben können." Robbe verließ das Unternehmen nicht mehr.
Seither ist viel passiert. "Die Fernerkundung und die marinen Systeme sind die zwei Hauptgeschäftsfelder, die gänzlich übrig geblieben sind nach der Restrukturierung", sagt Robbe. Im Zuge dessen habe Aerodata-Gruppe aus Braunschweig die Firma zum März 2013 übernommen. Optimare, einst von Theo Hengstermann 1992 gegründet, ist seitdem eine hundertprozentige Tochtergesellschaft. Nur die Zahl der farbigen Kugeln im Logo erinnert heute noch an die ursprünglichen fünf Geschäftsfelder, zu denen unter anderem die Polarforschung zählte.
"Heute dürfen wir weiterhin Weltmarktführer auf unserem Gebiet sein"
Auch den Umzug der Firmenzentrale vom Flughafen Bremerhaven-Luneort an den Fischkai hat Robbe 2017 mitgemacht. "Da haben wir letztlich unseren eigenen Hangar nicht mehr gebraucht, weil der Flughafen bei Aerodata den Bedarf gedeckt hat", sagt Prokurist Robbe. Die Produktion der Sensoren sei ebenfalls nach Braunschweig verlegt worden. "Im Labor hier warten wir nur noch Geräte und entwickeln das MMS." Die wirtschaftliche Krise habe Optimare überwunden, sagt er. "Heute dürfen wir weiterhin Weltmarktführer auf unserem Gebiet sein."
18 Beschäftigte zählt das Bremerhavener Unternehmen derzeit: Physiker, Chemiker, Software- und Elektroingenieure, Verwaltung und Geschäftsführung. Man teile sich in den technischen Abteilungen und dem Qualitätsmanagement zusätzlich Personal mit Aerodata, sagt Robbe. Dafür stünden mehr als 18 Personen zur Verfügung.
Das gemeinsame Wissen und die Erfahrung will das Unternehmen künftig nutzen, um sich zukunftsfähig aufzustellen. Unter anderem werde derzeit ein Verbundprojekt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert. "PlasticObs+" nenne sich dies, sagt Robbe. Es gehe darum, die Sensoren für das große Plastikmüllproblem in den Meeren zu modifizieren. "Wegen unseres Umweltschwerpunktes lag das nahe."