Bremen. Als Reaktion auf die Kartellstrafen gegen Lkw-Hersteller wollen immer mehr Spediteure Schadenersatz geltend machen, weil sie für Neufahrzeuge zu viel Geld bezahlt haben. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) hat seine Mitglieder aufgerufen, sich an einer Art Sammelklage zu beteiligen. Dazu arbeitet der Verband mit dem Rechtsdienstleister Financialright zusammen. Die Klage soll die international agierende Kanzlei Hausfeld vorbereiten, die unter anderem spezialisiert ist auf Schadenersatzforderungen aufgrund von Kartellen.
Im vergangenen Sommer hatte die EU-Kommission wegen des Lkw-Kartells Rekordstrafen von knapp drei Milliarden Euro verhängt. Über 14 Jahre lang, in der Zeit von 1997 bis 2011, hatten mehrere Hersteller ihre Preise abgesprochen. Daimler, Iveco, DAF und Volvo/Renault stimmte dem Vergleich damals zu. Die schwedische Volkswagen-Tochter Scania dagegen lehnte einen Vergleich ab, sodass die Ermittlungen weiterliefen. Die andere VW-Tochter MAN kam straffrei davon, weil sie die Hinweise gab und damit das Verfahren ins Rollen brachte. Das hat aber nichts damit zu tun, dass auch auf MAN Schadenersatzforderungen zukommen können.
Am Dienstagnachmittag informierte der Verband seine Mitglieder und interessierte Spediteure aus dem Raum Bremen und Niedersachsen über das Vorgehen. Vertreter von etwa 25 Unternehmen waren der Einladung gefolgt. Mit Geld können die Fuhrunternehmen rechnen, die in der Zeit zwischen 1997 und 2011 einen Lkw oder eine Sattelzugmaschine mit mehr als sechs Tonnen neu gekauft oder geleast haben von einem der am Kartell beteiligten Hersteller.
Der Kooperationspartner Financialright hat im Internet die Seite truck-damages.com/de ins Leben gerufen. Dort können alle Spediteure, egal ob BGL-Mitglieder oder nicht, ihre Schadenersatzforderung an den Rechtsdienstleister abtreten. Außerdem müssen sie so viele Daten wie möglich über die betroffenen Fahrzeuge eingeben, am besten mit Kopie des Kaufvertrags. Im Erfolgsfall zahlen BGL-Mitglieder 28 Prozent der Schadenssumme als Provision an Financialright. Je mehr BGL-Mitglieder sich beteiligen, desto niedriger die Provision. Nicht-Mitglieder zahlen in jedem Fall 33 Prozent.
Verfahren kann Jahre dauern
Mit den Daten soll der Frankfurter Wirtschaftsprofessor Roman Inderst als Gutachter errechnen, wie hoch der Gesamtschaden ist. Als sicher gilt, dass es in die Millionen gehen wird. Hausfeld-Anwalt Alex Petrasincu aus Berlin will auf einen Vergleich hinarbeiten, um lange Gerichtsverfahren zu verhindern. Auf eine erste Geltendmachung reagierten die Lkw-Hersteller unterschiedlich. „Während von Daimler zumindest ein freundliches Ablehnungsschreiben kam, gab es von DAF keine einzige Reaktion“, sagte der Anwalt den BGL-Mitgliedern.
Zu viel Zeit mit der Dateneingabe dürfen sich die Spediteure aber auch nicht lassen. Denn zum Jahresende hin ist mit einer Verjährungsfrist zu rechnen. Hinfällig sei auf alle Fälle der Januar, der anfangs als Verjährungsfrist genannt wurde. Martin Oholt, Geschäftsführer vom Landesverband Verkehrsgewerbe Bremen (LVB), sagte: „In diesem Jahr geht es erst mal um die Datenerfassung. Mit dem Gutachten ist voraussichtlich erst 2018 zu rechnen. Wenn die Lkw-Hersteller allerdings einem Vergleich nicht zustimmen, kann sich ein Gerichtsverfahren über Jahre hinziehen.“ Sollte das Verfahren ohne Erfolg sein, müssen die Spediteure keine Kosten befürchten.
Richard Janssen von der Bassumer Spedition Detmers Janssen hat seine Rechte an Financialright schon abgetreten. „Das ist eine günstige Lösung für uns“, sagte Janssen. Seine Schwiegertochter Imke Janssen hat dazu schon 25 Fahrzeuge auf der Internetseite registriert, was einige Zeit in Anspruch nahm. Bei der Veranstaltung im Radisson Blu Hotel nahm auch der Vertreter einer Spedition teil, bei der es um 150 Fahrzeuge gehen soll. Bei dem Unternehmen aus der Region, das namentlich nicht genannt werden wollte, soll der Schaden durch das Kartell in die Millionenhöhe gehen.