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Nach Garde-Bäcker Insolvenz Was Bäckereien das Leben schwer macht

Für die Bäckerei Garde mit ihren 45 Filialen ist es seit 2013 bereits die zweite Insolvenz. Doch Garde ist kein Einzelfall. Was so großen Betrieben dieser Art inzwischen das Leben schwer macht.
27.05.2019, 20:12 Uhr
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Von Florian Schwiegershausen und Kai Purschke

Die Redewendung „Das läuft wie geschnitten Brot“ gilt für die Bäckereikette Garde aus Achim nicht mehr. Das Unternehmen hat vergangene Woche Insolvenz in Eigenverwaltung beantragt. Seit dem Frühjahr 2018 sind die Umsätze in dem Betrieb mit seinen 45 Filialen stark rückläufig gewesen, so dass er nicht mehr alle Verpflichtungen erfüllen konnte. Garde ist ein weiteres Beispiel für das „Bäckersterben“, das die Runde macht. Erst im vergangenen Jahr ging der Bremerhavener „Havenbäcker“ in Insolvenz.

Der Delmenhorster Bäcker Haferkamp übernahm im vergangenen September acht der insgesamt 18 Filialen zusammen mit einem Teil der Mitarbeiter. Noch vor einem Jahr hatte sich Garde selbst vergrößert, indem das Unternehmen aus Achim die Traditionsbäckerei Hellweg in Bremen-Nord übernommen hatte, die insolvent gegangen war. Dadurch wuchs Garde um drei Filialen in Vegesack, Lesum und Grohn.

Insolvenzen dieser Art haben drei Gründe

Bei Garde ist Insolvenzanwalt Malte Köster von der Kanzlei WillmerKöster vom Amtsgericht Verden zum vorläufigen Sachwalter bestimmt worden. In der Vergangenheit hatte er bereits mit einigen Bäckerei-Insolvenzen zu tun – so auch seit einem Monat als vorläufiger Sachwalter bei der Traditionsbäckerei Marciniak in Stade, die 16 Filialen und etwa 120 Mitarbeiter hat.

Insolvenzen dieser Art haben laut Köster drei Gründe: „Da gibt es als erstes den Trend weg von der reinen Bäckerei hin zur Event-Gastronomie. Da gehen die Leute am Sonntag zum Bäcker zum Frühstücksbuffet hin so wie früher eher ins Restaurant.“ Durch diese Gastronomisierung ähnele die Ausstattung hier eher denen wie bei der Kaffeekette Starbucks. Die herkömmlichen Bäckereien hätten dagegen einen Tresen und vielleicht höchstens einen Stehtisch, wenn jemand einen Kaffee nimmt.

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Als weiteren Grund sieht Köster bei Bäckern mit Filialen in Supermärkten: „Die haben sich dort über langjährige Verträge eingemietet, während der Supermarkt inzwischen selbst Brot im SB-Backshop verkauft.“ Dazu nehmen die Discounter mit ihren SB-Backzonen den alteingesessenen Bäckern Umsatz weg. Und als dritten Grund sieht Köster auch den Fachkräftemangel: „Keiner will mehr Bäcker werden. Das wird auch bei Garde und der Achimer Stadtbäckerei zunehmend zum Problem.“ Und wenn eine der Bäckereiketten expandiere, dann sei das ganz klar ein Verdrängungswettbewerb.

Was die Filialen in Supermärkten angeht, kennt der Obermeister der Bremer Bäckerinnung, Peter Büser, ein weiteres Problem bei dem sogenannten „Vorkassengeschäft“: „Weil die Supermärkte das so wollen, haben sich die Bäcker vertraglich dazu verpflichtet, dass sie bis 18 oder 19 Uhr volle Auslagen haben. Da wissen die bereits, dass sie alles, was die noch ab dem Nachmittag backen, für die Mülltonne produzieren.“ Und wenn dadurch der Materialaufwand wachse zusätzlich zu den Lohn- und Mietkosten, könne das manchem langfristig das Genick brechen.

"Der heiße Sommer war schlecht"

In seinem Laden in der Osterholzer Landstraße appelliert Büser an das Verständnis seiner Kunden, dass gegen Abend um 17.45 Uhr eben nur noch das da ist, was den Tag über nicht verkauft wurde. Einige Bäcker versuchen es dann mit Rabattaktionen, oder zu jedem Wochentag mit einem anderen Angebot. Dazu sagt Büser: „Nur zum Tag des Brotes gebe ich zehn Prozent Rabatt. Ansonsten kostet bei mir das Jahr über alles gleich. Schließlich arbeiten meine Mitarbeiter ja auch nicht für den entsprechenden Rabatt.“

Büser vergleicht Gardes rückläufige Umsätze 2018 mit seinem Betrieb: „Der heiße Sommer war schlecht, weil die Leute schon mittags ins Schwimmbad fuhren, statt am Nachmittag Kuchen zu kaufen.“ Diesen fehlenden Umsatz konnte Büser durch ein gutes Frühjahr und einen guten Herbst kompensieren. Für Garde ist es nun nach 2013 die zweite Insolvenz. Damals gehörte der Bäcker zur Siebrecht-Gruppe in Nordrhein-Westfalen, die in Schieflage geraten war. Garde konnte damals vom aktuellen Geschäftsführer Karsten Jarick aus der Insolvenz herausgelöst werden. Die 474 Mitarbeiter sind nun für drei Monate durch das Insolvenzgeld abgesichert. Ziel bei Garde ist wie schon 2013 die Sanierung.

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Auffällig ist, dass die großen Bäcker, die sich als Handwerksbetriebe bezeichnen und auf Tradition berufen, ihren Sitz alle im niedersächsischen Umland haben. Wenn da Bremer Betriebe sechs Filialen haben wie die Bäckerei Otten, ist das laut Büser schon viel. Er setzt als Einzelkämpfer neben Qualität auf Spezialisierung: „Inzwischen beliefere ich einzelne Burger-Restaurants mit Brötchen.“ Die wiederum können damit werben, dass sie ihr Brot aus der Region beziehen.

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