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Niere statt Milz entfernt 18-jähriger Patient hat kein Vertrauen mehr in Ärzte

Ein Arzt am Klinikum Bremen-Mitte hat dem 18-jährigen Kerim Ucar statt der Milz eine Niere entnommen. Der junge Mann ist jetzt wieder zu Hause und wartet auf die nächste Operation.
01.11.2017, 14:36 Uhr
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18-jähriger Patient hat kein Vertrauen mehr in Ärzte
Von Antje Stürmann

Kerim Ucar ist wieder zu Hause. Was ihm passiert ist, das können er und seine Familie immer noch nicht fassen: Ein Arzt am Klinikum Bremen-Mitte hat dem 18-Jährigen Anfang Oktober statt der Milz eine Niere entfernt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Mediziner wegen des Verdachts der fahrlässigen Körperverletzung.

„Es geht ihm körperlich besser“, sagt seine Mutter Durna Ucar. Seelisch habe er sich noch lange nicht von dem Schock erholt. „Kerim will nicht über den Fall reden“, sagt sie. Seit er weiß, dass die Ärzte ihm eine gesunde Niere entfernt haben, werde er psychologisch betreut. Er habe kein Vertrauen mehr zu Ärzten, sagt seine Mutter. Zur Schule gehe der Gymnasiast noch nicht wieder. Fraglich, ob das noch vor der nächsten Operation möglich ist: „Die Milz muss ja noch raus“, so seine Mutter. Einen Operationstermin gebe es noch nicht. „Wir stehen deswegen mit unserer Hausärztin in Verbindung.“

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Wo ihr Sohn dann operiert werden soll, weiß Durna Ucar noch nicht. „Wahrscheinlich nicht im Klinikum Mitte“, sagt sie. Der Arzt, der das falsche Organ entfernt habe, praktiziere weiter, kritisiert Durna Ucar. Sie fragt sich, warum während der OP niemandem im Team aufgefallen sei, dass der Arzt das falsche Organ entnimmt. „Ich frage mich, was die anderen gemacht haben“, sagt Ucar wütend.

Wie berichtet, leidet Kerim Ucar seit seiner Geburt unter einer Kugelzellenanämie. Das hat dazu geführt, dass die Milz vergrößert ist. Die krankhafte Veränderung der roten Blutkörperchen führe dazu, dass ihr Sohn blass sei und einen Teil seiner Leistungsfähigkeit einbüße, erklärt die Mutter. „Damit er aktiver werden kann, haben ihm die Ärzte empfohlen, die Milz entfernen zu lassen.“

Angepasster Entlassungsbericht

Bekannt wurde die Organverwechslung, nachdem die vermeintliche Milz in der Pathologie untersucht worden war. „Jetzt heißt es, die Niere soll krank gewesen sein und sei deshalb entnommen worden“, berichtet Durna Ucar. Schriftlich wolle ihr das aber niemand bestätigen. „Mein Sohn hatte noch nie Nierenprobleme“, sagt Ucar. Sie vermutet, der Entlassungsbericht könnte dem Operationsergebnis angepasst worden sein.

Durna Ucar fordert jetzt von der Klinik: „Sollte mein Sohn irgendwann eine Niere benötigen, möchte ich, dass er eine von der Klinik bekommt. Dass er nur noch eine hat, ist schließlich nicht unser Verschulden.“

Der Klinikverbund Gesundheit Nord (Geno) will zu dem Fall wegen der laufenden strafrechtlichen Ermittlungen keine Stellung nehmen. Geno-Sprecherin Karen Matiszick sagt: „Bevor wir uns zu Ursachen und Konsequenzen äußern, wollen wir die Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft abwarten.“ Diese ermittelt aufgrund einer Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Arzt, der Kerim Ucar operiert hat.

Ermittlungen dauern an

Wie lange sich diese Ermittlungen noch hinziehen werden, kann Frank Passade, Sprecher der Bremer Staatsanwaltschaft, nach eigenen Aussagen nicht abschätzen. „Das ist auch abhängig davon, ob wir externe medizinische Sachverständige hinzuziehen.“ Liege das Ermittlungsergebnis vor, entscheide der Staatsanwalt, ob ein Tatverdacht bestehe und Anklage erhoben werde. Auch der beschuldigte Arzt erhalte die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge darzulegen. Fahrlässige Körperverletzung, so Passade, könne mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren geahndet werden.

Fälle wie der von Kerim Ucar sind nach Passades Einschätzung selten in Bremen. „Ich selbst habe mich noch nicht mit solch einem Fall befassen müssen“, sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft.

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