Den Bremerinnen und Bremern sind ihre Bäume im wahrsten Sinne des Wortes ans Herz gewachsen. Nahezu jeder Baum, der gefällt werden soll, wird verteidigt. Und wenn ihre Bäume im Stress sind, dann fühlen die Bremer mit. Die Gründe für diesen Stress sind vielfältig. Sie wurden jetzt im Rahmen einer Online-Informationsveranstaltung des Umweltbetriebs Bremen (UBB) mit den Bremer Ortsämtern und Beiräten von den Experten des UBB dargelegt. Der Analyse zu Folge haben die Bremer Bäume besonders mit den Folgen des Klimawandels, wie extremen Sturmereignissen oder großer Trockenheit, zu kämpfen.
Die Straßenbäume sind dabei noch einmal einem zusätzlichen Stress-Test ausgesetzt, bei ihnen kommt die Belastung durch ruhenden Verkehr hinzu. Der hat zur Folge, dass ihnen wenig Wurzelraum zur Verfügung steht, auch weil Baumscheiben zugeparkt werden. Ziel müsse es darum sein, Baumscheiben zu entsiegeln, um ihnen eine größere Sauerstoffzufuhr zu ermöglichen. So schilderte es Thomas Knode vom Referat Grünordnung bei der Umweltbehörde, die als Auftraggeber des Umweltbetriebes fungiert.
Zusätzlicher Pflegebedarf
Die 287 neuen Anpflanzungen, die für die Saison 2022/2023 anstehen, hätten, beispielsweise wegen der Dürresommer, großen zusätzlichen Pflegebedarf. Damit sie nach der Anpflanzung nicht eingehen, sei diese Entwicklungspflege nicht über zwei Jahre, sondern über fünf Jahre hinweg notwendig, sagte Knode. Generell hätten Straßenbäume lediglich eine Lebenserwartung von 40 bis 50 Jahren. Notwendig sei daher eine Klima-Anpassungsstrategie mit besonderem Schwerpunkt auf Schlüsselmaßnahmen für Stadtbäume. Dieses Handlungskonzept für Stadtbäume wird seit 2020 erarbeitet.
Im Kern geht es unter anderem auch darum, größere Baumgruben zu schaffen. Bisher waren mindestens zwölf Kubikmeter üblich, besser seien allerdings 24 beziehungsweise 33 Kubikmeter, erläuterte Knode. Die Baumgruben werden dann mit einem bestimmten Baumsubstrat verfüllt. Außerdem sei ein Bewässerungsmanagement speziell für junge Bäume nötig. Kostenpunkt pro Baum: zwischen 1000 und 3000 Euro. Damit sind die Pflanzungen teurer als noch vor zehn beziehungsweise 20 Jahren. Deshalb gelte generell die Devise: Weniger ist mehr, betonte der Grünpflege-Experte. Heißt: Lieber weniger Bäume nachpflanzen und sich dafür intensiver um sie kümmern.
70 Cent für die Pflege eines Quadratmeters
Thomas Knode betonte aber auch, dass das Thema Grünpflege immer mit dem Ringen um Geld verbunden sei. So stünden 5,8 Millionen Euro für acht Millionen Quadratmeter Grünfläche zur Verfügung. Das seien gerade mal 70 Cent pro Quadratmeter, bilanzierte er. „Das ist zu wenig.“ Nun wolle man ein bundesweites Benchmark, denn: Es sei generell schwierig, noch Haushaltsmittel einzuwerben, da die Budgets jetzt fix seien.
Dazu komme, dass auch der Umweltbetrieb Bremen mit gestiegenen Energiekosten zu kämpfen habe. Mehrbedarf anzumelden sei sehr kompliziert. Bislang ist die Finanzierung aus verschiedenen Bundesquellen gespeist worden, beispielsweise aus dem Klimaschutzfonds und aus dem Programm „Green first“, klimagerechte Stadt. „Das hat uns letztendlich geholfen, genauso wie die Gelder aus dem Bremen-Fonds“, so Knode. Seine Hoffnung: mehr Geld für Baumschutzmaßnahmen im Haushalt der nächsten Legislaturperiode.
Zahl der Bäume gestiegen
Genauso groß wie die Liebe, die die Bremerinnen und Bremer traditionell für ihre Bäume hegen, ist ihr Interesse an Baumfällungen und Nachpflanzungen, die vom UBB ausgeführt werden. Geplant sind in der aktuellen Grünpflege-Saison 287 Pflanzungen vom 1. Oktober 2022 bis 15. April 2023. Eine Zahl, die aber noch ausgeweitet werden könnte. Zum 18. Oktober sind 230.077 Bäume, die in Straßen und Parks, auf Spielplätzen sowie Schul- und Kita-Geländen stehen, digital erfasst worden. Das sind etwa 90 Prozent des Gesamtbestandes. Davon sind 74.108 Straßenbäume. In den Parks und Grünanlagen gibt es 77.638 Bäume. Der Baumbestand sei seit 2012 kontinuierlich gewachsen. Besonders positiv hat sich laut Monika Osteresch vom UBB der Straßenbaum-Bestand entwickelt. Pro Jahr seien durchschnittlich 600 Bäume gepflanzt worden.
Insgesamt sollen in dieser Saison 2006 Bäume gefällt werden, davon 174 Straßenbäume. 130 Bäume konnten Stürmen nicht standhalten, 316 müssten wegen eines bestehenden Sicherheitsrisikos gefällt werden. Unter die Kategorie abgestorben und absterbend fallen 347 beziehungsweise 415. Schuld seien Krankheiten und Schädlingsbefall.
Mehr Fäll-Kandidaten
Generell nehme die Anzahl von Bäumen, die beseitigt werden müssten, zu. Einen Schwerpunkt bilde dabei die Erhaltung der Verkehrssicherheit, sagte Osteresch. Ein Großteil (1395) solle allerdings im Kleingartenbereich und auf Friedhöfen gefällt werden. In der Saison 2021/2022 wurden 1457 Bäume gepflanzt.
Von Jochen Behrendt vom Ortsamt Horn-Lehe kam die Anmerkung, dass die Lücke in seinem Stadtteil enorm groß sei: 287 Fällungen stehen 35 Nachpflanzungen gegenüber. Betrübt ist auch die Anwohnerschaft in der Hamburger Straße, dort sollen zwei von drei prächtigen Rubinien wegen Schädlingsbefalls gefällt werden.
Emanuel Jendt stehe interessierten Bremerinnen und Bremern jederzeit bei Nachfragen zu Verfügung, unterstrich Kerstin Doty vom UBB. Außerdem seien die Fälllisten in Form von Straßenkarten mit Baumfällungen online unter www.umweltbetrieb-bremen.de einsehbar.