Aufregende Wochen für Sigrid Schumacher. Erst im September zeigte die Bremer Mode-Designerin auf der renommierten Wiener Fashion-Week ihre neueste Kollektion und erhielt darauf große Resonanz. Dann stand das 25. Jubiläum ihres Labels „Prototype.Schumacher“ an. Und jetzt laufen die Vorbereitungen für ihre große Modenschau, die am Sonntag, 4. November im Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall 208, um 16 Uhr über die Bühne geht. Gezeigt werden Kreationen aus ihrer aktuellen Kollektion, aber auch aus ihrer Kollektion „Les Corails“. Das harmoniert vorzüglich mit der aktuellen Ausstellung „Wellentöchter“, in der Plastiken von Henri Laurens gezeigt werden. Schumachers Wellentöchter werden unter einem 20 Meter langen, azurblauen Meeresspiegel aus feinster Seide auftauchen. Erfahrungen mit Modenschauen in Musentempeln hat Sigrid Schumacher bereits: Spektakulär war die Fashion-Show im Theater am Goetheplatz in der Ära des Generalintendanten Klaus Pierwoß.
Unter dem schlichten Titel „Punkt.“ hat die in Findorff lebende Mode-Designerin ihre 50. Kollektion vorgelegt. Dahinter verbergen sich Variationen geometrischer Grundformen. Man könnte es auch so formulieren: Back to the roots. „Denn geometrische Formen sind eigentlich das Einmaleins des ersten Semesters Mode-Design“, schmunzelt Schumacher. Und doch haben sich Künstler wie Wassily Kandinsky, Victor Vasarely und Sonia Delauney schon in den 1920-er Jahren mit diesem Topos auseinandergesetzt. Die Kollektion „Punkt.“ strahlt etwas vom Blow-up-Glamour der Swinging Sixties und Sventies aus. Und so ist es kein Zufall, dass ein Model wie Christina-Maria Saracut im Stil Cathèrine Deneuves gestylt wurde und nun eine leicht unterkühlte Arroganz ausstrahlt. Alexandra Gor hat Saracut in ihrem schwarzen Hosenanzug mit den roten und cyclamfarbigen großen Punkten von unten fotografiert. „Ich liebe es, mit Details zu spielen“, betont Schumacher, die in der Neuen Vahr aufgewachsen ist. Sie präsentiert ein T-Shirt, auf dem die aufgenähten Punkte raffiniert von der Zwei- in die Dreidimensionalität changieren. „Ich liebe es, wenn sich solche kinetischen Objekte auf die Mode übertragen lassen“, sagt sie und fügt hinzu: „Es ist schon so, dass die Trägerinnen meiner Mode nicht unsichtbar bleiben, weil sie damit ein gewisses Statement setzen.“ Mode sei immer auch Kommunikationsmittel.
Alles andere als Spielerei ist dagegen das oft knallharte Mode-Business, in dem es schon eine bemerkenswerte Leistung ist, sich ein Vierteljahrhundert lang zu halten. So mancher Stern am Couture-Himmel konnte dem Zwang, sich ständig neu erfinden zu müssen, nicht standhalten. Die Abstürze von John Galliano und Alexander McQueen sind tragische Beispiele dafür. Was kaum jemand hinter der Glamour-Welt vermutet: „Oft arbeiten wir als Couturiers 80 bis 90 Stunden in der Woche“, plaudert Schumacher aus dem Nähkästchen. Der Humorist Karl Valentin hatte eben doch recht, als er konstatierte: „Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit!“ Wie solch ein hartes Pensum zu überstehen ist? „Mit Ernsthaftigkeit, Humor und großer Disziplin“, entgegnet die Mode-Designerin.
Die grassierende „Geiz ist geil“-Mentalität ist etwas, was sie wirklich ärgert: „Das ist ein Gift für die ganze Gesellschaft! Diese ewige Schnäppchen-Jagd entwertet prominente Marken, die inzwischen nur noch Pseudo-Luxus-Labels sind. Pret à porter für Chanel und Dior made in China“, sagt sie. Sie kritisiert im gleichen Atemzug den weitverbreiteten „Beratungs-Diebstahl“ in Fachgeschäften, zum Beispiel wenn sich jemand eine Stunde lang von Fachpersonal qualifiziert beraten lasse, aber dann anschließend lieber im Internet kaufe. „Kein Wunder, dass immer mehr gute Fachgeschäfte schließen müssen!“ Wenig Verständnis hat die Findorfferin denn auch für die Damen-Grüppchen, für die es inzwischen ein Sport ist, in Outlets am anderen Ende der Republik zu fahren, um sich en masse Kleidung bestimmter Designer zu kaufen, die zwar um die Hälfte reduziert ist, dann aber nicht richtig passt oder nicht die gewünschte Farbe hat. So habe sich in den vergangenen 25 Jahren so manches in der Mode-Branche geändert: „Früher war es so, dass sich eine Frau beim Flanieren in der Innenstadt von bestimmten Kreationen verführen und begeistern ließ“. Das damit verbundene Wohlgefühl sei nun dahin. Ständig setzten sich die Käuferinnen per iPhone selbst unter Druck, um doch noch irgendwo etwas billiger bekommen zu können.
Dass Sigrid Schumacher auf die Wünsche und die individuellen Figur-Proportionen ihrer Kundinnen eingehe, habe sich stets ausgezahlt, verrät sie. Ihre Kreationen seien schon oft auf dem roten Teppich getragen worden. Von Stars wie Corinna Harfouch, Sonja Kirchberger, Diane Kruger, Helen Schneider und Sarah Conner, aber auch von Gabriela Maria Schmeide, die am Theater Bremen ihre internationale Karriere begann. Schumacher, die ihr Mode Design-Studium 1983 an der Hochschule für Künste bei Professor Istvan Ehrlich mit Auszeichnung abschloss, hat in Paris ihr Metier von der Pike auf gelernt, im damals legendären Mode-Stadtteil Sentier. Jenem sei allerdings der Garaus gemacht worden, berichtet Schumacher. Das sei gewesen, als die Europäische Union die Importquoten für „Billig-Mist“ gekippt habe.
Ihre Devise sei damals gewesen, so viel wie möglich zu lernen. ihre Inspirationen heute nimmt sie auch von außen auf. „Ich lasse mich gedanklich fallen und beziehe aus meiner Umgebung Impulse“, sagt sie. Und das funktioniere in Paris, aber auch in Wien besonders gut. Denn in diesen beiden Traumstädten werde die Schönheit in allen Facetten gefeiert und zelebriert, nicht zuletzt in der Architektur. Das könne man vom eher calvinistisch geprägten Bremen nicht unbedingt sagen, findet Schumacher. 2014 war die Mode-Designerin zum ersten Mal bei der Vienna Fashion-Week dabei, da habe für sie festgestanden: „Nie wieder Berlin!“ Und womit ist eigentlich eine Frau in verschiedenen Lebenslagen besonders gut angezogen? Schon wären wir wieder bei Paris und Coco Chanel, der Erfinderin des kleinen Schwarzen. „Das würde ich auf alle Fälle jeder Frau empfehlen, denn es ist den ganzen Tag über so wunderbar wandelbar. Mit schicken Ohrclips und Louboutins mit roter Sohle wird es zu einem rasanten Outfit.“ Es könne aber auch mit einer Leggings und lässigen Biker-Boots getragen oder aber im klassischen Schwarz-weiß, aber auch in Schwarz-bunt kombiniert werden. Die Kombination Schwarz mit Indigo stehe dagegen für Sportlichkeit, Schwarz mit Rot wirke spanisch oder japanisch. „Coco Chanels Ziel war es ja, auch gerade berufstätige Frauen mit ihrer Mode zu unterstützen und es ihnen bequemer zu machen“, betont Sigrid Schumacher.
Weitere Informationen
Tickets für die Modenschau am Sonntag, 4. November, um 16 Uhr, im Gerhard-Marcks-Haus, Am Wall 208, sind zum Preis von zehn Euro im Museum zu haben, zuzüglich Museumseintritt von fünf Euro. Kontakt: info@marcks.de oder Telefon 9 89 75 20. Tickets gibt es auch bei Sigrid Schumacher unter info@prototype-schumacher.de oder Telefon 3 64 95 90.