Christian-Otto Schacht wischt sich den Schweiß vom Gesicht, obwohl es eher kühl ist. Der Waller Hausarzt steht auf dem Dach des seit Januar geschlossen Westbades und kämpft mit einem Metallgestänge. "So richtig durchdacht habe ich die Aktion jetzt nicht", murmelt er entschuldigend. Allerdings konnte er auch nicht genau wissen, was ihn hier oben auf dem Dach erwartet. Was er hingegen genau wusste: Den Schriftzug vom Westbad, den will er als persönliches Souvenir haben. "Als die hier zur endgültigen Schließung am 1. Januar so Sachen aus dem Bad als Andenken versteigert haben, habe ich gedacht, das ist doch alles nix, aber die Leuchtreklame vom Dach, das wär was."
Er hat dann den Bremer Bädern eine Mail geschickt, ob da was zu machen wäre. War es, wenn er im Gegenzug 500 Euro an die Aktion "Kids in die Bäder" spendet, die damit Schwimmkurse für Kinder aus bedürftigen Familien finanziert. Und er muss sich selbstständig um die Demontage und den Abtransport kümmern, weswegen er jetzt zusammen mit einem befreundeten Kollgen und seiner Tochter auf dem Flachdach herum turnt - auf eigenes Risiko, wie er den Bremer Bädern vorher schriftlich versichern musste.
Der Schriftzug erweist sich als gut befestigt. Das war eigentlich zu erwarten, schließlich haben die großen blauen Buchstaben mehr als 20 Jahren Wind und Wetter trotzen müssen. Sie sind auf einem Eisengestänge montiert. Schacht und seine Helfer wollen es komplett abflexen, sodass "Westbad" in zwei Teile fällt: "West" und "bad". Doch der Plan scheitert an den zu schwachen Akkus seiner Gerätschaften. Überhaupt entpuppt sich das Eisengestänge als ziemlich massiv und schwer. "Ich weiß gar nicht, ob das die Wand trägt", denkt Schacht laut nach.

Hans-Otto Schacht auf dem Westbaddach: Er will den Schriftzug im Wartezimmer seiner Arztpraxis montieren.
Die Wand ist eine Seite des Wartezimmers seiner Hausarztpraxis, die nur ein paar Hundert Meter vom Westbad entfernt liegt. Die Schrift passt genau dahin, hat er ausgemessen: fünf mal 1,30 Meter ist die Leuchtreklame groß. Ein ganz besonderer Wandschmuck soll es werden, natürlich weil Schacht Stammgast in dem Bad war. "War ja gleich nebenan, passte wunderbar in meine Mittagspause, mal eben rüber zum Schwimmen", erzählt er. Vor 26 Jahren hat er die Praxis in Walle übernommen, vor rund 20 Jahren mit dem regelmäßigen Schwimmen angefangen.
Das hatte mit seiner Frau zu tun, die Schwimmen richtig als Vereinssport betreibt und mit seinem Nachwuchs, der seinerzeit früh schwimmen lernen sollte, bevor er zur Schule musste. "So fing das mit dem Westbad an", erinnert er sich, denn eigentlich hatte er mit der Schwimmerei nichts am Hut. Aber dann packte ihn doch der Ehrgeiz und er belegte einen Kursus, um seine Kraultechnik zu verbessern. "Da gab es drei Varianten, einem für die Armbewegung, einen für den Beinschlag und dann noch ein Fortgeschrittenenkurs mit Videotechnik, um die Feinheiten zu verbessern, den habe ich dann genommen." Es hat sich dann schnell gezeigt, dass es bei ihm eher nicht um die Details ging. "Ich war so schlecht, ich hab dann doch erst einmal die anderen beiden Kurse gemacht."
Sein Kollege hat in der Zwischenzeit neue Akkus für die Werkzeuge herangeschafft. Aber bei einer noch einmal genaueren Untersuchung des Schriftzugs stellt sich heraus, dass sich die Buchstaben auch einzeln ablösen lassen, sozusagen minimalinvasiv ohne große Schnitte ins Eisen. "Das ist gut, da sparen wir uns das ganze Gestänge", kommentiert Schacht geradezu euphorisch. Auch sein Kleintransporter dürfte ausreichen, wenn die Buchstaben einzeln mitgenommen werden können.
Für diese Art der sanften Demontage fehlt jetzt allerdings das richtige Werkzeug. Tobias Knopp, der als letzter amtierender Chef des Westbads die ganze Aktion vor Ort begleitet, kann mit einem Sechskantschlüssel inklusive Ratsche aushelfen. Dann geht es endlich vorwärts. Mit einem großen blauen "W" unterm Arm marschiert Schacht übers Dach zu einer Feuerleiter, über die das Westbad nun Buchstabe für Buchstabe abtransportiert wird.
Vom Dach aus kann man durch die Oberlichter zugleich einen Blick auf die längst leeren Becken des Hallenbades werfen. Wo sich bis vor gut zwei Monaten noch die Schwimmanfänger im Kursbecken ausprobierten, stehen jetzt Tische und Stühle. Nahezu alles noch anderweitig nutz- und verwertbare Inventar ist schon raus. "Wir warten jetzt tatsächlich darauf, dass die Bagger anrücken", sagt Sabine Klose, Pressesprecherin der Bäder. Im April wird es wohl so weit sein.

Das Eisengestänge widersetzte sich den Flexversuchen, so wurden die Buchstaben einzeln abmontiert.
Schacht sortiert seine Buchstaben. Ein einmaliges Andenken ans alte Westbad ist ihm sicher. Er bedauert die Schließung natürlich, weicht aktuell aufs Südbad und das Horner Bad aus, aber das ist beides nicht mal eben in der Mittagspause erreichbar. Seine Schwimmzeiten sind daher ziemlich reduziert. Und wenn 2026 das neue Westbad öffnen soll, dürfte sich zumindest sein Mittagsschwimmen erledigt haben. "Bis dahin habe ich meine Praxis wohl geschlossen", vermutet der heute fast 63-Jährige.