Eine Sandkiste, eine Kombination mit Klettergerüst und Schaukel, in der Nähe eine Bank zum Sitzen: nichts Großes, kein teurer Schnickschnack, ein kleiner Spielplatz. So sah es aus, was jahrelang Bestandteil des Gartens einer Wohnanlage an der Kurfürstenallee war. Carola Alten kann sich noch gut an die Nachmittage erinnern, die sie selbst als Kind dort verbracht hat, wenn sie zu Besuch bei ihrer Oma war. Inzwischen hat ihr Vater Johann Lücke die Wohnung geerbt und vermietet sie. Vor einiger Zeit meldete sich die Mieterin und fragte, ob sie im Garten eine Sandkiste aufstellen dürfe, damit ihr zweijähriges Kind eine Spielmöglichkeit habe.
Über diese Bitte hätten sie und ihr Vater sich zwar gewundert, sagt Carola Alten, er habe aber den Antrag mitgenommen in die nächste Eigentümerversammlung, das entscheidende Gremium für derartige Veränderungen. "Wir dachten, da gibt es doch schon einen Spielplatz, aber na ja, vielleicht ist der inzwischen auch etwas in die Jahre gekommen", erzählt die 41-Jährige, die schon lange in Ostwestfalen lebt. Die Eigentümerversammlung lehnte den Antrag mehrheitlich ab – ihr gehörten insgesamt mehr als 30 Parteien an, sagt Carola Alten. "Die Versammlung ist relativ anonym, einige leben wie wir nicht vor Ort." Sie erklärt sich die Ablehnung auch durch die Altersstruktur in dem Komplex aus den Achtzigern: Viele der Bewohner seien inzwischen jenseits der 60 und offenbar eher lärmempfindlich, spielende Kinder entsprechend weit unten auf der Beliebtheitsskala.

Das Klettergerüst mit Schaukel früher: Das Bild stammt aus dem Familienalbum von Carola Alten.
Der Mieterin hätten sie ans Herz gelegt, einstweilen doch den alten Spielplatz zu nutzen. "Und dann stellte sich heraus: Den gibt es gar nicht mehr", sagt Carola Alten, die selbst drei Kinder hat. "Ich dachte, das kann ja wohl nicht wahr sein. Ich bin mir sicher, dass er noch da war, als ich 2019 das letzte Mal bei meiner Oma zu Besuch war." Zumindest das Schaukel-Klettergerüst hätte noch gestanden. Wo es hin ist, wer es abgebaut hat – unklar. "Die Hausverwaltung konnte uns dazu nichts sagen", sagt sie. Sie und ihr Vater beschlossen: "Damit geben wir uns nicht zufrieden. Wir wollen, dass da wieder ein Spielplatz hinkommt."
Und ihre Chancen, dass es so kommt, stehen gut. Denn so war es auch damals gedacht, als die Wohnanlage gebaut wurde: Auf dem Plan (liegt dem WESER-KURIER vor) ist ein Spielplatz eingezeichnet. Und entfernt werden dürfen hätte er nur durch einen einstimmigen Beschluss aller Eigentümer, wie Hausverwalter Bastian Stührmann sagt. Er arbeitet bei der Christian C. Meyer GmbH, die das Haus an der Kurfürstenallee seit zehn Jahren betreut. Stührmann hat sich durchs Archiv gewühlt, durch Protokolle der Eigentümerversammlungen der vergangenen 30 Jahre.
Was Stührmann auf Nachfrage dem WESER-KURIER nicht beantworten kann, ist die Frage nach dem Schicksal des Klettergerüsts. Aber Stührmann bestätigt, dass der Spielplatz laut Bauplan "Bestandteil des Gebäudes" war. Dann gibt es einen Beschluss aus dem Jahr 1991, eine der "vorhandenen Sandkisten" mit Sand zu befüllen, und einen aus dem Jahr 1993, diese Sandkiste "mangels Benutzung" abzusenken und zu bepflanzen – eine bauliche Veränderung und somit möglich nur bei Zustimmung von 100 Prozent der Eigentümer. "Das ist damals nicht passiert", sagt der Verwalter. "Also ist der Beschluss nicht gültig und heute noch anfechtbar. Wir waren sehr verwundert, dass der vorige Verwalter das hat durchgehen lassen."
Rechtlich sei die Lage klar, sagt der Verwalter. Der Spielplatz gehöre zum Haus, müsse dort also wieder hin. "Natürlich wäre es besser, die Frage einvernehmlich und persönlich zu klären." Von einer außerordentlichen Eigentümerversammlung will deshalb Stührmann entscheiden lassen, was nun geschehen soll. Die Möglichkeiten: Alle einigen sich, dass es auch die von der Mieterin begehrte Sandkiste tut. Lehnt die Versammlung ab, "ist der Verwalter geheißen, auf Gemeinschaftskosten einen Spielplatz hinzustellen". Carola Alten und ihr Vater sind im Recht", sagt Stührmann. "Insgesamt ist das eine kuriose Geschichte." Und es ist eine, die nicht jeglicher Ironie entbehrt, findet zumindest Carola Alten. "Anfangs ging es nur um einen kleinen Sandkasten", sagt sie. "Ich bin mir jedenfalls sicher, dass meine Oma es toll gefunden hätte, wenn im Garten wieder Kinder spielen könnten."