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Ärzte für Ukraine gesucht "Wir sind doch die Privilegierten"

Frederik und Antonella von Rosen aus Bremen folgen dem Aufruf der Ärztekammer, die Mediziner für Einsätze in der Ukraine sucht. Sie sind zwei von 1400, die sich aus ganz Deutschland gemeldet haben.
24.04.2022, 21:00 Uhr
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Von Timo Thalmann

Frederik und Antonella von Rosen mussten nicht lange nachdenken. Noch am gleichen Tag, als sie vom Aufruf der Bundesärztekammer erfuhren, die Ärzte für mögliche Hilfseinsätze in und an der Grenze zur Ukraine suchten, hat das Bremer Mediziner-Ehepaar ihre Namen auf die Liste gesetzt. Sie sind zwei von rund 1400 Ärzten, die sich bis Freitag aus ganz Deutschland dafür gemeldet haben, darunter neben den beiden weitere zwölf  aus Bremen.

"Wir sind allein durch unsere Geburt in einem der reichsten Länder der Erde so privilegiert aufgewachsen, dass wir uns einfach verpflichtet gefühlt haben, etwas zu tun", sagt Frederik von Rosen. Ob und wie so ein Hilfseinsatz im Ernstfall konkret aussieht, werde man dann sehen. Mit Blick auf ihren vier- und sechsjährigen Nachwuchs schließen sie aber doch aus, direkt ins Kriegsgebiet zu gehen. "Vielleicht ist je nach Lage die Westukraine denkbar, aber prinzipiell geht es in dem Aufruf ja auch nicht um Sanitätsdienste an der Front", sagt der Familienvater. 

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Tatsächlich zielt die Initiative der Bundesärztekammer darauf ab, einen Adressbestand parat zu haben, auf den zum Beispiel das Rote Kreuz oder Organisationen der Flüchtlingshilfe zugreifen können, um Ärzte für konkrete Vorhaben zu finden. Im Mittelpunkt steht, die durch den Krieg in Mitleidenschaft gezogene medizinische Infrastruktur in der Ukraine zu unterstützen, sowie für die medizinische Versorgung geflüchteter Menschen unmittelbar an und hinter der Grenze zu sorgen.

Schon auf Samos gearbeitet

Vor allem Letzteres können sich die zwei Bremer Ärzte gut vorstellen, zumal sie damit bereits Erfahrung haben. Vor zwei Jahren haben sie für eine Hilfsorganisation zwei Monate in einem Flüchtlingslager auf der griechischen Insel Samos gearbeitet. Die damals noch kleineren Kinder hatten sie einfach mitgenommen und wechselseitig zwischen Familientag im Hotel und Arbeitstag im Flüchtlingscamp gependelt. "Das war schon etwas schräg: An einem Tag mit den eigenen Kindern Urlaub am Strand und am nächsten Tag genau so kleine Kinder als Patienten mit schwierigem Alltag in extrem prekären Verhältnissen", erinnert sich Antonella von Rosen.

Wie der Krieg auch ohne direkte Angriffe auf Krankenhäuser und Arztpraxen in der Ukraine die Gesundheitsversorgung stört, wissen die beiden aus ihrem bisherigen Engagement, bei dem sie medizinische Hilfsgüter für das Land organisiert haben. "Es gibt ja weiterhin alle chronisch Erkrankten, die regelmäßig ihre Medikamente benötigen, vom Blutdrucksenker bis zum Insulin", sagt von Rosen.

Doch die normalen Lieferungen sind unter Kriegsbedingungen nicht mehr möglich. "Wir haben über ein Netz von ärztlichen Kontakten einen Hilferuf aus Kiew erhalten, bei dem es um fehlende Psychopharmaka, Antidepressiva und Epilepsie-Medikamente ging." Betroffenen Patienten, die mit ihrer Dauermedikation bislang den Alltag bewältigen konnten, drohten durch den Wegfall der Mittel schwere Rückfälle. "Das konnten wir dann tatsächlich organisieren und auf den Weg bringen."

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Hilfstransport ab Hamburg

Man denke bei medizinischer Hilfe im Kriegsfall ja immer sofort an Verletzte und Verbände, sagt Antonella von Rosen. Tatsächlich stocke aber neben den Medikamentenlieferungen auch die Versorgung mit vielen medizinischen Alltagsgütern. "Es werden zum Beispiel Windeln, Kanülen oder Gehhilfen aller Art benötigt." So begannen die beiden bereits kurz nach Kriegsbeginn damit, Kollegen und Institutionen wie Krankenkassen und die Bremer Ärztekammer darauf hin anzusprechen.

"Wir dachten, wir sammeln das erst mal bei uns im Wohnzimmer", erinnert sich Frederik von Rosen. Relativ schnell erklärte sich aber die Kassenärztliche Vereinigung in Bremen bereit, ihre Räume zur Verfügung zu stellen. "Die waren wahrscheinlich überrascht, wie schnell sich deren Atrium gefüllt hat, wir aber auch." Am Ende konnten sie alles in einem Hilfstransport ab Hamburg unterbringen, zwei volle Vierzigtonner mit medizinischen Gütern, die nach Lwiw fuhren.

Ob sie sich unter Umständen im Sommer selber auf diesen Weg machen, hängt jetzt nicht nur von einer entsprechenden Anfrage durch die Liste der Bundesärztekammer ab, sondern auch von ihren Arbeitgebern. Beide absolvieren aktuell eine Facharztausbildung zum Allgemeinmediziner und arbeiten als angestellte Ärzte. "Der Hilfseinsatz auf Samos war zwischen zwei Jobs, ob das diesmal so hinkommt, müssen wir sehen", sagt Frederik von Rosen. Denkbar sei auch eine Freistellung durch den Arbeitgeber. Über die jeweiligen Hilfsorganisationen gebe es Aufwandsentschädigungen, die zwar im Vergleich zu Arztgehältern eher niedrig sind. "Aber wie gesagt, wir sind hier die Privilegierten. Das können wir uns zwei Monate locker leisten."

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