Mütter und Väter, die ihre Kinder ohne Partner großziehen, haben es in Bremen schwer, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Fast jede dritte Familie in Bremen ist eine Einelternfamilie, damit hat Bremen die zweithöchste Zahl an Alleinerziehenden bundesweit. 2017 waren das laut der Arbeitnehmerkammer
24.000 Menschen, 20.000 davon Mütter.
Kind und Beruf unter einen Hut zu bringen, erweist sich in Bremen für viele Alleinerziehende als schwierig. Lediglich 60 Prozent von ihnen waren in 2017 erwerbstätig, was Bremen im Ländervergleich auf den letzten Platz führte. Zudem zeigte eine Erhebung aus dem Vorjahr, dass 6000 der erwerbstätigen Alleinerziehenden nur in Teilzeit beschäftigt waren. Da verwundert es nicht, dass die Arbeitnehmerkammer die Situation von Alleinerziehenden als kritisch bewertet: 67,8 Prozent der Alleinerziehenden mit Kind sind von der Grundsicherung abhängig, Alleinerziehende mit zwei Kindern sogar in 96,2 Prozent der Fälle. Hatten sie ein Einkommen, reichte das nicht für sie und ihre Kinder aus.
Die Experten der Arbeitnehmerkammer halten eine „politische Intervention“ zugunsten von Alleinerziehenden für dringend notwendig. Denn: Am Willen der Betroffenen, sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, scheitere es nicht, das zeigen verschiedene Befragungen. Vielmehr sind die meisten Alleinerziehenden sehr motiviert, aus der Abhängigkeit von Sozialhilfen zu entkommen. Die Frauenbeauftragte Bettina Wilhelm sagt, die Bedürfnisse von Alleinerziehenden seien bis vor Kurzem von der Politik vernachlässigt worden. Obwohl Bremen 2017 ein großes Wirtschaftswachstum erlebte, sei die Zahl der Alleinerziehenden auf dem ersten Arbeitsmarkt niedriger als in anderen Bundesländern.
Wo liegt das Problem? Tatsächlich ist die Lage der Alleinerziehenden eng mit der Situation von Arbeitnehmerinnen verknüpft. Die Wirtschaftsschwerpunkte in der Luftfahrt-, Raumfahrt- sowie Automobilindustrie bringen zwar gut bezahlte Jobs mit sich, sind aber immer noch typische Männerbranchen. Kaum verwunderlich also, dass die Frauenerwerbstätigenquote hier mit 67,3 Prozent in 2017 relativ niedrig war. Da neun von zehn Alleinerziehenden weiblich sind, verschlimmert die Arbeitsmarktlage ihre Situation. Das zeigt sich auch an der Zahl der Arbeitslosen aus Einelternhaushalten: 2017 waren es zehn Prozent, allerdings waren davon auch 90 Prozent weiblich. Außerdem hatten 2017 knapp 70 Prozent der arbeitslosen Alleinerziehenden keinen Berufsabschluss und kamen damit für zahlreiche offene Stellen nicht in Frage.
Die Belange von Alleinerziehenden rücken immer stärker in den Fokus der Politik. Jobcenter-Chefin Susanne Ahlers erklärte im Januar in einem Interview, dass in ihrer Behörde künftig mehr spezialisierte Kräfte ausgebildet werden sollen, um Alleinerziehenden unter die Arme zu greifen. Auch dass Fortbildungen speziell für Frauen in Teilzeit angeboten werden, sei eines der Ziele.
Kita-Platz-Mangel weiteres Problem
Neben dem Bremer Arbeitsmarkt ist allerdings laut der Arbeitnehmerkammer auch der Kita- und Krippenplatzmangel ein Problem: Die sogenannte Kinderbetreuungsquote lag 2017 bei 87,5 Prozent. Das trifft Alleinerziehende besonders hart und erschwert es ihnen, einen Vollzeitjob anzutreten. Das hat auch in der Bremischen Bürgerschaft, vor allem in Bezug auf den Kita- und Krippenausbau, immer wieder für Auseinandersetzungen gesorgt. Auch die Frage der niedrigen Unterhaltsrückholquote sorgte zuletzt für scharfe Diskussionen zwischen Sozialressort und den Oppositionsparteien.
Mit dem Modellprojekt VIA (Vermittlung und Integration von Alleinerziehenden in Arbeit) nimmt das Wirtschaftsressort seit vergangenem Jahr die Bedürfnisse von Alleinerziehenden in Osterholz-Tenever und Bremen-Lesum in den Fokus. Dazu gehört unter anderem eine Koordinationsstelle, um Alleinerziehende besser zu vernetzen. Ein Bericht aus der Wirtschaftsdeputation in diesem Monat zeigte, dass knapp 800 Beratungsgespräche geführt wurden, 50 Alleinerziehende nehmen das Betreuungs- und Hilfsangebot regelmäßig in Anspruch. Ein problematischer Faktor blieb auch in diesem Projekt die Kinderbetreuung: Ursprünglich als Teil des Angebots geplant, konnten die entsprechenden Erzieher- und Betreuerstellen bisher nicht besetzt werden.