Einen Sitzplatz in der Straßenbahn oder im Bus zu ergattern, ist für die meisten Fahrgäste das große Ziel. Und zumindest nimmt die große Mehrheit dann auch Platz. Es kommt aber auch vor, dass dem Sitzen das Stehen vorgezogen wird. Ein möglicher Grund: Der Stoff-Sitzbezug entspricht nicht den eigenen hygienischen Ansprüchen. Der Stoffbezug könnte bald ausgedient haben – zumindest gibt es Verkehrsunternehmen wie die Dresdner Verkehrsbetriebe, die schon länger auf der Suche nach Alternativen sind. Auch die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) setzt in manchen Straßenbahnen auf ein paar wenige Holzbänke, die laut BSAG bei den Gästen sehr unterschiedlich ankämen.
Holzbänke kommen unterschiedlich an
„Bei den Holzbänken scheiden sich die Geister“, sagte BSAG-Sprecher Andreas Holling auf Nachfrage des WESER-KURIER. „Wir haben einerseits Fahrgäste, die es begrüßen. Aber es gibt Gäste, die Holzsitze nicht mögen.“ Die BSAG hat auf die Kritik reagiert: „Weil Holzsitze immer etwas weniger Halt bieten als Polster, haben wir diese beispielsweise nur an Plätzen gegen die Fahrtrichtung verbaut.“ So könne im Fall einer Gefahrenbremsung niemand aus dem Sitz rutschen. Holling: „Es gab auch Fahrgäste, die in Kurven Angst hatten, vom Sitz zu rutschen. Daher haben wir auf viele Sitzen zwei schwarze Streifen mit einer etwas aufgerauten Oberfläche aufgebracht, um diese Sorge zu vermindern.“
Alternativen zum Stoffbezug
Die Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) sind auf der Suche nach Alternativen zum Stoffbezug. „Die Sitze sind strapazierfähig, brauchen weniger Pflege als die vorhandenen Stoffbezüge und müssen seltener ausgetauscht werden“, kündigte das Unternehmen im vergangenen Jahr einen mehrmonatigen Test an. Per QR-Code, der an den neuen Sitzen angebracht war, konnten die Fahrgäste ihr Urteil über die neuen Sitzgelegenheiten mitteilen. Vorweg: Der Versuch scheiterte. „Die Sitze fanden keinen Beifall bei den Fahrgästen, weil es sich trotz des recycelten Materials um echtes Leder handelte“, sagte DVB-Sprecher Christian Schmidt auf Nachfrage. „Bezüglich des Tierwohls gab es da Bedenken.“
Eingesetzt hatten die DVB sogenanntes E-Leather, das in England erfunden wurde und aus Abfällen und Resten von Naturleder gewonnen wird, die sonst zumeist auf dem Müll landen. Das E-Leather, das mit Wasserstrahlen unter hohem Druck zerkleinert und anschließend aufgearbeitet wird, wird nicht nur im öffentlichen Verkehr, sondern auch in der Flugzeugindustrie oder an Mobiliar verwendet, das häufig benutzt wird.
Aktueller Test mit Kunstlederbezügen
Und auch wenn Gäste die Sitze aus diesem Material ablehnten, setzen die DBV die Suche nach Alternativ-Sitzen fort. Das Unternehmen testet aktuell ein Material aus der Schweiz auf Kunstlederbasis. Der Vorteil bei dieser Variante sei wie schon beim E-Leather-Modell, dass sie im Gegensatz zu Stoffsitzen und deren Polsterung keine Tiefenreinigung benötigten, so der DVB-Sprecher. „Sie werden bei der nächtlichen Fahrzeugreinigung ganz einfach feucht abgewischt.“ Das mache die Bezüge hygienischer gegenüber Stoff.
Auch wenn der Anschaffungspreis etwa ein Drittel höher sei gegenüber Polstersitzbezügen, würde sich eine Anschaffung schnell durch den geringeren Pflegeaufwand rechnen. Hinzu komme, dass Stoffsitze im Durchschnitt alle fünf Jahre erneuert werden müssten, während beispielsweise Ledersitze je nach Beanspruchung etwa ein bis zwei Jahre länger halten würden. Das könnte bei Kunstledersitzen sogar noch übertroffen werden.
Die BSAG geht bei der Nutzungsdauer der Polster sogar von einem Zeitraum von acht bis zehn Jahren aus – je nach Beanspruchung. „Und wenn Sitze kaputt oder zu sehr verdreckt sind, dass eine Reinigung nicht mehr ausreichend ist, dann werden sie in unserer Sattlerei ausgetauscht“, so Holling.
BSAG beobachtet Marktentwicklungen
Dass die Reinigung von Stoffbezügen kostenintensiv sei, weiß auch Holling. „Insofern schließen wir nicht kategorisch aus, irgendwann eine kostengünstigere Alternative in Bussen und Bahnen einzusetzen.“ Sie müsse aber eben auch von den Fahrgästen akzeptiert werden. „Wir gucken natürlich auch, was andere Verkehrsbetriebe diesbezüglich unternehmen.“ Mit denen stehe die BSAG im Austausch. „Eines kann ich aber jetzt schon sagen: Wie werden aber auf keinen Fall echtes Leder als kommunales Unternehmen einsetzen.“