Wenige Wochen nach ihrem Amtsantritt ist Bremens neue Verkehrssenatorin Özlem Ünsal (SPD) gleich als Krisenmanagerin gefragt. Das Defizit der stadteigenen Bremer Straßenbahn AG (BSAG) droht aus dem Ruder zu laufen. Vor zwei Wochen hatte der WESER-KURIER von einem 100-Millionen-Euro-Finanzloch berichtet, das sich für das laufende Geschäftsjahr abzeichnet. Nun gibt es erstmals eine offizielle Bestätigung für die kritische Lage. Für 2023 rechnet das Verkehrsressort mit einem BSAG-Verlust von 97,5 Millionen Euro, für 2024 sogar mit etwa 125 Millionen Euro, sagte Ünsal dem WESER-KURIER. Die finanzielle Situation, die sie nach ihrem Amtsantritt vorgefunden habe, sei "alarmierend". Eingeplant war für 2023 ein Defizitausgleich aus dem städtischen Haushalt von maximal 60 Millionen Euro.
Gefragt sei nun ein "Stabilisierungsprogramm" für das Nahverkehrsunternehmen, das jährlich zuletzt gut 91 Millionen Fahrgäste transportierte. Die wichtigsten Ziele lauten für Ünsal: Verringerung des Defizits auf ein für den Bremer Haushalt verträgliches Maß und gleichzeitig "Rückkehr in den Regelbetrieb", denn bereits seit Jahresbeginn fahren die Busse und Bahnen der BSAG nach einem Notfahrplan. Dem Unternehmen fehlen Fahrer, nicht zuletzt wegen eines sehr hohen Krankenstandes. Verlässlichkeit der angebotenen Leistungen ist für ein öffentliches Nahverkehrsunternehmen laut Ünsal indes unabdingbar.
Darüber herrschte auch in der Verkehrsdeputation Einigkeit, die Ünsal am Donnerstag über die Entwicklungen bei der BSAG informierte. Bestätigung fand sie mit ihrer Aussage, dass Defizite kommunaler Verkehrsunternehmen nicht allein Bremen beträfen – Ralph Saxe (Grüne) verwies auf Zahlen aus Hamburg, die noch schlechter seien. Dass diese Erkenntnis der BSAG wenig hilft, zweifelte andererseits auch niemand an. Verwundert zeigte sich Michael Jonitz (CDU) über den Zeitpunkt, zu dem die Zahlen nun veröffentlicht wurden – weder gestiegene Energiepreise noch langfristig gesunkene Fahrgastzahlen seien neue Erkenntnisse. Auch Saxe merkte an: "Es war jedem klar, dass das passieren würde".
BSAG braucht Einsparungen und Verbesserungen
Klar ist allemal: Die BSAG steckt in einem Dilemma. Einsparungen und Verbesserungen müssen parallel umgesetzt werden. Wie das konkret funktionieren kann, weiß auch die Senatorin nicht. Noch nicht. In der vergangenen Woche gab es einen dreistündigen Austausch mit dem BSAG-Vorstand, bei dem die Senatorin ihre "hohe Erwartungshaltung" formulierte. Weitere Gesprächsrunden sollen folgen.
Von der lange geplanten Angebotsoffensive ist die BSAG jedenfalls weit entfernt. Das Ziel dürfe man dennoch nicht aus den Augen verlieren, forderten die Verkehrspolitiker in der Deputation parteiübergreifend. Nur mit einem besseren Angebot könne man Fahrgäste gewinnen, sagte Jonitz. Dass es bis dahin noch dauern kann, machte Verkehrsstaatsrat Ralph Baumheier deutlich. Er sprach davon, dass die Angebotsoffensive auf "eine andere zeitliche Dimension" umgestellt werden müsse.
Hoffnung in Sachen Personal vermittelte BSAG-Vorständin Monika Alke, die von vermehrten Neueinstellungen berichtete. Ihre Vorstandskollegin Claudia Wiest verwies auf positive Entwicklungen bei den Fahrgastzahlen – die seien zumindest in einzelnen Wochen und Monaten wieder auf dem Vor-Corona. Ob sich das finanzielle Defizit dadurch auf absehbare Zeit nennenswert reduzieren lässt, ist fraglich. Allzu viele Stellschrauben, an denen man drehen könnte, gibt es nicht. Energie bleibt einstweilen teuer. Eine Personaloffensive wäre zumindest kurz- und mittelfristig mit Mehrkosten verbunden. Hinzu kommt, dass für die Beschäftigten der BSAG im Frühjahr 2024 eine deutliche Gehaltserhöhung wirksam wird.
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