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Anfeindungen im Bremer Alltag "In Straßenbahnen fühle ich mich als queere Person gar nicht wohl"

Trotz Bremens Engagement für Geschlechtervielfalt gibt es Orte, um die queere Menschen aus Angst vor Anfeindungen einen Bogen machen. Ein Bericht über die alltäglichen Herausforderungen der queeren Community.
12.07.2025, 05:00 Uhr
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Von Sara Sundermann

Bremen war eine der ersten Städte, in denen es 1979 einen Christopher-Street-Day gab. Die Hansestadt ist einem internationalen Netzwerk von sogenannten Rainbow-Cities beigetreten, die für Geschlechtervielfalt eintreten wollen. Und hier gibt es seit Jahren eine breite Palette von Treffpunkten der queeren Szene. Eine relativ liberale Stadt also? Doch auch in Bremen erleben Schwule, Lesben und Transpersonen im Alltag Anfeindungen und Beschimpfungen.

René ist Koordinator bei der Regenbogenorganisation Queer Cities in Bremen. Er ist schwul und öfter als Dragqueen unterwegs. Seinen vollen Namen möchte er nicht in der Zeitung lesen, weil er Sorge um seine Sicherheit hat. "Wir müssen überall vorsichtig sein", sagt der Koordinator. "Als Dragqueen fahre ich niemals in Bremen Straßenbahn oder mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, weil ich Angst vor Übergriffen habe." Wenn er als Frau gestylt unterwegs ist, ruft er sich grundsätzlich ein Taxi. "Was ich auch viel vermeide, wenn ich im Drag bin, sind dunkle Bereiche, zum Beispiel die Wallanlagen und die Diskomeile, ich gehe dann tatsächlich immer außenrum oder nehme ein Taxi – es ist schade."

"Ich meide Gröpelingen, Tenever und Teile der Neustadt"

Auch bestimmte Stadtteile umgeht René: „Ich meide als Drag Gröpelingen, Tenever, inzwischen auch Teile der Neustadt.“ Warum gerade diese Gebiete? "Weil die Mentalität da anders ist – es sind nicht nur die Südländer, es sind alle, auch Deutsche." Man könne diejenigen, von denen der Hass kommt, nicht über einen Kamm scheren, sagt der Koordinator: "Ich erlebe das bei deutschen Jugendlichen, bei türkischen, bei russischen, bei polnischen – und in der Gruppe trauen sich manche mehr."

Nach Renés Eindruck nehmen queerfeindliche Anfeindungen im Alltag zu. "Meines Erachtens ist es die Politik, die AfD ist stärker geworden", glaubt er. Das Bild von Schwulen, Lesben und queeren Menschen werde verstärkt ins Negative gezogen. "Friedrich Merz fängt jetzt auch schon an, uns queere Menschen als Zirkus zu bezeichnen – das gibt uns das Gefühl, die Politik steht nicht mehr hinter uns." Es gebe aber auch positive Impulse, gerade in den jüngeren Generationen, stellt er klar: "Heute versuchen schon viele Eltern, ihren Kindern beizubringen, du bist gut so, wie du bist."

Viele junge Menschen leben offen queer

Justus Kornmesser macht gerade sein Freiwilliges Soziales Jahr beim Verein Queer Cities. Er ist schwul und vor Kurzem 18 geworden. "In meiner Generation wird mehr gezeigt, wenn man queer ist", sagt er. "Ich habe viele Freunde, die offen queer rumlaufen." Er sagt aber auch: "Ich habe schon einiges an Anfeindungen erlebt, vor allem in den Öffis." Und abends sei es immer ein bisschen schlimmer. „In Straßenbahnen fühle ich mich als queere Person gar nicht wohl", sagt der 18-Jährige. Dort reichten oft schon kleine Symbole, und man bekomme feindselige Sprüche: "Manchmal habe ich echt Angst davor, Armbändchen vom CSD und Regenbogen-Schnürsenkel zu tragen."

Auch Justus Kornmesser schildert, dass er um ganze Stadtteile möglichst einen Bogen macht: "Ich meide Tenever und Huchting – Teile von Gröpelingen und Bremen-Nord sind manchmal auch anstrengend." In diesen Stadtteilen habe er die meisten Vorfälle erlebt: "Das sind sehr dicht besiedelte Orte, da sind oft Gruppen von Jugendlichen, die dann denken, sie wären cool." Und dann kämen zum Beispiel Sprüche wie "Scheiß Schwuchtel, fick Deine Mutter", erzählt der 18-Jährige. Anders ergeht es ihm in der Östlichen Vorstadt: "Im Viertel habe ich noch keine Probleme gehabt, allgemein fühle ich mich da sehr wohl, weil es da einfach Support gibt, und in vielen Läden Regenbogenflaggen zu sehen sind."

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"Straßenbahnen, öffentliche Toiletten – viele öffentliche Räume sind für uns nicht sicher", stellt Mo Wenner klar. Wenner sitzt für den Verein Transrecht im queerpolitischen Beirat der Bürgerschaft und arbeitet seit zwei Jahren in der Bremer Transberatung. Wenner gehört selbst zur queeren Community und meidet zum Beispiel Gruppentoiletten, um Anfeindungen und Sprüche zu vermeiden: "Ich habe schon Google-Maps angelegt, wo ich eintrage, bei welchen Autobahnraststätten es Einzeltoiletten gibt."

In der Beratung gehe es vor allem um queerfeindliche Gewalt innerhalb der eigenen Familie, sagt Wenner: "Zum Beispiel wenn junge Leute Sorge haben, nach dem Outing zu Hause rauszufliegen, oder sie in der Schule Mobbing erleben." Aber auch jenseits von Schule und Familie gebe es queerfeindliche Übergriffe – viele seien nicht strafrechtlich relevant, machten aber trotzdem Angst: "Das drückt uns aus dem öffentlichen Raum und macht uns unsichtbar – wir gehen dann zu unseren queeren Treffen, um dort im geschützten Raum zu glitzern und zu entspannen."

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