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Nach Angriff auf Transperson Wo Bremen bei der Queerfeindlichkeit steht

In Bremen gab es zuletzt mehr Straftaten gegen queere Menschen. Und mehr Betroffene lassen sich zu Gewalt und Diskriminierung beraten. Woher rührt der Anstieg – und von welchen Gruppen geht der Hass aus?
11.07.2025, 05:00 Uhr
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Wo Bremen bei der Queerfeindlichkeit steht
Von Sara Sundermann

In Bremen wurde Ende Juni eine 18-jährige Transperson an einer Haltestelle in Walle brutal verprügelt. Die Täter waren zwei Jugendliche, die das Opfer weiter traten und schlugen, als es bereits am Boden lag. Nicht nur Transpersonen, auch Schwule, Lesben und alle anderen, die traditionelle Geschlechtergrenzen überschreiten, also sogenannte LGBTQIA-Personen, erleben Übergriffe und Anfeindungen. In Deutschland gab es zuletzt laut Bundeskriminalamt einen starken Anstieg queerfeindlicher Taten. 2023 wurden über 1.700 Fälle erfasst. Das ist ein Anstieg von etwa 50 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Laut einer Umfrage des Marktforschungsinstituts Ipsos identifizieren sich zwölf Prozent der Deutschen als LGBTQIA. Bei den Jüngeren ist der Anteil zudem deutlich höher als bei den Älteren.

Gibt es in Bremen einen Anstieg queerfeindlicher Taten?

Taten gegen queere Menschen werden als Teil der Hasskriminalität erfasst. Laut Bremer Polizei ist die Zahl der queerfeindlichen Straftaten auch hier gestiegen. Im Jahr 2024 wurden im Land Bremen 26 solcher Taten erfasst. Zum Vergleich: 2021 waren es 18 Taten, 2022 dann 20 Taten, und 2023 insgesamt 21 Taten. Nach Zahlen der Polizei kommen Beleidigungen und Sachbeschädigungen am häufigsten vor, Gewalttaten machen etwa 20 Prozent der Fälle aus.

Wie nehmen Beratungsstellen die Situation wahr?

Eine Anlaufstelle für queere Menschen in Bremen ist das Rat- und Tat-Zentrum im Ostertor. "Wir erleben, dass mehr Personen wegen Diskriminierung und Gewalt zu uns kommen", sagt Rat- und Tat-Geschäftsführer Christian Linker. "Das Sicherheitsgefühl von queeren Menschen hat stark gelitten." Im Jahr 2023 habe es beim Zentrum 49 Beratungen zu Diskriminierung und Gewalt gegeben, im Jahr 2024 insgesamt 77 Beratungen und 2025 im ersten Quartal 52 Beratungen. Linker geht davon aus, dass einerseits heute das Dunkelfeld besser aufgeklärt wird: "Die Polizei ist heute viel aufmerksamer für das Thema, in anderen Zeiten wären die Taten oft vollständig unsichtbar gewesen." Womöglich trauen sich also mehr Menschen, Übergriffe zu melden. Linker glaubt aber, dass es zudem auch einen realen Anstieg der Bedrohung gibt.

Von welchen Gruppen geht die Gewalt vor allem aus?

"Auffällig ist, dass wir zuletzt als Täter oft junge Männer hatten", sagt Christian Linker. "Toxische Männlichkeit spielt da eine Riesenrolle." Es gebe eine Verbindung von bestimmten vermittelten Männlichkeitsbildern und Gewalt. "Diese Männlichkeitsbilder finden wir in bestimmten Milieus, und zwar ebenso in verschiedenen orthodoxen Religionsgemeinschaften wie auch in rechten Milieus." Zum einen gebe es eine junge Generation, die viel besser aufgeklärt sei und queeren Menschen wohlwollender begegnet, so Linker. Andererseits gebe es junge Männer, die mit ihrer eigenen Identität haderten und anscheinend zur Gewaltbereitschaft neigten.

Woher kommt der Hass gegen queere Menschen?

Wer solche Taten begehe, sehe "queere Menschen oft als Bedrohung für traditionelle Geschlechterrollen und heteronormative Familienstrukturen", erläutert die Bremer Polizei. In vielen Fällen seien die Opfer für die Täter Fremde – das könne die Hemmschwelle für Gewalt senken. Die aktuelle Forschung zeige zudem, dass "extreme Gruppen an den Rändern der Gesellschaft lautstark Themen aufgreifen und sie mit ,Angsterzählungen' besetzen, um Emotionen und Aufmerksamkeit hervorzurufen". Ziel sei es, den politischen Diskurs in rechtsradikale oder religiös fundamentalistische Richtungen zu verschieben.

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Gibt es bestimmte Orte oder Situationen, in denen es häufiger zu Übergriffen kommt?

Mehrmals gab es in Bremen Angriffe auf Transpersonen in Straßenbahnen oder an Haltestellen, vereinzelt auch in Kneipen. Laut Rat- und Tat-Zentrum sind Übergriffe in den Abendstunden häufiger, wenn Alkohol im Spiel ist. "Überall dort, wo weniger Bildung vorhanden ist, erleben wir mehr toxische Männlichkeit und Gewaltandrohungen, auch in Seitenstraßen vom Viertel kann einem das passieren", sagt Linker.

Was tut die Bremer Polizei bei diesem Thema?

Die Polizei hat seit gut zwei Monaten ein neues Angebot geschaffen: die queersensible Anzeigenaufnahme. Das bedeutet, ein Beamtenteam bietet feste Termine an, bei denen Betroffene queerfeindliche Straftaten anzeigen können. Das Ganze findet in Räumen des Präventionszentrums am Wall statt. Der Polizei zufolge gibt es bereits erste positive Rückmeldungen und Erfahrungen. "Besonders erfreulich ist das gestiegene Vertrauen, das uns aus der queeren Community entgegengebracht wird", so ein Polizeisprecher.

Info

CSD in Bremen und Bremerhaven

An diesem Sonnabend, 12. Juli, findet der Christopher-Street-Day in Bremerhaven statt. Der Demonstrationszug startet um 12 Uhr am Historischen Museum und zieht dann durch die Innenstadt. Der CSD in Bremen ist für den 23. August geplant. Die Route der Demonstration steht derzeit noch nicht fest.

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