Überseestadt. Das Heimatviertel kommt nicht zur Ruhe. Während noch immer um die Pläne zur Bebauung der „Grünen Lunge“ zwischen Überseetor und Bogenstraße gerungen wird, da wirbelt schon ein zweiter Aufreger durch das kleine viertelkreisförmige Wohnquartier zwischen Bogenstraße, Heimatstraße und Nordstraße, in dem etwa 700 Menschen leben. Auslöser dafür ist das integrierte Verkehrskonzept zur Entlastung der Überseestadt, an dem Verkehrsplaner vom Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme (IVAS) in Dresden seit gut einem Jahr arbeiten. In dem Papier sollen Lösungsansätze für die Verkehrssituation in der Überseestadt erarbeitet werden. Denn dort sind seit geraumer Zeit die Verkehrsströme so stark, dass es regelmäßig zu erheblichen Staus kommt. Mitte März hatte ein IVAS-Mitarbeiter einen ersten öffentlichen Einblick in den aktuellen Arbeitsstand gegeben (wir berichteten).
Auf einer Sitzung des Fachausschusses Überseestadt hat sich jetzt Hans-Werner Liermann von der Bürgerinitiative Heimatviertel zu diesem Thema zu Wort gemeldet, der von vielen alarmierten Bewohnern seines Quartiers begleitet wurde. Denn durch die in dem Papier skizzierten Lösungsansätze befürchten sie in Zukunft massive Beeinträchtigungen am südöstlichen Rand ihres Viertels. Konkret geht es um die im Verkehrskonzept angedachten Lkw-Durchfahrtverbote für die Konsul-Smidt-Straße. Als Ausweichroute für den Verkehr in Richtung Großmarkt käme dann die Hafenstraße ins Spiel, die möglicherweise sogar mit einem Durchstich parallel zur Heimatstraße mit der Nordstraße verbunden werden könnte. Vorbedingung für diese Lkw-Streckenführung wäre eine Lärmschutzwand zwischen Heimatstraße und Hafenstraße.
Idee stößt auf Widerstand
Eine Idee, die im Heimatviertel und ganz besonders in der Heimatstraße auf Widerstand stößt. „Man stelle sich vor: Gegenüber der Bogenstraße wird ein riesiger Betonklotz geplant (der auch aus Lärmschutzgründen so hoch sein muss – Achtung Ironie!) Zur Nordstraße sind wir schon durch einen Wall vom restlichen Walle getrennt und massiv belastet. Und jetzt soll die Heimatstraße auch noch mit einem riesigen Lärmschutzwall eingekesselt werden. Und unabhängig vom Lärm werden die Emissionswerte auch massiv in die Höhe steigen“, sagt dazu Anwohner und Bürgerinitiativen-Sprecher Erik Wankerl. Ihm leuchtet nicht ein, weshalb die vergleichsweise wenig belastete Konsul-Smidt-Straße entlastet werden müsse – und dies zulasten der Nordstraße, die ohnehin schon extrem hoch belastet sei: „Und mit dem Durchstich hätten wir keine zehn Meter von der Heimatstraße entfernt dann gleich noch eine zwei- bis dreispurige Straße. Dazu dann noch die Bebauung am Überseetor – also von allen Seiten Nachteile. Langsam reicht’s!“
Die für den Durchstich notwendige Bebauungsplanänderung sei praktisch eigentlich gar nicht umsetzbar, steht für Wankerl fest, der außerdem auf einen Senatsbeschluss vom 27. Februar 2002 verweist. Darin heißt es, die Hafenstraße müsse nach Fertigstellung der neuen Erschließung (gemeint ist das Hansator und die Konsul-Smidt-Straße) über das Hansator unterbrochen werden, sodass kein Durchgangsverkehr mehr möglich sei. Für Wankerl eine klare Sache: „Dieser Senatsbeschluss sagt eindeutig, dass die Hafenstraße nicht nur keine Entlastungsstraße sein darf, sondern eigentlich überhaupt keinen Verkehr mehr aufnehmen darf.“ Hans-Werner Liermann ergänzt: „Das Heimatviertel ist das einzige reine Wohnviertel in der Überseestadt und müsste damit eigentlich besonders schützenswert sein. Und: Die Hafenstraße als Ausweichroute wäre eine Zumutung für alle, hilft aber nicht bei dem Problem, auf die B 75 oder in die Überseestadt rein oder raus zu kommen!“
Der Protest aus dem Heimatviertel ist bei Beiratssprecher Wolfgang Golinski (SPD) angekommen. Noch sei hier aber keinerlei Festlegung getroffen worden, betont er dazu: „Wir kennen derzeit die Analyse, aber überhaupt noch keine Ergebnisse – weder Schallemissionswerte noch andere Werte.“ So habe der Beirat bislang lediglich die Untersuchungen und Überlegungen zur Kenntnis genommen, die nach der Sommerpause im Rahmen einer öffentlichen Beiratssitzung behandelt werden solle. Erst dann würden sich die Beiratsmitglieder positionieren, kündigt Golinski an: „Dann werden wir als Beirat dazu sicherlich eine Erklärung abgeben. Wir wollen dabei Transparenz herstellen und auch mit den Anwohnern diskutieren“. An der geltenden Gewichtsbegrenzung für die Straße Überseetor werde der Beirat dabei definitiv festhalten, steht für Golinski jetzt schon fest: „Aber man kann zum Beispiel über die Emder Straße reden.“
Für Beruhigung kann der Beiratssprecher im Heimatviertel mit diesen Ansagen aber nicht sorgen. Frühere Erfahrungen hätten dort „gebrannte Kinder“ hinterlassen, erzählen Wankerl und Liermann. So wolle man sich dieses Mal definitiv nicht wieder zunächst hinhalten lassen, um anschließend urplötzlich vor vollendete Tatsachen gestellt zu werden. Aktuell warte man noch immer auf die schon vor längerem von Politik und Gewoba zugesagten Gespräche zur Bebauung der „Grünen Lunge“, sagt Erik Wankerl. Insbesondere auch vor diesem Hintergrund seien die Anwohner in Sachen integriertes Verkehrskonzept nun in höchster Alarmbereitschaft: „Die Heimatstraße formiert sich!“