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Straßenbelag in Bremen Anwohner setzen sich für Pflaster ein

Bremen. Die Anwohner der Richard-Wagner-Straße in Schwachhausen bekommen nach Kanalarbeiten wieder Pflaster in die Straße gelegt und keinen Asphalt, wie ursprünglich vorgesehen. Das ist kein Einzelfall - die Stadt überdenkt nun ihr sogenanntes Pflaster-Kataster.
01.04.2011, 05:00 Uhr
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Anwohner setzen sich für Pflaster ein
Von Jürgen Hinrichs

Bremen. Ein schaler Beigeschmack bleibt, sagt Sibylle Göttert, auch wenn sie letztlich Erfolg hatten mit ihrem Protest. Die Anwohner der Richard-Wagner-Straße in Schwachhausen bekommen nach Kanalarbeiten wieder Pflaster in die Straße gelegt und keinen Asphalt, wie es ursprünglich vorgesehen war. Ein Fall, dem andere vorausgingen, zum Beispiel in der Slevogtstraße, und den die Bauverwaltung jetzt zum Anlass nimmt, ihr sogenanntes Pflaster-Kataster von Grund auf neu zu überdenken.

"Wir sind aus allen Wolken gefallen, als wir erfuhren, dass unsere Wohnstraße mit den vielen Altbremer Häusern nicht im Kataster enthalten ist", sagt Göttert. Kein Eintrag, kein Pflaster, so einfach. Wird unter diesen Vorzeichen eine Straße saniert, bekommt sie automatisch eine Asphaltdecke.

Etwas, was die "Wagnerianer" schwer erbost hat. Sie schlossen sich zu einer Initiative zusammen, starteten in ihrer Straße eine Umfrage mit dem Ergebnis, dass mehrheitlich Pflaster gewünscht wird und begannen zu verhandeln. Hansewasser und die Stadt ließen sich schließlich zu einem Kompromiss breit schlagen: Das Pflaster kommt, die Mehrkosten müssen zur Hälfte allerdings von den Anwohnern getragen werden.

Anders in den stadtweit 122 Straßen, die im Kataster enthalten sind. Wenn dort großflächig gebuddelt werden muss - weil der Kanal nichts mehr taugt, das Pflaster in einem erbärmlichen Zustand ist, oder beides zutrifft, wie zuletzt in der Richard-Wagner-Straße - gibt's die Garantie, dass die alte Oberfläche wieder hergestellt wird, so weit das möglich ist, sogar mit denselben Steinen. Die Kosten tragen Hansewasser oder die Stadt, je nachdem, was Ursache der Straßensanierung ist.

77 Pflasterstraßen allein im Viertel

Die allermeisten kataster-geschützen Straßen gibt es im Ostertor, Steintor und im Fesenfeld. 77-mal wurde dort vor zwölf Jahren, als die Liste entstand, von den Stadtplanern das entsprechende Prädikat vergeben. In allen Fällen mit dem Hinweis, dass es sich um "geschlossene Wohnviertel" handele, die darüber hinaus folgende Kriterien erfüllen müssen: Die Bebauung muss gut erhalten, älter als 70 Jahre und prägend in der Straße sein - idealerweise Altbremer Häuser, noch besser, wenn sie denkmalgeschützt sind. Auf der Straße muss zweitens ein Pflaster verbaut worden sein, das wieder zu verwenden ist. Und drittens darf die Verkehrsbelastung nur gering sein, weil ein Pflasterbelag mehr Lärm verursacht.

"Ein schwieriges Spannungsfeld", sagt Bau-Staatsrat Wolfgang Golasowski. Unmöglich, meint er, alle Ansprüche unter einen Hut zu bekommen - "man muss kompromissbereit sein." So wie in der Richard-Wagner-Straße, und die Anwohner freuen sich - einerseits. Andererseits mussten sie immerhin 10000 Euro auf den Tisch legen, um ihr geliebtes Pflaster zurückzubekommen. Und auch wenn die Mehrheit in der Straße sich nun am Ziel sieht, kommt das Geld am Ende doch nur von 36 Spendern.

"Es gibt Leute, die sehen das einfach nicht ein, die sagen, das ist Aufgabe des Staates", erklärt Sibylle Göttert. Andere werden sich fragen: warum gerade ich? Und wieder andere, auch die gibt es in der Straße, waren froh über den Abschied vom Pflaster und hatten den Asphalt wegen der geringeren Lärmimmissionen förmlich herbeigesehnt.

Andere wünschen sich Asphalt

Golasowski berichtet von einem Beispiel in der Neustadt, einer Straße mit Pflaster, die zwar im Kataster steht, in der die Anwohner nach Darstellung des Staatsrats aber ausdrücklich keinen Wert darauf legen, dass die Steine nach den anstehenden Kanalbauarbeiten neu verlegt werden. Sie wünschen sich Asphalt und werden ihn wohl auch bekommen.

"Das Kataster muss überarbeitet werden", folgert Golasowski, "wir müssen unsere Lehren ziehen und fragen, ob die alten Kriterien noch den städtebaulichen Erkenntnissen entsprechen." Lärmschutz, die Typologie von Straße und Stadt, der Geschmack der Anwohner, aber zum Beispiel auch die Ansprüche der Fahrradfahrer, denn die lassen sich ungern auf dem Pflaster durchrütteln - das alles muss irgendwie überein gebracht werden. "Es ist noch völlig offen, wie das ausgeht", sagt Golasowski.

Im alten Kataster werden als Prädikate neben "Geschlossenes Wohnviertel" auch "Alter Ortskern" und "Kleinod" verwendet. In dem einem Fall werden historische Bezüge zur Entstehung des Stadtteils aufgenommen. In der Neustadt betrifft das zum Beispiel die Roland- und die Rückertstraße. Im anderen Fall sind es Straßenzüge, die, so heißt es im Kataster, "in ihrer Ausformung einmalig und für diesen Ort so charakteristisch sind, dass ein behutsamer Umgang mit der Straßendecke erforderlich ist." Nach dieser Definition als "Kleinode" bewertet werden unter anderem die Richard-Dehmel-Straße in Schwachhausen, die Alfelder Straße in Hemelingen und die Geibelstraße in Findorff.

Ungeachtet aller Reformen für das Pflaster-Kataster solle in Zukunft vor einer Straßensanierung viel stärker und vor allem früher auf das Votum der Anwohner gehört werden, versichert Staatsrat Golasowski. Das nämlich hatte in der Richard-Wagner-Straße überhaupt nicht geklappt, die Anwohner fühlten sich schlicht überrumpelt. "Wir haben zwei Wochen vorher per Handzettel davon erfahren, dass es mit den Bauarbeiten losgeht", erzählt Sibylle Göttert. Wenig Zeit, um Widerstand zu mobilisieren, doch diese Zeit wurde offensichtlich gut genutzt. Aus der kurzfristig einberufenen Initiative ist mittlerweile ein Nachbarschaftsverein geworden. Wenn die Straße Ende dieses Jahres fertig ist, gibt es neue Themen: Einbahnstraßenregelung, Radfahrverkehr und so weiter. Die "Wagnerianer" sind nun gerüstet, das Pflaster hat sie zusammengebracht.

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