Regelmäßig hat der Waller CDU-Beiratspolitiker Jürgen Diekmeyer frühmorgens beruflich am Großmarkt zu tun. „Manchmal ist es dort katastrophal: Alles zugeparkt“, hat er dabei beobachtet.
Kürzlich hat er Beiratssprecher Wolfgang Golinski (SPD) auf seiner Tour mitgenommen. Und auch der staunte nicht schlecht: „Das komplette Franz-Pieper-Karree war zugeparkt. Und zwar nicht nur mit Autos. Sogar Sprinter – also große Transporter – sind dort zwischen den Bäumen abgestellt worden“, schilderte Golinski im Fachausschuss „Überseestadt, Wirtschaft und Arbeit“ des Waller Beirats. Ein paar Schritte weiter bot sich den beiden Ortspolitikern dann im neuen Parkhaus an der Ecke Marcuskaje/Konsul-Smidt-Straße ein völlig anderes Bild: „Ganze zwölf Parkplätze waren besetzt. Der Rest: Total leer!“
Wie bringt man Autofahrer dazu, ihre Kraftfahrzeuge an den dafür vorgesehenen Orten abzustellen, anstatt wild Grünflächen, Gehwege oder Einfahrten zuzuparken? Diese Frage, an der sich auch in anderen Stadtteilen die Ortspolitik immer wieder die Zähne ausbeißt, ist mittlerweile also auch in der Überseestadt angekommen. Und nicht nur der sogenannte ruhende Verkehr macht dort Anwohnern, Beschäftigten und Besuchern zu schaffen – auch die Verkehrsströme sind inzwischen so stark, dass es regelmäßig zu erheblichen Staus kommt. Kürzlich habe sie sich gegen 17 Uhr im Auto von der Überseestadt aus auf den Weg in die keine fünf Kilometer entfernte Innenstadt gemacht, schilderte zum Beispiel eine Anwohnerin: „Um fünf vor sechs war ich dort.“
Mitarbeiter kommen zu spät
Ein Problem, von dem auch der Unternehmer und Hafenklönschnack-Organisator Frank Bischoff ein Lied singen kann. Regelmäßig kämen Mitarbeiter morgens zu spät, berichtete er, es sei einfach kein Durchkommen. Bischoff wünscht sich deshalb möglichst kurzfristige Maßnahmen: „Mein Anspruch wäre, dass wir im kleinen mitgenommen werden. Ich weiß nicht, ob unsere Mitarbeiter das ansonsten noch lange mitmachen.“ Ähnliche Befürchtungen äußerte ein Unternehmer aus dem Kaffee-Quartier: „Jeden Tag habe ich 70 genervte Mitarbeiter und ich habe den Eindruck, die Verkehrssituation wurde nicht an die Veränderungen in der Überseestadt angepasst. In Richtung B 75 und B6 herrscht dort zu bestimmten Zeiten Wildwest, das ist ein echter Standortnachteil.“

Wird noch nicht angenommen: Das neue Parkhaus an der Ecke Marcuskaje/Konsul-Smidt-Straße steht bislang fast komplett leer.
Dass es Verkehrsprobleme in der Überseestadt gibt, hat auch die Bremer Politik erkannt und vor etwa einem Jahr 150.000 Euro für ein integriertes Verkehrskonzept bewilligt. So denken nun Verkehrsplaner vom Ingenieurbüro für Verkehrsanlagen und -systeme (IVAS) in Dresden darüber nach, was besser laufen könnte und wo umgesteuert werden müsste. IVAS-Mitarbeiter Jörn Schubert hat jetzt einen ersten öffentlichen Einblick in den aktuellen Arbeitsstand gegeben.
Defizite aufgelistet
So waren in einem ersten Schritt Defizite aufgelistet worden wie etwa die für Fußgänger und Radfahrer als Barriere zwischen Überseestadt und Walle wirkende Hafenrandstraße, der stark überlastete Parkraum in den Bereichen am Großmarkt und Am Kaffee-Quartier, die für Radfahrer äußerst ungünstige Kreuzung Am Kaffee-Quartier/Hansator sowie die vielen Lkw, die täglich im Bereich Auf der Muggenburg/Eduard-Schopf-Allee/Hansator unterwegs sind und dabei nahezu den gesamten Verkehr lahmlegen. Ein Grund dafür ist nach Ansicht der Planer die schwer zu befahrende Rampe hoch zur B 6. Von den Staus betroffen ist dabei auch die Buslinie 20, die teilweise mit erheblichen Verspätungen unterwegs ist. Die allermeisten Haltestellen seien außerdem nicht barrierefrei, so Schubert.
Die Überseestadt wächst bekanntlich weiter – und mit ihr auch die Verkehre. Erwartet wird etwa eine Verdopplung des aktuellen Verkehrsaufkommens. Ein besonderes Problem dabei: Viele Fahrzeuge müssen von „ganz vorne“ an der Stephani-Brücke bis nach „ganz hinten“ am Wendebecken, wo es dann nicht mehr weitergeht. Auch die Buslinie 20 soll später bis zum Sandstrand „Weiche Kante“ fahren. Eine grobe Prognose der Berater lautet deshalb: Die Staus werden tendenziell eher größer, insbesondere an den Verkehrsknotenpunkten.

Das war nicht im Sinne des Erfinders: Wildparker blockieren neuerdings Gehwege und Flächen am Franz-Pieper-Karree.
Wie ließe sich vor diesem Hintergrund der schlechteste anzunehmenden Fall – der „Worst Case“ – verhindern, der zum Beispiel ein völliges Erliegen der Verkehrsströme bedeuten könnte? Zunächst einmal haben die Fachleute ohne Schere im Kopf in alle Richtungen gedacht und mögliche Maßnahmen gesammelt. Ein Lkw-Durchfahrtsverbot für die Konsul-Smidt-Straße, zusätzliche Übergänge über die Hafenrandstraße, eine Linksabbiegerspur für Busse vom Überseetor auf die Nordstraße und eine Verstetigung des Fährverkehrs zwischen der Überseestadt, Gröpelingen und Woltmershausen waren ebenso Thema wie der Komplettumbau der Auffahrt zur Stephani-Brücke, eine alternative Lkw-Route durch die Hafenstraße inklusive Lärmschutzwand zur Heimatstraße hin oder neue Brücken über den Europahafen und den Holz- und Fabrikenhafen. Zumindest die letztgenannte Maßnahme dürfte aus technischen und finanziellen Gründen wohl Utopie bleiben. Die Auswirkungen der anderen Maßnahmen werden derzeit von den Experten ermittelt, um daraus dann unterschiedliche Szenarien zusammenzustellen. Ob daraus tatsächlich ein realisierbares Maßnahmenpaket entsteht, das bleibt abzuwarten. Jürgen Diekmeyer ist sich indes in einem sicher: „Den ‚Worst Case’ haben wir zum Teil jetzt schon.“