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Rakete schafft rund 2000 Jobs Ariane 6 wird mit Hilfe aus Bremen entwickelt

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin wird sie schon groß angekündigt, die neue Ariane 6. Ab 2020 soll die Rakete zum ersten Mal in den Weltraum abheben - mit Hilfe aus Bremen.
02.06.2016, 00:00 Uhr
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Ariane 6 wird mit Hilfe aus Bremen entwickelt
Von Stefan Lakeband

Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung in Berlin wird sie schon groß angekündigt, die neue Ariane 6. Ab 2020 soll die Rakete zum ersten Mal in den Weltraum abheben - mit Hilfe aus Bremen.

Die Zukunft der europäischen Raumfahrt steht in Berlin fast an jeder Ecke. Auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtausstellung (Ila) gibt es die Ariane 6 in allen erdenklichen Größen: vom 1,5-Meter-Pappmodell am Stand des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt bis hin zum Kunststoffimitat im Maßstab 1:4 vor der Raumfahrthalle. Doch trotz mehrfacher Ausführung geht die Ariane fast etwas unter – so viel gibt es zu sehen.

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Einer, der hingegen nicht genug von ihr bekommen kann, ist Alain Charmeau. Der Franzose findet nur die besten Worte für die europäische Rakete – schließlich ist sie auch sein Projekt. Vor mehr als einem Jahr haben Airbus und der französische Triebwerk-Hersteller Safran ihr Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Seitdem leitet Charmeau Airbus Safran Launchers (ASL), und seitdem ist Bremen ganz vorne mit dabei, wenn es um die Erfolgsaussichten europäischer Raumfahrt geht.

Im Kalten Krieg spielte Geld keine Rolle

Die Ariane 6 soll ihre Vorgängerin ablösen, die Ariane 5. Nicht heute, nicht morgen, das macht Charmeau klar, aber 2020. Dann soll der Jungfernflug der Rakete sein. Richtig in Dienst gehen soll sie ein paar Jahre später. „Wir liegen voll im Zeitplan“, sagt Charmeau. Und das, obwohl er sich und seinen Entwicklern große Ziele gesetzt hat. Die neue europäische Trägerrakete soll günstiger sein als die Ariane 5 – 40 bis 50 Prozent. „Die Ariane 5 wurde im Kalten Krieg entwickelt“, sagt Charmeau. „Da hat Geld keine Rolle gespielt.“ Heute sei das anders. Es ginge nicht nur darum, die beste Rakete zu haben, sondern auch die günstigste.

Damit soll ein neues Zeitalter anbrechen. Das ist nicht die übliche Werbesprache, die Manager gerne benutzen, wenn sie ihr neues Produkt verkaufen wollen. Dieses neue Zeitalter ist eine Notwendigkeit – getrieben von der Konkurrenz, macht der Franzose deutlich. Wohl nie zuvor war der Druck auf den Raketenbauer so groß. Private Unternehmen wie etwa Space X vom US-Unternehmer Elon Musk bringen die festgewachsenen Strukturen in der Branche ordentlich durcheinander. Erst im März hatte etwa eine Falcon-9-Rakete des privaten Anbieters einen Kommunikationssatelliten ins Weltall gebracht.

Oberstufen der Trägerrakete - "die Spezialität Bremens"

Hinzu kommt Konkurrenz aus Indien, Russland oder China. Dass es da Verschiebungen am Markt geben wird, ist fast unausweichlich. Um nicht allzu viel Marktanteil abzugeben, haben sich die Ingenieure von Airbus Safran Launchers einiges einfallen lassen, um die Kosten zu reduzieren: Teile der Ariane 6 sollen etwa in 3D-Druckern entstehen, potenzielle Kunden wurden schon früh in die Entwicklung mit einbezogen. Mit Hilfe dieser Kunden sollen nur jene Dinge umgesetzt werden, die dafür nötig sind, um Satelliten ins All zu bringen.

Dass die Rakete später überhaupt abheben wird, dafür sorgt Technik aus Bremen. Hier ist die Gesamtleitung der Ariane-6-Produktion, außerdem werden hier die Oberstufen der Trägerrakete gebaut. „Sie sorgt für die präzise Ablieferung der Nutzlast im All“, sagt Pierre Godart, Deutschland-Chef von Airbus Safran Launchers. „Das ist die Spezialität Bremens.“ Darin sei die Hansestadt weltweit führend. Insgesamt arbeiten in Bremen rund 550 Menschen für ASL.

OHB-Tochter MT Aerospace baut Tanks

Godart geht davon aus, dass der Bau der Ariane 6 noch weitere positive Effekte haben wird. „Es hängen etwa 2000 Jobs bei kleinen und mittelständischen Unternehmen an der Entwicklung.“ Der Rückfluss von Investitionen in der Raumfahrtbranche liege bei 1:4. Wer einen Euro ausgebe, bekomme vier zurück. „Auch wenn die Budgets knapp sind“, sagt der Deutschland-Chef, „so ist das Geld sicherlich gut investiert.“

Über einen Umweg ist noch ein weiteres Bremer Unternehmen an der Ariane 6 beteiligt: Die OHB-Tochter MT Aerospace baut etwa Tanks der Oberstufe in Bremen zusammen, außerdem ist das Unternehmen für Strukturen zwischen den Tanks verantwortlich, die dafür sorgen, dass der Schub richtig übertragen wird. Das Entwicklungsbudget liegt bei mehr als 300 Millionen Euro.

Etwa 100 Leute sind bei der OHB-Tochter mit dem Auftrag beschäftigt, sagt Ulrich Clormann, Programmleiter der Ariane 6 bei MT Aerospace. „Wir wollen unser Team aber noch weiter aufbauen.“ Das stellt Clormann allerdings vor Probleme: „Derzeit ist es nicht einfach, genug Fachkräfte zu finden.“ Über jede neubesetzte Stelle freue man sich. Er betont, wie wichtig der Bau für die Esa-Länder ist. „Raumfahrt ist ein europäisches Projekt“, sagt er. Es sei schön zu sehen, wie verschiedene Nationen zusammenarbeiten.

Bau der Ariane 6 wird wohl im September beschlossen

Spannend könnte es für ASL noch einmal im Spätsommer werden. Am 13. September will die europäische Raumfahrtorganisation Esa den Bau der Ariane 6 endgültig beschließen. Bislang hatte es nur einen ersten Entwicklungsauftrag gegeben. Dass die Esa endgültig zustimmen wird, gilt als wahrscheinlich. Ohne eigene Rakete würden die Europäer Prestige verlieren – und sich von anderen Anbietern abhängig machen. „Die Ariane 6 sichert Europa den unabhängigen Zugang zum Weltall“, sagt Godart.

Auch wenn ASL schon an der Zukunft plant, so ist auch die Ariane 5 längst nicht fertig. Allein dieses Jahr soll sie noch sechs Mal abheben. Mitte November soll sie etwa vier Galileo-Satelliten ins All bringen, der nächste Start ist für kommenden Mittwoch geplant. Bis zum endgültigen Aus im Jahr 2022 soll sich die Rakete nochmals verändern. Auch hier versuchen die ASL-Ingenieure abermals Kosten einzusparen, indem sie etwa die maximale Nutzlast erhöhen. Dass sich diese Investition noch einmal lohnt, da ist sich Charmeau sicher. „Die Ariane 5 ist ganz oben auf der Liste der verlässlichen Raketen.“

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