Hannover, Münster, Köln, Duisburg, München – in immer mehr Städten verbieten es Verkehrsunternehmen, Elektroroller in Bussen und Bahnen mitzunehmen. Die 30 Verkehrsunternehmen im Verkehrsverbund Bremen /Niedersachsen (VBN), darunter die Bremer Straßenbahn AG (BSAG), diskutieren die Verbotsfrage aktuell. "Wir streben eine einheitliche Lösung im Sinne der Fahrgäste an", sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Laut VBN ist damit im Mai zu rechnen. Betreiber des Öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) folgen bundesweit mit Verboten einer Empfehlung Verbandes Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), das Ende Februar vor einem "Brand- und Explosionsrisiko bei Akkus von E-Tretrollern" gewarnt hatte. Der Branchenverband begründet dies mit dem "niedrigen Sicherheitsstandard der verbauten Lithium-Ionen-Akkus". Hintergrund sind Brände und Explosionen, die sich unter anderem in London, Barcelona und Madrid ereignet hatten.
Zerstört. Anders lässt sich der Zustand eines Wagens der Madrider U-Bahn-Linie 2 nicht beschreiben, nachdem im Oktober die Batterie eines transportierten Elektrorollers explodiert war. Verletzte hat es Berichten zufolge nicht gegeben. Dieser und weitere Vorfälle haben eine branchenübergreifende Diskussion über erforderliche Sicherheitsvorkehrungen ausgelöst: Was passiert, wenn in einem Bus oder einer Bahn gesundheitsgefährdendes Rauchgas freigesetzt wird? "Und was passiert im Fall eines Brandes?", fragt sich VDV-Sprecher Lars Wagner. "E-Scooter werden ja zumeist in den Mehrzweckabteilen der Fahrzeuge und in der Nähe der Türen abgestellt. Wenn es brennt, müssten die Menschen versuchen, durch das Feuer ins Freie gelangen." Passiert sei hierzulande bisher nichts dergleichen. Zu Beginn des Monats April hätten "relativ viele" Verkehrsunternehmen ein E-Roller-Verbot ausgesprochen.
Fehlende Sicherheitsstandards
Dennoch teilte der Branchenverband seinen Mitgliedern in einem Rundschreiben mit, dass grundsätzlich Vorsicht geboten sei: "Bei der Beurteilung von betrieblichen Sicherheitsrisiken im ÖPNV steht der Schutz aller Personen in den Fahrzeugen an erster Stelle", sagte Ronald Juhrs. Der Geschäftsführer Technik und Betrieb bei den Leipziger Verkehrsbetrieben ist Vorsitzender des VDV-Betriebsausschusses sieht jedoch Gefahren durch die in den sogenannten Elektrokleinstfahrzeugen verbauten Akkus, "die bislang keinem ausreichenden Sicherheitsstandard unterliegen". Was in Spanien und Großbritannien geschehen ist, "kann auch in Deutschland jederzeit passieren".
Nachdem Verkehrsunternehmen E-Scooter auf der Ebene ihres europaweiten Verbandes bereits im Sommer 2023 ins Visier genommen hatten, reagierten Hamburger Experten als deutsche Delegierte sofort: Schon im August des vergangenen Jahres untersagte die Hamburger Hochbahn die Mitnahme von Elektrorollern als erstes VDV-Unternehmen. Das, so Verbandssprecher Lars Wagner, habe den "Stein ins Rollen gebracht". Der Verband habe daraufhin zwei brandschutztechnische Gutachten in Auftrag gegeben. Zum Ergebnis der Studiengesellschaft für Tunnel und Verkehrsanlagen (Stuva) zählt die Erkenntnis, dass die Roller-Akkus "bislang weder auf nationaler noch auf internationaler Ebene ausreichend spezifische Normen gibt".
Unterschied zu E-Bikes
Derzeit sei die Norm für E-Scooter nicht so hoch angesetzt wie beispielsweise die von Pedelecs, erläutert Wagner. "Eine deutsche Industrienorm, eine DIN, für E-Scooter-Akkus gibt es nicht, der Normungsprozess läuft noch. Aktuell ist das ein bisschen Wildwest." Bus- und Bahnbetreiber, die der Verbandsempfehlung folgten, gingen indes auf Nummer sicher: "Mit dem Rollerverbot sind die Verkehrsunternehmen aus der Haftung raus."
Bei der BSAG werden Elektrofahrräder wie Fahrräder betrachtet, also mitgenommen – eine Fahrkarte vorausgesetzt. Rollstühle, deren Benutzerinnen und Benutzer einen entsprechenden Behindertenweis haben, fahren kostenfrei. Wer eines der – ebenfalls Scooter genannten – Aufsitz-Elektromobile fährt, benötigt dafür laut BSAG-Sprecher Andreas Holling keine Extrafahrkarte. Voraussetzung sei allerdings, dass das Fahrzeug ein Kippsicherheits-Zertifikat habe.
ADAC unterstützt Verbot
Der Allgemeine Deutsche Automobilclub (ADAC) hält die "Empfehlung aus Brandschutzgründen für sinnvoll". Der Klub bedauert, dass dies in der Praxis bedeute, "dass private E-Scooter als erste/letzte Meile-Zubringer des öffentlichen Verkehrs schwierig werden". Die Deutsche Bahn (DB) beruft sich auf ihre Beförderungsbedingungen, denen zufolge Reisende je einen "nach den Anforderungen der Elektrokleinstfahrzeuge-Verordnung zugelassenen" E-Scooter mitnehmen dürften – sofern es zusammengeklappt ist und die Regelungen für Handgepäck eingehalten werden", teilt eine Sprecherin mit. "Für die Unterbringung oberhalb des Sitzplatzes muss das Elektrokleinstfahrzeug gegen Verrutschen besonders gesichert sein, zum Beispiel durch Lagerung in einer Tasche."