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Geschichtskontor des Kulturhauses Brodelpott erinnert mit zwei Veranstaltungen an NS-Opfer Auch in Walle gab es Zwangsarbeit und Morde

Osterfeuerberg. Furchtbares ereignete sich am 1. März 1933 auf der Waller Heerstraße – dort, wo heute das Walle-Center steht: Nach einer Ansprache von SPD-Spitzenkandidat Alfred Faust in den „Centralhallen“, Auf den Häfen, waren massenweise Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Reichsbannerleute auf der Waller Heerstraße in Richtung Gröpelingen unterwegs.
30.01.2017, 00:00 Uhr
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Von Anne Gerling

Osterfeuerberg. Furchtbares ereignete sich am 1. März 1933 auf der Waller Heerstraße – dort, wo heute das Walle-Center steht: Nach einer Ansprache von SPD-Spitzenkandidat Alfred Faust in den „Centralhallen“, Auf den Häfen, waren massenweise Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Reichsbannerleute auf der Waller Heerstraße in Richtung Gröpelingen unterwegs. Aus dem Haus eines SS-Oberst wurden sie angepöbelt und im darauffolgenden Tumult fielen Schüsse: Der Reichsbannermann und Bauarbeiter Johann Lücke wurde in den Rücken getroffen und starb einen Tag später. Lücke wurde damals im Volkshaus aufgebahrt; am Tage seiner Beerdigung machten mehr als 5000 Menschen einen Spaziergang zum Waller Friedhof, nachdem ein offizieller Trauerzug verboten worden war.

„Was sich während der NS-Zeit in Bremen abspielte, findet sich im Kleinen auch in Walle wieder. Außerdem haben sich in Walle einige bedeutende Ereignisse abgespielt wie zum Beispiel die letzte große Demonstration gegen die NSDAP in Bremen, zu der nach der Ermordung von Johann ­Lücke die unglaubliche Zahl von 30 000 Menschen kam“, sagt Kulturwissenschaftlerin und Museumspädagogin Angela ­Piplak vom Geschichtskontor im Kulturhaus Walle Brodelpott.

Die Einrichtung lädt im Rahmen einer von „Erinnern für die Zukunft“ und der Landeszentrale für politische Bildung organisierten Veranstaltungsreihe zum 27. Januar – dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus – zu einem virtuellen Rundgang mit dem Titel „Walle in der NS-Zeit“ für Dienstag, 31. Januar, 17 Uhr, in den Brodelpott ein. Dabei wird an politische Morde und die Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung erinnert. So war im Zuge der „Arisierung“ im Hafen jüdisches Umzugsgut versteigert worden.

Und auch in Walle gab es diverse Einrichtungen, in denen Zwangsarbeiter untergebracht waren, wie Piplak schildert: „Die genaue Zahl ist unbekannt, ich bin auf 17 gekommen.“ Im Januar ist es kalt – zu kalt für die historischen Brodelpott-Stadtteilspaziergänge. So entstand die Idee zu diesem virtuellen Rundgang, bei dem anhand von Fotos verschiedene Orte in Walle besucht werden und per Tonaufnahmen auch Zeitzeugen zu Wort kommen. „Wo keine Audios mehr vorhanden sind, ziehen wir Tagebuch-Fragmente und Transkripte heran“, erzählt Piplak, die erst vor Kurzem einen Interview-Mitschnitt mit einem Waller Juden in Berlin gefunden hat, der nun auch eingesetzt wird: „Es ist schon berührend, so eine alte Stimme zu ­hören.“

Ebenfalls in Kooperation mit „Erinnern für die Zukunft“ zum Tag des Gedenkens an die Opfer der Nationalsozialismus nimmt am Dienstag, 21. Februar, 20 Uhr, Historiker Achim Saur das Thema „Mitläuferschaft“ im Waller Kulturhaus genauer unter die Lupe. Im November hatte er eine szenische Lesung zu dem Marsch von 80 Männern organisiert, die 1938 am Bremer Pogrom in Lesum teilnahmen. Dieses Mal steht die ­Frage im Mittelpunkt, warum in Blumenthal nur ein paar Scheiben eingeworfen wurden, während es in Lesum zum Mord kam, nachdem es in beiden Orten die gleichen ­Befehle gegeben hatte.

Info

Der virtuelle Spaziergang „Walle in der NS-Zeit“ ist am Dienstag, 31. Januar, 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Achim Saur erzählt am Dienstag, 21. Februar, 20 Uhr, „Von ‚Mitläufern‘ und ‚Scharfmachern‘“. Der Eintritt beträgt fünf, ­ermäßigt vier Euro. Beides im Brodelpott, Schleswiger Straße 4.
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