Mit 1406 Sendungen seit 1947 ist das Hafenkonzert von Radio Bremen eine der ältesten Hörfunksendungen der Welt. Doch jetzt ist Schluss. Am Sonntag geht der Dauerbrenner zum letzten Mal auf Sendung, wie gewohnt ab acht Uhr, diesmal im Fährhaus Farge. Grundstimmung kurz vor dem Abschied: Schade, aber wir haben’s gehabt, und alles hat mal ein Ende.
Fototermin bei Radio Bremen. Ein Lächeln für die Kamera, Herr Meyer? „Unterm Fallbeil lächelt es sich so schwer“, sagt Günther Meyer, seit 14 Jahren Moderator des Hafenkonzerts von Radio Bremen. Fallbeil – das ist der Kostendruck, unter dem auch der Sender steht. Und das Hafenkonzert ist halt teuer, „so teuer wie junge Weiber oder alte Dampfer“, sagt Meyer, „und wir haben eine Sendung mit Persilschein gemacht“, meint: Man habe bei den rund 35 Mitarbeitern und Mitwirkenden in jeder Sendung nicht auf den Euro oder auf die Mark sehen müssen. „Wir sind die teuerste Sendung. Ab Montag waren wir das dann jedenfalls.“
Meyer sieht das Aus der Sendung recht nüchtern, denn alles habe halt mal ein Ende. Obwohl, vier oder fünf Jahre habe er wohl noch weitermachen wollen. „Aber wenn ich zurückschaue, habe ich ein schönes Gefühl. Es hat viel Spaß gemacht.“ Günther Meyer hat die Sendung als Moderator und Redakteur 1999 bei Folge 1220 übernommen. „Und ich habe das Konzept wieder maritimisiert.“ Er sei immer bemüht gewesen, etwas über Schiffe und Seefahrt zu berichten. Und das nicht nur von Bremen oder Bremerhaven aus. Sendungen habe es auch von Bord gegeben, überhaupt aus allen Ecken der Welt. Meyer: „Eigentlich hat jede Sendung stattgefunden.“ Auch seine Frau habe ihm gegenüber gemeint: „Sei nicht traurig. Jetzt gäb’s eh nur noch Zugaben.“
Warum findet die letzte Sendung im Fährhaus Farge statt und nicht in der Vegesacker Strandlust, dem – fast möchte man meinen – Stammsitz des Hafenkonzertes? „Da war’n wir erst“, sagt Meyer und achtet auch beim Schlussakt auf den Proporz. Übrigens Strandlust: Da gab es für ihn mal eine der härteren Nüsse zu knacken. „Da hat mir ein Gesprächspartner gefehlt. Der hat wegen des Schnees nicht rechtzeitig kommen können.“ Auch Hausherr Lutz Diedrich habe nicht einspringen wollen. Dafür aber einer der Kellner, der früher Steward auf der „Hanseatic“ gewesen war. „Und bei 16 Zuschauern im Saal hat der ja nun wirklich genug Zeit gehabt, einige Fragen zu beantworten.“ Manchmal habe man eben improvisieren müssen.
Manchmal musste man beim Hafenkonzert aber auch seine Handschuhe dabei haben, wie Ex-Tontechniker Dietmar Gode sich erinnert. Gode war insgesamt 40 Jahre dabei. Das mit den Handschuhen war in Brake, in einer Holzlagerhalle. Auch im Winter. Tags zuvor war alles vorbereitet worden, samt Installation einer Heizung. Nur dass deren Gebläse über Nacht eingefroren war und die Übertragung bei sechs Grad begann. „Ich hab noch Fotos“, erzählt Gode, „auf denen die Musiker ihre Instrumente mit Handschuhen spielen.“
Das Ende vom Hafenkonzert wird nicht nur in Farge stattfinden. Sondern auch in Australien. Das jedenfalls weiß Hans Eich vom Schulschiff-Deutschland-Chor. Er kennt einen Vulkanesen, der ausgewandert ist und Down Under die Sendung über Internet verfolgt. Und auch der wird dann mitbekommen, dass in dieser letzten Sendung kein Shantychor auftreten wird. Weder der Chor vom Schulschiff, noch der Schifferchor Rekum, der Beckedorfer Schifferknoten oder der Seemannschor Vegesack. Vertretend für ihre Sangesbrüder meinen Hans Eich, Günter Seumer, Heinz Bartling und Josef Cruse: „Wir sind enttäuscht, aber es wird keine Folgen für uns haben.“
Shantychöre sind enttäuscht
Enttäuscht natürlich in erster Linie, dass keiner der Gruppen beim Abschluss dabei sein wird. Seumer: „Aber der Musikredakteur des Hafenkonzerts, Christian Höltge, hat gesagt, er habe keinem den Vorzug geben wollen.“ Wie auch immer. Es sei bedauerlich, dass das Hafenkonzert ausläuft. Es habe doch immer volle Häuser gehabt. „Da haben sich“, sagt Seumer, „mittlere, alte Leute immer einen schönen Morgen gemacht. „Vielleicht ist das ein Problem mit dem Nachwuchs“, versucht Hans Eich eine Erklärung, „vielleicht sind wir, Zuhörer und Musiker, überhaupt zu alt.“ Es komme zudem auf den Programmdirektor an, „ob dem unsere Musik passt. Ich möchte ja nicht gegen Radio Bremen schießen, aber meine Musik ist das da nicht mehr ...“ Kurz und gut oder eben nicht gut: „Wir Shantychöre sind enttäuscht, todtraurig!“
Seine Enttäuschung mit dem Hafenkonzert überwunden hat dagegen Peter Otto aus Platjenwerbe. Als Moderator der Sendung hat er in den Achtzigern diverse Veränderung mit- und durchgemacht. „Bis ich dann irgendwann mal ausgebootet worden bin.“ Aber bis dahin sei es eine aufregende, schöne Zeit gewesen. Anekdoten, was war Hip, was Flop, gibt es bei ihm keine: „Bei uns ging das immer wahnsinnig gut glatt. Da gab’s nicht mal einen Besoffenen, der mal hineinkrakeelt hätte.“
Für Otto ist das Hafenkonzert ein Anachronismus. „Radio hat sich stark verändert, ist schnell, flach, aussageschwach. Dudelradio, so für den Hintergrund.“ Da gebe es keine Beziehung mehr zu Hafen oder Hafenwirtschaft. „Das Hafenkonzert hat sich überlebt. Schade. Aber: Es war einmal.“