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Behindertengerechte Touristenattraktion Barrierefrei durch den Schnoor

Wie barrierefrei sind Domsheide und Schnoor? Im Rahmen einer Seminararbeit prüfen Studenten, wie behindertengerecht diese beiden Orte sind. Nach Schwachstellen brauchten sie nicht lange suchen.
28.04.2018, 17:35 Uhr
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Barrierefrei durch den Schnoor
Von Ralf Michel

Mitten im Schnoor. Mit dem Rollstuhl war die Fahrt über das unebene Kopfsteinpflaster schon bis hierher alles andere als einfach. Doch beim Abbiegen in die Wüstestätte gilt es nun auch noch, einen besonders hohen Bordstein zu überwinden. Ludmilla Krause spannt die Arme an und drückt den Rollstuhl hoch, in dem Mahmud Artris sitzt.

Nein, von Barrierefreiheit kann hier wirklich keine Rede sein. Serlyrena Rumaropen notiert die Stelle mit dem hohen Bordstein auf einem Block. Es wird nicht der letzte Eintrag bleiben. Für die Bauingenieurs-Studenten der Hochschule Bremen ist die Fahrt mit dem Rollstuhl Teil einer Seminararbeit.

Im Modul Städtebau und Verkehrsplanung überprüfen sie den Schnoor und die Domsheide auf Barrierefreiheit. Gibt es in dieser Hinsicht Probleme, sollen sie dafür Lösungen entwickeln. "Ziel ist es, für alle, die hier unterwegs sind, einen angenehmen Aufenthalt zu schaffen", erklärt Ludmilla Krause. Auch und gerade für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen.

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Einer ihrer ersten Wege führte die Studenten zu Joachim Steinbrück, dem Behindertenbeauftragten des Landes Bremen, der blind ist. "Er hat uns erzählt, wie er sich fühlt, wenn er im Schnoor und an der Domsheide unterwegs ist", berichtet Mahmud Artris. Um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die Situation für Rollstuhlfahrer an diesen beiden Orten in Bremens Innenstadt aussieht, haben sich die jungen Leute einen Rollstuhl bei der Touristik-Zentrale ausgeliehen.

"Viele der Hindernisse bemerkt man als Mensch ohne Behinderung ja gar nicht." Ein wesentlicher Punkt für ihren Professor Carsten-W. Müller. "Sie sehen Domsheide und Schnoor plötzlich mit völlig anderen Augen", nennt er einen Ansatz für dieses Projekt. "So können sie da mit neuem Denken rangehen und entsprechende Anstöße geben."

An der Domsheide stehen die Studenten noch am Anfang ihrer Untersuchung. Doch die Mängel hier sind ebenso zahlreich wie offensichtlich. Das beginnt mit dem Turm mitten auf der Kreuzung: "Eine absolute Schwachstelle. Der behindert die Sicht, macht alles sehr unübersichtlich." Dann die schmalen Bahnsteige: "Wenn die Straßenbahn ihre Rampe rausfährt, stehen Rollstuhlfahrer schon fast auf der Straße."

"Irgendwie ziemlich chaotisch"

Schließlich das Leitsystem für Blinde, das sie an einer Stelle im wahrsten Sinne des Wortes vor die Wand laufen lässt. "Man hat den Eindruck, dass man mit dem Blindenleitsystem einfach irgendwo angefangen hat", sagt Ludmilla Krause. "Es gibt an zwei Stellen kleine Stücke, aber kein ordentliches Gesamtsystem." Straßenbahnen, Busse, Autos und jede Menge Radfahrer und Fußgänger, deren Wege sich sich auf engstem Raum kreuzen, beschreibt Antonia Molkenthin die Domsheide.

"Irgendwie alles ziemlich chaotisch." Ganz zu schweigen von der Geräuschkulisse, die selbst für Menschen ohne Beeinträchtigungen laut und anstrengend sei. Wie hier Abhilfe geschafft werden könnte, wollen die Studenten in einem nächsten Schritte ihrer Untersuchung erarbeiten. Weiter sind sie dagegen schon im Schnoor.

Hier wurden bereits alle Wege begutachtet und deren Zustand bewertet. Wie ist es um den Bodenbelag bestellt, wie um die Fugen, wie um die Bordsteinkanten? Gut, mittel oder schlecht? Zu beachten sei dabei, dass nicht alles, was für eine Gruppe schlecht ist, auch für andere ein Problem darstelle, erklärt Ludmilla Krause am Beispiel der Kolpingstraße.

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"Die ist im Grunde für Rollstuhlfahrer nicht zu benutzen. Alles viel zu eng und uneben", sagt die Studentin. Menschen mit Sehbeeinträchtigungen kämen dagegen gerade hier gut zurecht. "Die Frage ist jetzt, wie man Lösungen findet, die beiden Gruppen gerecht wird." Sozusagen als Zusatzaufgabe ist im Schnoor bei allen Überlegungen zu berücksichtigen, dass Eingriffe für mehr Barrierefreiheit das Gesamtbild der Touristenattraktion nicht beeinträchtigen.

Einfach das gesamte Kopfsteinpflaster aufzunehmen, um die kleinen Gassen für Rollstuhlfahrer angenehmer zu machen, sei sicherlich nicht machbar, erklärt Antonia Molkenthin. Aber wie wäre es damit, die an manchen Stellen sehr breiten Fugen im Kopfsteinpflaster zu füllen? "Dafür gibt es ein Gemisch aus Kunststoff, das eine erdige Farbe hat", erklärt Satiloglu Kayhan.

Workshop: "Barrierefreies Bauen in historischer Umgebung"

Auch über das Abschleifen des Kopfsteinpflasters an manchen Stellen oder an die Begradigung von Bordsteinen könne nachgedacht werden. "So hätte man die Unebenheiten raus, aber dasselbe Ambiente." Die Kosten für solche Maßnahmen zu ermitteln und nicht zuletzt, bei alldem das Landesamt für Denkmalpflege einzubinden, gehört ebenfalls zu den Aufgaben der angehenden Bauingenieure.

Mit Fakten belegen, warum bestimmte Stellen umgestaltet werden müssten, mehrere Lösungsvarianten ausarbeiten und dann überlegen, was davon realisierbar ist, skizziert Antonia Molkenthin die Arbeit der Studenten in den verbleibenden Wochen bis zum Semesterende. Und ihre Ergebnisse verschwinden anschließend keineswegs in einer Hochschul-Schublade. "Ende Juni stellen wir sie in einem Workshop in der Bürgerschaft vor", sagt Ludmilla Krause. Thema des Workshops: "Barrierefreies Bauen in historischer Umgebung."

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