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Nicht überall bekommen Sehbehinderte die Informationen, die sie brauchen Bedingt blindengerecht

Ein chaotischer Busbahnhof, ein Blindenleitsystem am Sedanplatz, das unauffindbar ist – aber auch hochmoderne Ampelanlagen, die piepen und vibrieren. Zum Tag des weißen Stocks haben wir uns umgehört, wie es ist, mit einer Sehbehinderung in Bremen-Nord zu leben.
14.10.2014, 20:00 Uhr
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Bedingt blindengerecht
Von Kathrin Aldenhoff

Ein chaotischer Busbahnhof, ein Blindenleitsystem am Sedanplatz, das unauffindbar ist – aber auch hochmoderne Ampelanlagen, die piepen und vibrieren. Zum Tag des weißen Stocks haben wir uns umgehört, wie es ist, mit einer Sehbehinderung in Bremen-Nord zu leben.

Mal hat Martina Reicksmann aus Lesum eine ganze Fülle an Informationen, um sicher durch die Stadt zu gelangen. Manchmal gar keine, wie zum Beispiel am Busbahnhof in Vegesack. „Eine Katastrophe ist der“, sagt die 52-Jährige, die nur noch zwei Prozent ihres Sehvermögens hat. Es gibt kein Leitsystem für Blinde, die Busse fahren schräg; es sei sehr schwierig, sich als sehbehinderter Mensch dort zu orientieren.

Doch auch das Gegenteil gibt es: An der Straße zur Vegesacker Fähre gibt es eine Ampel, die piept und vibriert, je nachdem ob sie gerade Rot oder Grün anzeigt. Außerdem ist ein kleiner gelber Kasten dort angebracht. Wenn darauf eine gepunktete Linie zu ertasten ist, bedeutet das, dass es einen Fahrradweg gibt. Andere Symbole auf dem Kasten zeigen an, wie viele Fahrbahnen die Straße hat, ob es eine Verkehrsinsel gibt, und ob diese Ampel für Fahrradfahrer und Fußgänger gilt. „Das ist sehr schön. Der Kasten ist wie ein kleiner Infostand für mich“, sagt Martina Reicksmann. Doch verlassen kann sie sich nicht darauf, dass sie überall in Bremen-Nord die für sie überlebenswichtigen Informationen bekommt.

Wunsch nach mehr Rücksicht

Martina Reicksmann ist Geschäftsführerin des Blinden- und Sehbehindertenvereins Bremen (BSVB). Rund 3500 blinde und sehbehinderte Menschen leben in Bremen, einmal im Monat treffen sich die Mitglieder des Vereins zur Kaffeerunde in Vegesack. Heute ist der 50. internationale Tag des weißen Stocks, benannt nach dem Symbol, an dem Blinde weltweit zu erkennen sind. Und an diesem Tag will Martina Reicksmann dazu aufrufen, mehr Rücksicht auf Blinde und Sehbehinderte zu nehmen.

Damit meint sie nicht, blinde Menschen an der Hand zu fassen und über die Straße zu führen. Sie meint, seinen Koffer am Bahnhof nicht auf den gerillten Bodenplatten abzustellen. Denn diese Leitstreifen sind als Weg für Sehbehinderte angelegt, ihnen können sie mit ihrem Stock folgen. Doch wenn ein Koffer, ein Fahrrad oder eine Gruppe Menschen darauf stehen, müssen Blinde den sicheren Weg verlassen.

Volker Schilling lebt seit 1982 in Vegesack. Er ist seit seiner Geburt sehbehindert, heute kann der 52-Jährige nur noch sehr wenig sehen. Beim Einkaufen hilft ihm eine elektronische Lupe, beim Essen im Restaurant muss er sich dicht über den Teller beugen, um ein bisschen was zu erkennen. „Ich merke das, wenn Leute mich beobachten“, sagt er. Und es stört ihn. Er wünscht sich mehr Verständnis von seinen Mitmenschen, ein besseres Miteinander.

Eigentlich lebe es sich als Sehbehinderter in Bremen-Nord recht gut, sagt er. Doch ein paar Einschränkungen gebe es, zum Beispiel beim Busfahren. Wenn er an der Haltestelle steht, weiß er nicht, welche Buslinie da gerade ankommt. Dann steigt er ein und fragt den Fahrer. Und es kann passieren, dass der Bus, mit dem er eigentlich fahren wollte, in der Zwischenzeit ankommt und schon wieder losgefahren ist, bevor Volker Schilling ihn erreicht hat. Erst Freitag sei ihm das passiert. Er wünscht sich, dass über eine App auf seinem iPhone oder über Außenlautsprecher an den Haltestellen durchgesagt wird, welche Buslinie gerade einfährt.

Auch Martina Reicksmann wünscht sich solche Außenlautsprecher und hat diesen Wunsch auch beim Bremer Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention eingereicht, an dem ihr Verein mitarbeitet. Für den Busbahnhof in Vegesack schlägt sie ein Leitsystem zu den Buslinien vor und eine Stelle, wo Blinde sicher die Straße überqueren können. Bisher muss sie das nach Gehör machen. „Ich gehe immer quer durch und hoffe, dass mich kein Bus erwischt.“

Und noch etwas stört sie in Vegesack: Neulich hat sie nach dem Einkaufen das Leitsystem für Blinde auf dem Sedanplatz gesucht. Sie hat es nicht gefunden. Das bestätigt Volker Schilling, der am Sedanplatz im Sozialzentrum arbeitet: Die Markierungen seien nicht besonders hoch und somit nicht tastbar. Volker Schilling wünscht sich außerdem ein Leitsystem für die Einkaufsstraße. Wer nicht wie er einen Blindenhund habe, der den Eingang zu den Geschäften findet, müsse sich an der Hauswand entlangtasten, um einkaufen zu gehen.

Auf dem Bremer Bahnhofsvorplatz kann heute jeder zwischen 16 und 19 Uhr ausprobieren, wie es ist, sich mit einem Blindenstock an einem Leitsystem zu orientieren.

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