Es war ein sehr spezieller Tag für Lutz Müller: Ein letztes Schießtraining, gefolgt von einer "Bombenentschärfung" am Weserstadion, dann seine "Festnahme" durch ein Spezialeinsatzkommando inklusive Vernehmung und erkennungsdienstlicher Behandlung, und zu guter Letzt im Polizeipräsidium auch noch die Evakuierung durch das Personenschutzkommando... Wie das eben so ist, wenn man nach neun Jahren als Polizeipräsident aufhört. Und die Kollegen einem eine Verabschiedungstour organisieren, die es in sich hat.
Eigens dafür hatte Dirk Fasse, Müllers bisheriger Stellvertreter und ab 1. Juni offiziell sein Nachfolger, den Noch-Polizeipräsidenten in aller Frühe von zu Hause abgeholt. Im Streifenwagen und eskortiert von drei Polizeimotorrädern fuhren der alte und der neue Bremer Polizeichef zahlreiche der ehemaligen Wirkungsstätten Müllers an. Die eigentliche Staffelübergabe erfolgte dann am Nachmittag in Form eines offiziellen Festaktes auf dem Außengelände des Polizeipräsidiums. Coronabedingt alles eine Nummer kleiner und überschaubarer als sonst bei derlei Anlässen üblich. Nichtsdestotrotz war es eine durchaus denkwürdige Verabschiedung. Was vor allem an Müller selbst lag.
"Ich interessiere mich für eine selbstständige, verantwortungsvolle Aufgabe, mit der ich durch eigene Erfolge weiterkommen kann", zitierte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) als erster Redner der Feierstunde aus dem Bewerbungsschreiben Müllers bei der Polizei im Jahr 1981. Der nahm den Faden kurz darauf in seinen Abschiedsworten auf. Er habe schon immer gestalten und Verantwortung übernehmen wollen, sagte Müller. Nannte dann aber auch den Preis dafür, indem er in überraschender Offenheit die Gründe ansprach, die zu seinem vorzeitigen Abschied aus dem Amt des Polizeipräsidenten führten. Die zunehmende Belastung in der Doppelfunktion als Polizeipräsident und Leiter der Abteilung Öffentliche Sicherheit in der Innenbehörde, verbunden mit seiner im vergangenen Jahr übernommenen Tätigkeit als Leiter des Landeskrisenstabs zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, sei nicht spurlos an ihm vorbeigegangen, bekannte der 60-Jährige. "Der Verschleiß wurde spürbar, man wird dünnhäutiger."
Er habe sich aber ohnehin schon manches Mal gefragt, ob er es sich nicht auch hätte einfacher machen können. "Aber einfach ist nicht so mein Ding." Worauf wohl auch Innensenator Mäurer anspielte, als er Müller attestierte, wiederholt riskiert zu haben, anzuecken, wenn es darum ging, um mehr Personal und eine entsprechende Ausstattung der Polizei zu kämpfen. Keine Floskeln, wie Müller mit dem Satz unterstrich, dass es da schon ein, zwei Situationen gegeben habe, "bei denen es eng wurde". Aber, so der scheidende Polizeipräsident mit einem kleinen Grinsen: "Ich bin nicht gegangen worden." Am Ende habe er dann doch seinen Plan umgesetzt, rechtzeitig selbst zu gehen. Wenn auch nach Auffassung seiner Frau und seiner Hausärztin ein Jahr zu spät.
Wobei er so ganz dann aber doch nicht geht. Das Amt des Polizeipräsidenten gibt er ab, aber er bleibt Leiter des Corona-Krisenstabs. Und hat bis zum endgültigen Dienstende im September 2022 als Abteilungsleiter im Innenressort auch weiterhin die Fach- und Rechtsaufsicht über die Polizeibehörde inne.
Ulrich Mäurer würdigte seinen langjährigen Weggefährten als einen "leidenschaftlichen Verfechter für eine intensive und bürgernahe Sicherheits- und Polizeiarbeit". Dessen Nachfolger, Dirk Fasse, begrüßte Mäurer als "einen Mann an der Spitze der Bremer Polizei, auf den das Bild des Schutzmannes durch und durch zutrifft". Fasse stehe für Kontinuität, Verlässlichkeit und wie Müller für eine Polizei, die sich für die Zivilgesellschaft öffne und auch die Größe habe, sich für Fehler zu entschuldigen.
Was Bremens neuer Polizeipräsident bekräftigte. Er stehe für den eingeschlagenen Weg, sagte Fasse und versprach eine transparente Polizei, die offen über Fehler reden und daraus lernen wolle. Diese Zusage verband der 59-Jährige mit dem Angebot an jedermann in Bremen zum Diskurs und Dialog. "Ich bin ein Typ mit der Bereitschaft zu Veränderungen. Aber auch einer, der die Themen am Ende erdet."
Zwei Wünsche formulierte Bremens neuer Polizeipräsident am Ende seiner Antrittsrede. An alle Kollegen gerichtet, die Bitte, sich auf Augenhöhe in die Polizei einzubringen. Und an Bremens Politik den Wunsch, für den Rahmen zu sorgen, der eine effektive Polizeiarbeit ermögliche. Es müsse nicht die Wolke sieben sein, aber "geben sie uns die Rahmenbedingungen für Wolke vier". Kurze Pause. Dann: "Es könnte aber auch gerne Wolke fünf sein."