Bahnhofsvorstadt. Hans isst Spinatauflauf, und Franz teilt seinen Herzschmerz mit allen Freunden. Bestens informiert ist, wer auf Facebook surft. Und das sind weltweit immerhin rund zwei Milliarden Menschen, wie Mark Zuckerberg im Juni verkündet hat. Etwa 30 Millionen davon kommen aus Deutschland, 280 000 aus dem Lande Bremen. Eines haben sie alle gemein: Sie setzten einst ihr Häkchen unter den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Doch haben sie die Erklärung der Rechte und Pflichten auch sorgsam gelesen? Wenn nicht, enthüllt jetzt das Theaterstück „Facebook-AGB – das Musical“ auf unterhaltsame Weise, in was sie da eigentlich eingewilligt haben. Den Daumen hoch gab es für die Premiere und Welturaufführung in der Spedition am Güterbahnhof. Weitere Vorstellungen noch an diesem Donnerstag, 17. und an diesem Freitag, 18. August, jeweils um 20 Uhr.
Er habe schon länger mit dem Gedanken gespielt, allgemeine Geschäftsbedingungen auf die Bühne zu bringen, sagt Peer Gahmert, ein Dramaturg und Autor aus Schwachhausen. Als er zusammen mit dem Tänzer und Choreografen Tim Gerhards in einem ICE von Berlin nach Bremen saß, nahm die Idee Formen an. „Den AGB begegnet man laufend“, sagen beide, „und obwohl dort etwas drinsteht, was einen interessieren sollte, hat man nach wenigen Zeilen meist schon keine Lust mehr weiterzulesen. Wir unterstellen mal, dass genau das beabsichtigt ist.“
Schnell rückten die AGB von Facebook ins Blickfeld der zwei Kreativen, die sowohl für die Story als auch für die Regie verantwortlich sind. „Da steht ziemlich detailreich, was mit den persönlichen Daten geschieht“, sagt Peer Gahmert. „Facebook nimmt sich zum Beispiel das Recht heraus, Bilder eines Profils in Zusammenhang mit Werbung zu benutzen.“ Habe man etwas „ge-liked“, so dürfe das jeweilige Unternehmen ebenfalls mit den Bildern werben. Man erfahre nicht, an wen die gespeicherten Daten weitergegeben werden. Die Rede sei nur von „Dritten“.
„Mit deutschem Recht ist das eigentlich gar nicht vereinbar“, sagt Tim Gerhards. Trotzdem oder vielleicht gerade deshalb haben die beiden die Mühen auf sich genommen, die Nutzungsbedingungen zu lesen und verständlich zu machen. Und das kommt ganz und gar nicht mehr trocken daher. Denn Philipp Feldhusen verpackte Rechte und Pflichten in witzige Texte, zu denen Dan Eckert eine schmissige Musik komponiert hat. Musicalgemäß wird das Ganze umrahmt von einer „flachen Liebesgeschichte mit einem krönenden Happy-End“, so die Autoren. Eine namenlose Protagonistin, ebenso jung wie ambitioniert, hat sechs lange, entbehrungsreiche Jahre an ihrem Werk „Die allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook inklusive Datenrichtlinie und Cookierichtline“ geschrieben. Doch kein Verlag ist daran interessiert. Aus lauter Frust gleitet die Schöpferin des sperrigen Oeuvres in Alkohol und Drogen ab. Hilfe naht genau im richtigen Moment. Kurz bevor sie sich umbringen will, trifft sie auf einen Informatiker. Der ist im Begriff, ein soziales Netzwerk zu gründen. Was für ein glücklicher Zufall, dass er dafür noch ein erklärendes Beiwerk und einen griffigen Namen sucht und findet. Mehr noch, bald schwebt er auf rosa Wolken.
Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben die Regisseure eigens für diese Produktion engagiert. Auf der von Lukas Zerbst ausgestatteten Bühne stehen unter anderem Ludmilla Euler, Lena Neckel, Damiaan Veens und Mateng Pollkläsener. Für die Choreografie zeichnen Tim Gerhards und Damiaan Veens verantwortlich. Die technische Leitung liegt in den Händen von Johanna Melinkat. Unterstützt werden die Akteure von dem Extra-Ballett, das die Regisseure vor Probenbeginn gecastet haben.
Zusammengearbeitet haben die Initiatoren bereits in der Schwankhalle. Peer Gahmert war dort als Dramaturg tätig. Regie führt der 33-Jährige ebenso gern, und er hat sich als Satire-Autor einen Namen gemacht. Im November 2016 hat er das Deutsche Nationaltheater Bremen gegründet. Tim Gerhards hat zeitgenössischen Tanz an der Folkwang Universität der Künste in Essen studiert. Über ein Engagement am Theater Bremen ist er in die Hansestadt gekommen. Der 29-Jährige ist als freiberuflicher Choreograf und Tänzer bundesweit tätig, er wohnt im Steintor.
Die Zuschauer dürfen sich auf 75 Minuten skurrilste Unterhaltung freuen, verpackt in richtig gute Musik. „Und ganz nebenbei können sie noch etwas über die Facebook-AGB lernen“, sagt Peer Gahmert. Sinn und Zweck sei aber nicht, die Leute davon abzuhalten, Facebook zu nutzen. „Es kann sich aber halt auch niemand mehr rausreden, nichts gewusst zu haben“, sagt Tim Gerhards.