Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Pastor vor Gericht Wie im Latzel-Prozess plädiert wurde

Der Prozess gegen den wegen Volksverhetzung verurteilten Bremer Pastor Olaf Latzel ist mit den Plädoyers von Anklage und Verteidigung auf die Zielgerade eingebogen. Eine Entscheidung ist bereits gefallen.
16.05.2022, 15:32 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Wie im Latzel-Prozess plädiert wurde
Von Ralf Michel

Keine Überraschung bei den Plädoyers im Berufungsverfahren gegen den wegen Volksverhetzung verurteilten Olaf Latzel: Die Staatsanwaltschaft hält die Sätze des Pastors zur Homosexualität, die er 2019 im Rahmen eines Eheseminars seiner St.-Martini-Gemeinde geäußert hatte, weiterhin für Volksverhetzung. Sie plädierte am Montag vor dem Landgericht darauf, die Berufung zurückzuweisen. Seine Verteidiger halten diese Einschätzung nach wie vor für falsch. Sie sehen den Straftatbestand der Volksverhetzung als nicht erfüllt an und fordern einen Freispruch. In erster Instanz war Latzel vom Amtsgericht zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilt worden, die in eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu 90 Euro umgewandelt wurde. 

Schon die Anklage gegen seinen Mandanten habe handwerkliche Fehler enthalten, kritisierte sein Verteidiger. So seien die umstrittenen Äußerungen in dem Eheseminar einfach mit der späteren Veröffentlichung des Tonmitschnitts von diesem Seminar auf Latzels Youtube-Kanal vermischt worden. Frei nach dem Motto: "Wird am Ende schon irgendwie für eine Verurteilung reichen."

Lesen Sie auch

Auch seien die Teilnehmer an dem Christopher-Street-Day, Latzel hatte in diesem Zusammenhang von "Verbrechern" gesprochen, keineswegs eine geschützte Gruppe im Sinne des Volksverhetzungsparagrafen. Der Anklage fehle somit das Angriffsobjekt, die Gruppe, gegen die sich die "Hetze" bezieht. Und apropos Hetze: Wer habe denn aufgehetzt werden sollen, fragte die Verteidigung. Doch wohl kaum die Seminarteilnehmer – 30 bibeltreue Christen, die sowohl mit den Worten der Bibel als auch mit der Positionen ihres Pastors bestens vertraut gewesen seien. Dass die nach dem Seminar auf die Straße gingen, um gewalttätig gegen Homosexuelle zu werden, sei schlicht absurd.

Dass mehr als ein halbes Jahr nach dem Seminar ein Tonmitschnitt der Veranstaltung im Internet landete, und damit einer breiten Öffentlichkeit bekannt wurde, sei ein Versehen gewesen. Als er den Irrtum bemerkte, habe Latzel den Mitschnitt sofort aus dem Netz nehmen lassen. Ihm sei bewusst gewesen, dass einige der Äußerungen außerhalb der Seminargruppe missverstanden hätten werden können und habe sich dafür in aller Form  entschuldigt. Kurzum: Von Volksverhetzung könne keine Rede sein, das Urteil aus der ersten Instanz müsse aufgehoben und sein Mandant freigesprochen werden.

Nicht, wenn es nach der Staatsanwaltschaft geht. Um den Tatbestand der Volksverhetzung zu erfüllen brauche es keine konkreten Angriffe. Um den gesellschaftlichen Frieden zu stören, reiche bereits die Vergiftung des öffentlichen Klimas, argumentierte die Vertreterin der Anklage. Latzel habe mit drastischen Worten Menschen verächtlich gemacht und zum Hass aufgestachelt. Dies sei sehr wohl geeignet gewesen, eine feindselige Haltung gegenüber Menschen aus der Queer-Szene zu erzeugen oder zu verstärken. Und diese sei durchaus als eine abgrenzbare Gruppe der Gesamtbevölkerung anzusehen.

Lesen Sie auch

Latzels habe mit seinen Äußerungen alle Teilnehmer am Christopher-Street-Day mit Verbrechern gleichgestellt. Dies sei ganz gewiss nicht durch die Bibel gedeckt. Wie der Pastor überhaupt im Nachhinein das Grundrecht der Religionsfreiheit als Deckmantel für seine Äußerungen verwende. Fazit der Staatsanwältin: Latzels Berufung müsse als unbegründet zurückgewiesen werden. 

Ob das Gericht dies auch so sieht, wird am Freitag, 20. Mai, verkündet. 

Vor den Plädoyers hatte das Landgericht am Montag die Gutachterin Isolde Karle von dem Verfahren ausgeschlossen. Damit gaben die Richter einem Befangenheitsantrag der Verteidigung statt. Das Gericht hält deren Zweifel an der Objektivität und Unvoreingenommenheit der Theologie-Professorin aus Bochum für gerechtfertigt. So habe sie in ihrem Gutachten unter anderem unzulässige Wertungen vorgenommen. 

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)