"Wir kochten gerade den Kaffee in der Küche, als ich durch das Fenster sah, dass mein Autokennzeichen komplett pink war", beschreibt Tanja Horstmann ihren Mittwochmorgen der vorigen Woche. "Natürlich bin ich mit meinem Mann gleich zum Auto gegangen, um mir das genauer anzuschauen." Was Tanja und Kai Horstmann sahen, war das Ergebnis einer in dieser Form in Bremen bislang unbekannten Art von Protestaktion: Umweltaktivisten des sogenannten "Widerstandkollektivs" hatten in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch in Schwachhausen bei bis zu 40 größeren Fahrzeugen (SUVs) die Luft aus den Reifen gelassen und Kennzeichen beschmiert (der WESER-KURIER berichtete).
Bekennerschreiben an Scheibenwischer
Bei Horstmanns sind zwei Autos betroffen, beides SUVs. Ein Volvo XC60 und ein Volvo XC90. "Alle acht Reifen waren platt und die Kennzeichen waren in Pink besprüht worden", berichtet die 49-Jährige. An der Windschutzscheibe ein Aufkleber mit der Aufschrift "Diese Karre ist zu fett" und hinter dem Scheibenwischer ein Bekennerschreiben vom "Widerstandskollektiv". "In dem Schreiben entschuldigten sie sich für die Stilllegung der fetten Karre und beschrieben als Beweggrund, dass jetzt endlich etwas für den Klimaschutz getan werden müsse", erzählt Horstmann.
Grauzone oder Sachbeschädigung?
Die Autoreifen seien nicht aufgeschlitzt worden, stellen sie schnell fest. Stattdessen steckten kleine rote Lebensmittellinsen in den Ventilen, damit die Luft entweicht, ohne die Reifen sofort zu schädigen. "Das Kennzeichen ist allerdings mit einer Farbe besprüht worden, die nicht wieder abgeht", berichtet die Betroffene. "Wir müssen also übers Wochenende warten, bis wir neue Kennzeichen an der Zulassungsstelle abholen können. Und die müssen wir natürlich auch bezahlen."
Ihr sei unklar, ob es sich bei der Aktion an ihren Autos um eine Grauzone im strafrechtlichen Bereich oder um tatsächliche Sachbeschädigung handeln würde. Eine Anzeige bei der Polizei werde sie auf jeden Fall erstatten, sagt sie. "Bis jetzt habe ich nur gehört, dass das wohl ohne Konsequenzen bleiben wird, weil es sich um einen eingetragenen Verein und nicht um Einzelpersonen als Täter handelt."
Tanja Horstmann beschreibt die Gefühle von sich und ihrem Mann an diesem Morgen als empört und sehr wütend. "Wir sind selbstständig und haben als Inhaber von acht Bekleidungsgeschäften täglich weite Strecken zu unseren Filialen zwischen Bremen, Oldenburg und Ganderkesee zurückzulegen, um überall nach dem Rechten zu sehen und uns um unsere 40 Angestellten zu kümmern", so Horstmann. "Und weil wir viel Bekleidung in die Geschäfte bringen, haben mein Mann und ich auch größere Autos."
Die Fahrt zu Angestellten ist an diesem Morgen nicht möglich. Stattdessen müssen sie stundenlang auf Polizei und ADAC warten, die Fahrzeuge nach dem Aufpumpen der Reifen in eine Werkstatt fahren, um die Räder neu ausrichten zu lassen und bei der Zulassungsstelle anrufen, um neue Kennzeichen zu bestellen. "Das überschreitet einfach Grenzen und macht einem auch Angst", sagt sie. "Was wird als Nächstes passieren?"
Richtiger Adressat?
Außerdem frage sie sich, ob es hier wirklich um das Klima gehe oder auch um das Thema Reich und Arm: "Warum lief diese sogenannte Umweltaktion ausschließlich in Schwachhausen? Gibt es in anderen Stadtteilen nicht auch SUVs?"
"Diese Aktion hat natürlich schnell und mit wenig Aufwand viel Öffentlichkeit für die Sache geschaffen", sagt Tanja Horstmann. Und sie fände es generell gut, wenn Menschen etwas gegen den Klimawandel unternehmen würde. "Aber es ist doch nicht richtig, Privatpersonen mit derartigen Angriffen zu schädigen", sagt sie. "Dieses Thema muss in die Politik getragen werden. Nicht zu uns."