Aktivisten des neuen, sogenannten "Widerstandskollektivs", einem Nachfolgeprojekt der "Letzten Generation", haben in Schwachhausen aus den Reifen zahlreicher SUVs die Luft rausgelassen, Aufkleber mit der Aufschrift "Diese Karre ist zu fett!" hinterlassen und Kennzeichen beschmiert. Ende vergangenen Jahres hatten die Klimaaktivisten der "Letzten Generation" sich strategisch neu aufgestellt. "Die Straßenblockaden waren symbolische Proteste, die maximalen Druck aufbauen sollten", sagt eine Sprecherin aus Bremen gegenüber dem WESER-KURIER. Doch selbst diese massiven Proteste hätten nicht zu einem Umdenken in der Politik geführt. In den vergangenen Jahren hatten sich die Klimaaktivisten regelmäßig auf Straßen oder auch an Rollbahnen von Flughäfen festgeklebt, um sich für ein Gegensteuern gegen den fortschreitenden Klimawandel einzusetzen.
Inzwischen gibt es zwei Nachfolgeprojekte der "Letzten Generation": die "neue Generation" und das sogenannte "Widerstandskollektiv". Erstere wollen zur Stärkung der Demokratie Bürgerräte etablieren und so mehr Klimaverantwortung in die Hände der Bürger legen. Das sogenannte "Widerstandskollektiv" wiederum, das seit März auch in Bremen einen Ableger hat, will durch Aktionen Fakten schaffen. Das 1,5-Grad-Ziel sei bereits gerissen worden. Wenn man sich jetzt bemühe, könne man vielleicht noch das Zwei-Grad-Ziel erreichen, andernfalls bewege man sich bereits auf eine Erwärmung von drei Grad zu, sagt die Sprecherin: "Wir warten nicht länger, wir fangen jetzt an."
Wie es aussieht, wenn das Widerstandskollektiv zur Tat schreitet, mussten die betroffenen Fahrer in Schwachhausen erleben. Unter anderem in den Straßen Emmastraße, Altmannstraße, Fitgerstraße und Thomas-Mann-Straße in Schwachhausen ließen Mitglieder des Kollektivs in der Nacht zu Mittwoch die Luft aus den Reifen von Fahrzeugen. Auch Kennzeichen wurden mit Farbe besprüht. Nach Angaben der Polizei wurde darüber hinaus auch Farbe auf Karosserien gesprüht. Betroffen waren insgesamt rund 30 bis 40 Fahrzeuge, schätzt die Polizei.
Der Staatsschutz ermittelt
Auch wenn die Reifen nicht durch einen Stich beschädigt wurden, handele es sich möglicherweise um eine Sachbeschädigung, sagt Nastasja-Klara Nadolska, Sprecherin der Polizei Bremen. Das hänge von den genauen Umständen ab. Beim Ablassen der Luft könnten die Felgen zum Beispiel auf die Straße absinken und dabei beschädigt werden. Peter Vogt, Mitarbeiter bei der Firma Quick Reifendiscount sagt auf Nachfrage, dass eine kürzere Standzeit ohne Luft für einen Autoreifen in der Regel unproblematisch sei. Verallgemeinern könne man das allerdings nicht und keinesfalls dürfe mit den platten Reifen gefahren werden, um sie nicht zu beschädigen. Die Täter hatten eine Linse in die Ventilkappen eingelegt und die Kappen wieder auf die Ventile gedreht, wodurch diese geöffnet wurden.
In Bezug auf die Gruppe, die sich mit einem Bekennerschreiben vor Ort und später auch mit einer Pressemitteilung zur Tat bekannt hat, sagt Nils Matthiesen, Sprecher der Polizei: "Wir kennen die Gruppe, sie ist in Bremen aber noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten." Da nach allem Anschein der Verdacht auf eine politisch motivierte Straftat vorliegt, habe der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen, sagt Matthiesen.

Ein Ermittler hält einen der hinterlassenen Aufkleber in Händen.
Warum wurde die Aktion in Bremen durchgeführt? "Der Bremer Senat kann seinen Job anscheinend nicht machen", sagt die Sprecherin des örtlichen Kollektivs. Die nötigen Maßnahmen zur Klimarettung seien diverse Male wissenschaftlich benannt worden. "Wir brauchen eine Verkehrswende mit Tempolimit, Rückbau des Individualverkehrs sowie einen Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs." SUV seien übermotorisierte Panzer, die gefährlich für Kinder und Radfahrer seien. "Solche Autos sind für Bremen zu groß." Mit dem Besprühen der Kennzeichen habe man den Fahrzeugen symbolisch die Fahrerlaubnis entziehen wollen. Dass den Menschen damit ein Schaden entstanden sei, räumt die Sprecherin des Kollektivs ein. Ein teures SUV zu kaufen, sei jedoch eine bewusste Entscheidung. Nach Angaben der Sprecherin zählt das neue Kollektiv in Bremen etwa 40 Mitglieder. Weitere Aktionen sollen folgen, kündigte sie an.