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Ausstellung als Mahnmal der Vergangenheit Impressionen eines monströsen Mahnmals

Der preisgekrönte französische Fotograf Christophe Delory hat in 80 Werken das Grauen des U-Boot-Bunkers Valentin in Bremen-Nord dokumentiert. Bis 18. Juni ist der dreiteilige Zyklus an drei Orten zu sehen.
04.06.2021, 00:00 Uhr
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Impressionen eines monströsen Mahnmals
Von Sigrid Schuer

Quasi erschlagen gewesen sei er von der Monstrosität des U-Boot-Bunkers Valentin in Bremen-Nord. "Jedes Mal, wenn ich beim Bunker war, hat das etwas mit mir gemacht", sagt Christophe Delory. Der französische Fotograf ließ sich von eben jener Monstrosität inspirieren und erarbeitete einen dreiteiligen Werk-Zyklus. Ausgangspunkt war das Gedenken an das Ende des Zweiten Weltkrieges am 8. und 9. Mai.

Delory entdeckte das Sujet für sich, als er 2018/2019 Stipendiat im Hanse- Wissenschaftskolleg in Delmenhorst war. Der renommierte Fotograf hat bisher für Zeitungen und Zeitschriften gearbeitet und wurde für seine Arbeiten in Frankreich, Spanien und China ausgezeichnet. Nach Jahren in der Modebranche hat er die Porträtfotografie für sich entdeckt. Der sozialkritische Ansatz ist ihm besonders wichtig. Delorys 80 Werke sind unter dem gemeinschaftlichen Titel "Bunker Valentin: Erinnerungsort. Lebensort" bis Freitag, 18. Juni, gleich an drei Orten in Bremen zu sehen: in der Bürgerschaft, im Institut francais und in der Gedenkstätte Denkort Bunker Valentin am Rekumer Siel in Bremen-Nord. Dort wird es eben an diesem 18. Juni, um 14 Uhr, ein Abschlussgespräch mit Christophe Delory geben, während die offizielle Finissage am selben Tag um 18 Uhr mit einem europäischen Konzert im Garten des Institut francais, Contrescarpe 19, ausklingt.

Jedem fotografischen Zyklus ist eine besondere Herangehensweise eigen. Für den letzten Teil mit dem Titel "Wie lebt man mit 500.000 Kubikmetern Beton?", der im Denkort Bunker-Valentin zu sehen ist, hat er die Menschen, die in der Gegend rund um das Mahnmal leben, porträtiert. Auf einer Fotografie sind etwa zwei Kinder zu sehen, die arglos vor der bedrohlich wirkenden Kulisse spielen. Nicht wissend, dass 1600 Menschen bei der schwersten Zwangsarbeit, die sie beim Bau des U-Boot-Bunkers zu leisten hatten, ihr Leben lassen mussten; darunter viele französische Kriegsgefangene. Es sei ihm auch darum gegangen, die Menschen anzusprechen, die heute in der Nähe dieser "historischen Tragödie" wohnen oder arbeiten. "Ich verstehe, dass Bewohner und Besucher sich nicht immer der Schrecken bewusst sein können, die die Häftlinge durchlebt haben; und ich verstehe auch, dass man nicht leben kann, ohne diese Schrecken zu verdrängen", sagt er.

Die Materialität des Grauens spiegelt sich unter dem Titel "Stumme Zeugen der Zwangsarbeit", die in Delorys Fotos vor und im Institut francais zu sehen sind. Die Oberflächen, die er eingefangen hat, scheinen ein Eigenleben zu führen. In ihnen scheint sich das Leid der Zwangsarbeiterinnen und -arbeiter zu spiegeln. Delory beschreibt sie so: "Die Wände bestehen aus Beton: grauer Zement, gelber Sand, weiße, braune, graue und schwarze Kieselsteine, gelb, orange und rot verrostetes Metall, schwarze Verschmutzungen und sicherlich auch Schimmel. Die Glätte der Wand lässt dem Auge kein Entkommen und die Farben und Kontraste vermitteln ein organisches Bild der Vergangenheit".

Sich selbst eingeschrieben hat er sich in die "Überreste der Geschichte", den Zyklus-Teil, der in der Bürgerschaft, Am Markt 20, gezeigt wird. "Ich beschloss, auch Fotos von mir selbst im Raum zu machen, um die Größenordnung des Ortes zu erfassen. Ich habe das Innere und Äußere des Bunkers fotografiert, um die riesige Dimension dessen auszudrücken, was ich als 'unmenschliche Größe' bezeichne", beschreibt er. Und manchmal wirkt es, als stehe er an einer Klagemauer, nicht begreifend, was hier geschehen ist.

Alle drei Ausstellungsorte sind unter Einhaltung der geltenden Corona-Schutzauflagen zu den üblichen Öffnungszeiten wieder zugänglich. Der Eintritt ist frei. Interviews mit Bürgerschaftspräsident Frank Imhoff und Fotograf Christophe Delory sind online: https://vimeo.com/546826522 zu finden.

 

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