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Fahrrad-Reparatur durch Flüchtlinge Bischof greift zum Schraubenschlüssel

Beherzt hat Bischof Jan Janssen am Sonnabend in der Berner Fahrradwerkstatt zum Schraubenschlüssel gegriffen. Die Initiative „Berne welcome“ hatte geladen, um alte Fahrräder flott zu machen.
09.11.2015, 00:00 Uhr
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Von Bettina Dogs

Der Klassiker aus der Fahrradmanufaktur Hartje hat nicht nur einiges an Jahren auf dem Buckel, er ist auch ganz schön mitgenommen. Kaputter Ständer, defektes Schloss, verbogene Bremse, wackeliger Sattel. „Diesem Rad hätte niemand mehr eine Chance gegeben“, sagt Jan Janssen mit dem geschulten Blick eines Fachmanns.

Beherzt hat der Bischof der evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg am Sonnabend in der Berner Fahrradwerkstatt zu Schraubenschlüssel und Ratsche gegriffen und verwaiste Räder wieder auf Vordermann gebracht. Die Initiative „Berne welcome“ – ein Zusammenschluss engagierter Bürger und sozialer Gruppen – hatte erstmals Freiwillige eingeladen, um gemeinsam mit Flüchtlingen alte Fahrräder flott zu machen. „Ein tolles Projekt“, meinte der Theologe und packte schließlich selbst für zwei Stunden mit an.

Für die Aktion haben sich sich Helfer verschiedener sozialer Gruppierungen und Einrichtungen wie der „Machbar“, „Radieschen“ und die „Berner Runde“ zusammengeschlossen, um konkret dort zu helfen, wo Hilfe benötigt wird. So wurde für die Fahrrad-Aktion der Keller des Fundbüros der Gemeinde entrümpelt, was rund 50 herrenlose Fahrräder ans Licht brachte. Dazu kamen weitere Spenden Berner Bürger. „Die Idee ist, dass sich Flüchtlinge ein Fahrrad aussuchen und es mit unserer Hilfe wieder verkehrstauglich machen“, schilderte Helfer Heinz-Georg Helms. Zur Belohnung dürften sie es dann kostenlos mitnehmen.

Und tatsächlich waren bereits beim Start um 10 Uhr morgens mehrere Flüchtlinge da, um trotz Sprachbarriere beim Reparieren zu helfen. „Es sind die kleinen Hilfestellungen, die jetzt gefragt sind und nicht die großen zentralen“, lobte Bischof Jan Janssen das Projekt. Deshalb sei er auch gerne nach Berne gekommen, um das Vorhaben ein bisschen mit anzuschieben.

Bis Ende November läuft die Aktion jeden Sonnabend von 10 bis 14 Uhr im ehemaligen Schleckermarkt an der Langen Straße. Willkommen ist, wer helfen möchte, auch wenn es nur an einem Termin ist. „Hier auf dem Land sind die Flüchtlinge auf das Fahrrad angewiesen“, schilderte Sandra Bohlken von der Kreativwerkstatt „Machbar“, die die Aktion federführend begleitet.

Mit der Fahrradwerkstatt schlagen die Verantwortlichen mehrere Fliegen mit einer Klappe: Die Asylsuchenden bekommen die Möglichkeit zu mehr Mobilität, die zum Teil nur leicht reparaturbedürftigen Fahrräder landen nicht auf dem Schrott und der Keller der Gemeinde ist wieder leerer. Allerdings: Alles können die freiwilligen Schrauber nicht wieder geradebiegen. „Kaputte Tretlager und Gangschaltungen wären zu aufwendig und kostspielig“, schilderte der Berner Helfer James Helm. Auch Bischof Janssen betonte: „Je einfacher die Räder, umso besser. Die modernen Hightech-Räder mit ihren Federn und Gangschaltungen sind viel zu komplex.“ Sie würden nur den Rahmen der Reparaturkosten sprengen.

Für den Oldenburger Theologen hat die Fahrradwerkstatt aber auch noch einen weiteren positiven Aspekt: „Sie vermittelt unsere regionale Kultur, zu der eben auch das Radfahren gehört.“ Das allerdings müssen viele Flüchtlinge erst einmal lernen. „Die Männer können es mitunter schon, aber die Frauen nicht“, hat Heinz-Georg Helms beobachtet. „Wir werden wohl auch noch ein Fahrradfahr-Kursus anbieten müssen.“

Wichtig sei jetzt allerdings auch, die Aktion unter den Flüchtlingen bekannt zu machen. „Viele wissen gar nicht, was hier alles angeboten wird“, meinte ein engagierter Berner, der sich als Pate für mehrere Familien engagiert, aber ungenannt bleiben möchte. Hier fehle es noch etwas an Koordination. In zwei Etappen habe er seine Familien zur Fahrradwerkstatt gebracht, erst die Frauen zum Räderaussuchen, dann die Männer zum Räderreparieren. Die wussten im ersten Moment gar nicht, was auf sie zukommt, packten dann aber umso engagierter mit an.

Zwischen 10 und 14 Uhr nimmt die Fahrradwerkstatt sonnabends auch weitere Fahrrad- und Materialspenden an. Gesucht

werden vor allem Kinderfahrräder.

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