Andreas Bovenschulte: Wir müssen derzeit viele schwierige und einschneidende Entscheidungen treffen. Eine davon, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht die letzte, ist die Schließung der Schulen und Kindertagesstätten. Bremen hat Anfang der Woche als eines der ersten Bundesländer die Empfehlung des Bundesgesundheitsministers umgesetzt und Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abgesagt.
Und wir haben das sogar noch verschärft, indem wir für Veranstaltungen zwischen 250 und 1000 Teilnehmern eine Anzeigepflicht und Auflagen beschlossen haben. Und jetzt, nur ein paar Tage später, stellen wir fest: Wir müssen diese Regelung weiter verschärfen. Zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel haben die Ministerpräsidenten deshalb beschlossen, dass Veranstaltungen mit weniger als 1000 Menschen nur noch dann stattfinden sollen, wenn sie wirklich erforderlich sind.
Spüren Sie, dass die Menschen Verständnis für diese Ausnahmesituation haben?
Einschneidende Entscheidungen werden natürlich immer kontrovers diskutiert. Das kann in einer offenen Gesellschaft auch gar nicht anders sein. Jede staatliche Maßnahme muss sich der Kritik stellen. Aber ich nehme schon ein sehr großes Verständnis der Bremerinnen und Bremer wahr. In einer Krise wollen die Menschen klare Orientierung. Als Bürgermeister muss ich besonnen und zugleich entschieden handeln und auf Basis der Ratschläge von Experten gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen im Senat die beste Entscheidung treffen.
Sehen Sie Bremen und Bremerhaven gut aufgestellt?
Ich denke schon. Wir haben ein leistungsfähiges Krankenhaussystem, wir haben konsequent die erforderlichen Maßnahmen ergriffen und die Menschen sind bereit, diese mitzutragen. Aber wir müssen uns jeden Tag fragen: Machen wir das Richtige? Machen wir genug? Und sind wir schnell genug? Sollte das nicht der Fall sein, müssen wir nachschärfen, müssen zusätzliche Maßnahmen beschließen und diese zügig umsetzen. Wir müssen die Ausbreitung des Virus mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln verlangsamen. Der Schutz der Gesundheit der Menschen hat oberste Priorität. Das wird auch nicht an den Kosten scheitern.
Niedersachsen hat einen Nachtragshaushalt beschlossen für finanzielle Folgen der Corona-Krise. Was unternimmt Bremen in dieser Hinsicht?
Unser neuer Haushalt ist ja noch nicht beschlossen, insofern stellt sich die Frage eines Nachtragshaushalts nicht. Wir werden die finanziellen Folgen der Corona-Krise im Rahmen der Haushaltsberatungen und des laufenden Budgets berücksichtigen. Es ist klar, dass die Coronakrise massive wirtschaftliche Auswirkungen haben wird. Der Bund hat angekündigt, einen Schutzschirm für Unternehmen und Arbeitnehmer zu spannen. Hierzu werden auch wir unseren Beitrag leisten.
Wird es Einschränkungen in der Verwaltung geben?
Wenn Schulen und Kitas ab Montag geschlossen sind, wird das auch die Verwaltung treffen, weil Eltern ihre Kinder zu Hause betreuen müssen. Wir werden Schwerpunkte setzen und Mitarbeiter anders einsetzen müssen. Beispielsweise werden wir Bereiche, die für die Bekämpfung der Krise wichtig sind, personell besser ausstatten.
Was sagen Sie Bremerinnen und Bremern, wie sie sich nun verhalten sollen?
Jeder kann dazu beitragen, dass die Verbreitung des Virus verlangsamt und eingedämmt wird. Das ist unsere gemeinsame Aufgabe. Dazu gehört auch, sich zu überlegen: Ist es wirklich notwendig, zu einer bestimmten Veranstaltung zu gehen? Muss ich mich wirklich in einer größeren Gruppe treffen? Oder kann man das auch verschieben oder ausfallen lassen? Wir brauchen die Einsicht jeder und jedes Einzelnen. Ich bin guten Mutes, dass wir diese Herausforderung gemeinsam bewältigen werden.
Das Gespräch führte Nina Willborn.
Andreas Bovenschulte (54) ist seit dem 15. August 2019 Bremens Bürgermeister und Präsident des ersten rot-grün-roten Senats. Für den SPD-Politiker ist die durch das Corona-Virus ausgelöste Krise die erste politische Ausnahmesituation.