Das Bremer Ordnungsamt hat seit März 2020 Corona-Bußgelder in Höhe von 706.000 Euro verhängt. Diese Zahl nennt die Behörde von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Demnach verteilt sich die Summe auf 8848 Bußgeldbescheide, was einem durchschnittlichen Wert von etwa 80 Euro entspricht. Hierbei handelt es sich der Innenbehörde zufolge um jene Bescheide, die bereits an Bürgerinnen und Bürger verschickt wurden. Seit Beginn der Pandemie verzeichnete das Ordnungsamt laut Ressortsprecherin Rose Gerdts-Schiffler etwa 23.000 coronabedingte Anzeigen – knapp die Hälfte davon sei noch nicht bearbeitet worden. Bereits im Frühjahr war trotz zusätzlich eingestelltem Personals von einem Bearbeitungsstau die Rede.
Das Land Niedersachsen meldet für diesen Zeitraum mindestens 38.000 Ordnungswidrigkeiten gegen Corona-Maßnahmen. Uneinheitliche Meldewege bei den Behörden deuten darauf hin, dass die tatsächliche Zahl deutlich höher liegen könnte. Zudem sind laut Innenministerium rund 400 Straftaten nach dem Infektionsschutzgesetz festgestellt worden.
Dass die Corona-Regeln in den vergangenen Monaten gelockert wurden, hat Folgen: „Die Anzahl der einzelnen Verstöße erscheint deutlich rückläufig“, so Gerdts-Schiffler. Im Jahresverlauf spiegelt sich das bislang nicht wider. Rund 13.000 Anzeigen hatte das Bremer Ordnungsamt bis Ende Januar gemeldet – etwa 10.000 sind demnach im vergangenen halben Jahr dazugekommen. Genauere Erkenntnisse könnten Zahlen für einzelne Monate liefern, die laut Behörde aktuell aber nicht vorliegen.
Auch die Polizei hat nach eigenen Angaben aufgrund der Lockerungen zuletzt deutlich weniger Corona-Verstöße geahndet. „Hierbei handelte es sich dann hauptsächlich um renitente Maskenverweigerer in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Supermärkten“, erklärt Polizeisprecher Nils Matthiesen. Dazu kämen besondere Hygieneverstöße von Lokalbetreibern. Anfang August hatte die Polizei eine Bar am Rembertiring geschlossen, in der 100 Gäste ohne Hygienekonzept und Mindestabstände gefeiert hatten.
Verstöße gegen die Corona-Verordnung sind in der Regel Ordnungswidrigkeiten, die als sogenannte Ordnungswidrigkeitsanzeigen erfasst werden. Eine Straftat liegt zum Beispiel vor, wenn jemand vorsätzlich zur Ausbreitung der Krankheit beiträgt. Das kann unter anderem bei Missachtung des Versammlungsverbots der Fall sein. Welche Verstöße wie oft angezeigt wurden, ist im Detail weder aus Bremen noch aus Niedersachsen zu erfahren. Laut Innenbehörde werden die Bußgelder in Bremen überwiegend verhängt, weil die Maskenpflicht missachtet wurde. Bei den Kontrollen gebe es selten Probleme. Zu körperlicher Gewalt sei es in Einzelfällen gekommen. „Das Verständnis für die angeordneten Maßnahmen überwiegt deutlich“, so Gerdts-Schiffler.
Dass nicht alle Bestraften die Bescheide akzeptieren, zeigt sich bei den Gerichten. 460 Einsprüche gegen Corona-Bußgelder hätten Richter dort bislang verhandelt, teilt die Innenbehörde mit. Die Zahl der Einsprüche liegt höher – etwa jeder sechste der knapp 9000 Betroffenen hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht. Nur ein Teil davon landet letztendlich vor Gericht.
Wie viele der verhängten Strafen bezahlt sind, konnte das Innenressort nicht beantworten. Im April waren laut Ordnungsamt etwa 200.000 Euro der zum damaligen Zeitpunkt erlassenen 475.000 Euro beglichen. Das Geld fließt laut Rose Gerdts-Schiffler in die Arbeit der Behörde. In anderen Bundesländern wird das eingenommene Geld teilweise für junge Menschen ausgegeben. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge hat der nordhessische Landkreis Waldeck-Frankenberg die Corona-Bußgelder genutzt, um Kindern und Jugendlichen freien Eintritt in Schwimmbäder zu ermöglichen.
Bremen will jungen Corona-Sündern die Bußgelder ersparen: Ein entsprechendes Projekt gibt es seit Jahresbeginn für Bremer und Bremerinnen, die jünger als 21 Jahre sind. Das von der Innenbehörde finanzierte Programm setzt auf Aufklärung – in Form eines dreistündigen Corona-Bildungskurses. Eine erfolgreiche Teilnahme ersetzt das Bußgeld. Träger sind die Stadtteilschule Bremen sowie die Gesellschaft für Jugendhilfe und soziale Arbeit.
Das Angebot werde deutlich schlechter angenommen als ursprünglich gedacht, sagt Kursleiter Jan David Garde von der Stadtteilschule. 32 Teilnehmer habe es bislang in diesem Jahr gegeben. „Wir hatten viel mehr Andrang erwartet und sogar eine Aula organisiert“, sagt Garde. Die meisten jungen Leute würden lieber das Bußgeld zahlen.