Schon nach anderthalb Stunden gab es keine Bewerbungsformulare mehr. "Mein Kollege ist eben los und druckt noch mal 200 nach", sagte Thomas Köstner von der Reinigungsfirma Dorfner. Der Betrieb ist eines von rund 50 Unternehmen, die sich am Mittwoch bei der ersten Jobmesse für geflüchtete Menschen in der Halle 3 in der ÖVB-Arena vorgestellt haben. Das Jobcenter Bremen, die Agentur für Arbeit Bremen-Bremerhaven und rund 50 Unternehmen wollten mit dem Angebot vor allem Geflüchtete aus der Ukraine ansprechen.
Bereits am Vormittag war der Andrang groß. Gegen 12.30 Uhr zählten die Veranstalter weit über 1000 Besucherinnen und Besucher. Jan Pauls, Inhaber des Hotels Munte, sucht vor allem Reinigungs- und Servicekräfte, da diese kein perfektes Deutsch beherrschen müssten. Wichtiger sei, dass es menschlich passe. "Man muss bereit sein, Dienstleistungen zu vollbringen", sagte Pauls.
Reinigung und Pflege waren wohl die am stärksten vertretenen Branchen auf der Messe, auch für Logistik und Maschinenbau fanden Interessierte schnell Kontakte. Doch nicht alle Jobsuchenden konnten damit etwas anfangen. Die Ukrainerin Iryna Radchuk etwa hat in ihrer Heimat als Projektmanagerin in höherklassigen Fitnessstudios und Hotels gearbeitet. Noch spricht sie die Sprache nicht, aber ihre Bewerbung, die sie in mehrfacher Ausführung mitbrachte, war in perfektem Deutsch verfasst. "In meinen Jobs ging es immer darum, den Menschen eine gute Zeit zu bescheren", erklärte sie auf Englisch. "Ich hoffe, dass meine Fähigkeiten und mein Wissen auch in Deutschland gebraucht werden. Und wenn noch nicht hier und jetzt, dann vielleicht in ein paar Monaten."
Denys Polovinin hat in der Ukraine als Seemann auf Deck eines Schiffes gearbeitet – auf der Messe warf er ein Auge auf die Hal över-Fähren. Um sprachliche Hürden zu überwinden, waren jedem Stand Dolmetscher für Russisch und Ukrainisch zugeordnet. Nicole Jendrek-Boettcher von der Diakonie Lilienthal brachte dafür ihren eigenen Mitarbeiter mit: Meysam Roodbari aus der Ukraine, der in der Einrichtung für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung arbeitet. "Wir suchen sowohl Menschen mit entsprechender Ausbildung als auch Quereinsteiger", sagte Jendrek-Boettcher. Sie zeigte sich ebenfalls überrascht von dem Ansturm an diesem Vormittag.
"Neue Perspektiven eröffnen"
Für Salvatore di Benedetto, stellvertretender Geschäftsführer des Jobcenters Bremen, ist es wichtig, den Menschen, die aus ihrer Heimat geflohen sind und in Bremen arbeiten möchten, ein breites Angebot aufzuzeigen. Es habe in Bremen noch nie so viele offene Arbeits- und Ausbildungsplätze gegeben. „Mit dieser Messe wollen wir beide Seiten zusammenbringen und den Geflüchteten Raum für neue Perspektiven eröffnen", sagte di Benedetto.
Nicht nur Menschen aus der Ukraine kamen an diesem Vormittag in die Messehalle. Auch Amiri Lailoma, die 1995 aus Afghanistan nach Deutschland gekommen ist, hielt Ausschau nach einem neuen Job. Sie habe eigentlich im Verkauf gearbeitet, aufgrund gesundheitlicher Probleme will sie die Branche wechseln. Eine konkrete Tätigkeit habe sie aber noch nicht im Sinn, sagte sie.
Die Sprache ist wohl die größte Hürde bei der Integration und der Suche nach einem neuen Job. Auch viele der auf der Messe vertretenen Unternehmen setzen das Sprachniveau B1 voraus, also Grundlagenkenntnisse. Eine weitere Barriere: die Bürokratie. In einem sogenannten Alltagstraining führen Mihdiye Akbulut und ihre Mitarbeiterinnen vom Mütterzentrum Tenever, das ebenfalls auf der Messe vertreten war, die Geflüchteten langsam an das System heran. "Es geht aber auch darum, das Selbstbewusstsein der Frauen zu stärken", sagte Akbulut. "Viele müssen erst lernen, auch mal an sich selbst zu denken."