Auf die richtige Menge kommt es an. Konzentriert trägt Jonas Ahrens etwas geschmolzenes Lötzinn auf eine Lochrasterplatine auf, der Geruch heißen Lots wabert durch den Raum. „Da bräuchte man eigentlich drei Hände für. Festhalten, löten und vorsichtig sein, dass die Isolierung des Kabels nicht in der Hitze des Lötkolbens schmilzt“, sagt der Berufsschüler. Später führen ebenjene Kabel zu einem Mikrocontroller, denn insgesamt entstehen hier, in der Berufsschulklasse für Geräte- und Systemelektoniker des Technischen Bildungszentrums Mitte, Systemeinheiten für eine ISS-Funkanlage.
Mitte Dezember wollen die Schüler und Schülerinnen Funkkontakt mit dem deutschen ESA-Astronauten Matthias Maurer aufnehmen. Gut 400 Kilometer über Deutschland schwebt die Internationale Raumstation (ISS) dann hinweg, ein Zeitfenster von neun Minuten bleibt für einen Dialog. „Das ist ein schöner Moment, wenn die Spacestation am Horizont auftaucht. Das knackt und rauscht dann über Funk“, sagt Mathias Dahlke vom Deutschen Amateur-Radio-Club (DARC). „Dann weiß man, wofür man die ganze Zeit gearbeitet hat.“ Dahlke unterstützte bereits die Integrierte Gesamtschule Osterholz-Scharmbeck beim Weltraumfunken, auch in Bremen hilft der Deutsche Amateur-Radio-Club mit dem Verleih von Equipment und der Weitergabe von Know-how.
Das Projekt ist das erste seiner Art an einer Bremer Schule. „Das Besondere an diesem Projekt ist, dass die Schüler wesentliche Teile der Funkanlage selber bauen, anstatt vorhandenes Equipment zu nutzen“, sagt Jan Benje, der das Projekt am Technischen Bildungszentrum Mitte koordiniert. Zwar stellt der Amateur-Radio-Club alle notwendigen Elemente für ein Zweitsystem zur Verfügung, damit im Notfall ein Back-up bereitsteht. Eigentlich möchte das Bildungszentrum aber eine eigene Anlage zusammenstellen, die nach dem ISS-Kontakt als Schulfunkstation genutzt wird.
Rotoren, mit denen die Antennen der Position der Raumstation folgen können, Steuerungselemente und ein Laptop, der die Rotorbewegung mittels Software steuert – so soll der Aufbau einmal aussehen. Noch ist er nur eine Kreideskizze an der Tafel. Wie die einzelnen Elemente einander zuspielen, erklärt Julian Scheichel, betreuender Lehrer. „Der Rechner hat die Flugbahnberechnung der Raumstation. Die Software muss dann in der Lage sein, Korrekturen umzusetzen, damit die Antennen entsprechend angepasst werden."
Für das ISS-Projekt arbeiten fünf Klassen aus verschiedenen Bereichen des Technischen Bildungszentrums Mitte Hand in Hand. „In der Metallwerkstatt werden die etwa vier Meter langen Antennen von den Informationselektronikern aus Aluminium zusammengesetzt“, sagt Koordinator Benje. Schüler der Werkschule übernehmen die Antennenmontage auf dem Schuldach. Und während die Klasse der Geräte- und Systemelektroniker für die Kommunikation zwischen Computer und Rotor zuständig ist, schließen die Veranstaltungstechniker das Funkgerät an.
„Mir macht das Projekt Spaß, weil wir viel Freiraum bekommen, wie wir die Schaltung gestalten, welche Teile wir bestellen“, erklärt Jonas Ahrens die Schülerperspektive. Wesentliche Entscheidungen im Entwicklungsprozess treffen die Klassen selbst. Nach der Frage, ob die Berufsschulklasse die Software für die Rotorsteuerung selber schreiben möchte, bleiben alle Hände unten. „Es hat sich schon mal jemand die Mühe gemacht, eine Softwarelösung zum Antrieb von genau diesem Rotor ins Internet zu stellen“, sagt Amateurfunker Dahlke. So oder so liegen arbeitsintensive Wochen vor den Schülern, mehr als 20.000 Zeilen Code umfasst die bestehende Software laut betreuendem Lehrer Julian Scheichel. „Die müssen an das Vorhaben angepasst werden.“ Und die Zeit drängt: Bis Anfang Dezember soll die konfigurierte Software vorliegen, damit noch Spielraum für Testdurchläufe und Nachjustierungen bleibt.
Damit das „Hallo“ der Bremer Schüler auch wirklich in die Raumkapsel übertragen wird, gilt es, einige Hürden zu nehmen. Die Sendeleistung des Amateurfunksignals von der Internationalen Raumstation falle mit fünf Watt vergleichsweise mickrig aus, sagt Amateurfunker Dahlke. „Rundfunkstationen senden normalerweise mit der 200-fachen Leistung, mit 1000 Watt. Bei der ISS muss man schon etwas Aufwand betreiben, um das Signal zu empfangen.“ Um professionelle Unternehmen und Institutionen nicht zu beeinträchtigen, sind zudem nur bestimmte Frequenzen für die Amateurfunker freigegeben. „Auf hohen Frequenzen ist Schluss“, so Dahlke. „Deswegen hören wir die Internationale Raumstation nicht mehr, sobald sie hinter dem Horizont verschwindet.“ Zuversichtlich, dass die Kommunikation gelingt, ist er trotzdem. „Beim letzten Schulkontakt war durch widrige Witterung Wasser in eine Außensteckdose gelaufen. Damit hatte niemand gerechnet“, sagt der hauptberufliche Software-Entwickler. „Am Ende hat trotzdem alles geklappt. Sogar ohne Back-up-System.“