Die Pleite eines Stromanbieters hat die Bremer Verwaltung kalt erwischt. Fünf Tage vor dem vereinbarten Lieferbeginn zum 1. Januar teilte das Unternehmen mit, dass es insolvenzbedingt seinen Vertrag nicht erfüllen werde. Die Stadt konnte zwar kurzfristig noch umdisponieren und befristete Kontrakte mit anderen Anbietern abschließen, doch es entstehen nun Mehrkosten in Höhe von rund 235.000 Euro. Der Fall wirft erneut die Frage auf, ob das Ausschreibungsrecht Kommunen wie Bremen genügend Spielraum bei der Vergabe von Leistungen lässt.
Bei dem insolventen Unternehmen handelt es sich um die Deutsche Energie GmbH (DEG), die mit Kampfpreisen den Energiemarkt aufgemischt hatte. Unter den bundesweit rund 50.000 Kunden waren viele gewerbliche Abnehmer, Kommunen und öffentliche Institutionen, darunter beispielsweise auch der Deutsche Bundestag. Im Frühjahr 2018 hatte Bremen für ausgewählte städtische Gebäude und Grundstücke die Lieferung von Gas und Strom für 2019/20 ausgeschrieben und daraufhin auch diverse Angebote von Energieunternehmen erhalten.
Die DEG-Offerte war die günstigste – mit so großem Abstand, dass der städtische Dienstleister Immobilien Bremen (IB), der bei der Ausschreibung die Federführung hatte, vor Vertragsabschluss rechtlichen Rat einholte. Konkret ging es um die Bereitstellung von 43 Gigawattstunden Strom für 4,7 Millionen Euro und 59,7 Gigawattstunden Gas für drei Millionen Euro (Gesamtbeträge für beide Jahre). Nach eingehender Prüfung sah man bei IB „keine andere rechtssichere Möglichkeit, als auf das Angebot einzugehen“, so Sprecher Peter Schulz. Außerdem habe die DEG positive Referenzen vorlegen können, die gegen einen Ausschluss aus dem Ausschreibungsverfahren sprachen.
Letztlich sollte die Stadt den Zuschlag für die DEG bereuen. Als das Unternehmen am zweiten Weihnachtsfeiertag mitteilte, dass es zum 1. Januar nicht würde liefern können, setzten bei Immobilien Bremen hektische Aktivitäten ein. Sehr kurzfristig gelang es, mit zwei ursprünglich mitbietenden Strom- beziehungsweise Gaslieferanten Überbrückungsverträge für das erste und zweite Quartal abzuschließen. Die Lichter wären in den städtischen Gebäuden ohnehin nicht ausgegangen. Die Gesetzeslage sieht nämlich vor, dass in solchen Fällen der ortsansässige Versorger einspringt – allerdings im relativ teuren Grundtarif.
Bremen kommt halbwegs glimpflich davon
So ging es der Stadt Erfurt in Thüringen, die ebenfalls von der Insolvenz der Deutsche Energie GmbH betroffen ist. Dort übernahmen einstweilen die Stadtwerke die Belieferung der Kommune. Bremen kommt durch die Interimsverträge mit DEG-Wettbewerbern zwar halbwegs glimpflich davon, aber 235.000 Euro Differenz gegenüber der ursprünglichen Kalkulation sind gleichwohl ärgerlich.
Hätte sich der Reinfall mit der DEG abwenden lassen? Im Finanzressort des Senats, das die Aufsicht über Immobilien Bremen führt, ist man sich keiner Schuld bewusst. Sprecherin Dagmar Bleiker betont, dass öffentliche Auftraggeber wie Bremen bei Ausschreibungen sehr wohl Spielräume besäßen. Der Preis sei ein wichtiges, aber nicht das einzige Kriterium bei der Frage, wer den Zuschlag erhalten soll. „Und auch der Preis wird natürlich auf seine Plausibilität hin abgeklopft“, so Bleiker. „Andererseits gilt aber auch: Ein ungutes Gefühl reicht nicht, um ein günstiges Angebot abzulehnen.“ Sonst laufe man Gefahr, dass das betroffene Unternehmen vor Gericht zieht und Schadenersatz einklagt.
Beim örtlichen Bremer Energieversorger SWB sieht man die Vergabepraxis der öffentlichen Hand durchaus kritisch. Interims-Vertriebsvorstand Timo Poppe wünscht sich, dass Bremen den Bewegungsspielraum, den das Ausschreibungsrecht setzt, großzügiger ausschöpft. „Wir stellen uns beim Preis nicht jedem ruinösen Wettbewerb, aber die SWB fördert in der Stadt durch vielfältige Sponsoring-Aktivitäten das Allgemeinwohl“, so Poppe.
Würden solche Kriterien stärker berücksichtigt, stünden die Chancen für sein Unternehmen sicher besser, ist Poppe überzeugt. Die SWB werde sich jedenfalls an der Ausschreibung für die Energielieferung ab dem dritten Quartal beteiligen, die Immobilien Bremen bereits angekündigt hat.
Kommunen sollen das wirtschaftlichste Angebot akzeptieren
Beim bayrischen Consulting-Unternehmen Eta, das Unternehmen und Kommunen bei Ausschreibungen im Energiesektor berät, sieht man keine Veranlassung für den Gesetzgeber, Veränderungen am Ausschreibungsrecht vorzunehmen. Projektingenieur Marco Heib sagt: „Die Kommunen sind nicht verpflichtet, das billigste, sondern das wirtschaftlichste Angebot zu akzeptieren.“
In diesem rechtlichen Rahmen gebe es für Städte und Gemeinden durchaus „eine Menge Instrumente“, um unseriöse Offerten auszufiltern, „die augenscheinlich nicht auskömmlich kalkuliert sind“.