Christopher Ernst sitzt auf der Restaurant-Terrasse, im Blick grüne Rasenflächen und Skulpturen, und spricht über regionale Küche, die gehoben ist, aber nicht abgehoben. Der Koch des Hauses Kränholm in St. Magnus ist neuerdings auch dessen Geschäftsführer. Kränholm ist einer der ersten Bremer Gastronomiebetriebe, die im Zuge des Shutdowns Insolvenz anmeldeten – und nun einer der Ersten, die wieder an den Start gehen. Die Pleitewelle der Gastronomen kommt erst noch, ist Insolvenzverwalter Malte Köster überzeugt.
Ein prominentes Beispiel dafür, wie es der Branche geht, ist die Vegesacker Strandlust. Seit 1898 wird das Hotel an der Weser betrieben, mit der Corona-Pandemie brach das gesamte Veranstaltungsgeschäft weg. Wenn es kein Entgegenkommen des Verpächters gibt oder sich kein neuer Pächter findet, dann schließt die Strandlust am 1. September endgültig. Denn dann endet der Insolvenzgeldzeitraum, in dem die Gehälter für die rund 60 Mitarbeiter über die Bundesagentur für Arbeit gesichert sind. Laut Insolvenzverwalter Christian Kaufmann droht ein mehrjähriger Leerstand wie beim Haven Höövt (wir berichteten).
„Die Gespräche und Verhandlungen gestalten sich zäh“, sagt Pächter Philipp Thiekötter. „Leider haben wir auch heute immer noch keine endgültig Entscheidung über das Weiter oder nicht Weiter. Wir kämpfen bis zum letzten Tag.“
Nicht weit von der Strandlust entfernt und ebenfalls direkt an der Weser liegt das Ringhotel Fährhaus Farge. „Wir halten durch. Wir haben noch einen Vorteil durch unsere Lage“, meint Inhaber Raimund Stöver. „Gerettet haben uns bisher das schöne Wetter und das Terrassengeschäft." Gleichwohl spricht Stöver von Umsatzeinbußen durch die Pandemie teilweise von bis zu 80 Prozent. Großveranstaltungen wie Hochzeiten und Seminare fänden kaum noch statt – obgleich Veranstaltungen für bis zu 250 Personen in Bremen erlaubt seien. „Es gibt immer noch eine Stornierungswelle. Die Leute sind verunsichert.“ Stöver geht davon aus, dass einige Landgasthöfe in der Region nicht überleben werden.
Über Zahlen von Insolvenzen oder drohenden Insolvenzen in der Region verfügt der Unternehmerverband des Gastgewerbes nicht. „Allgemein wird über die ganze Republik und auch für das Bundesland Bremen mit 30 Prozent Insolvenzen gerechnet. Vermutlich werden diese Insolvenzen vermehrt in ländlichen Regionen auftreten, wo viele Gastronomien und Hotels auch von Veranstaltungen wie Hochzeiten leben, die immer noch nur sehr eingeschränkt möglich sind, während in den Städten hier eher ein Problem bei Clubs und Diskotheken auftaucht, die noch komplett geschlossen sind“, so die Geschäftsführerin des Bremer Dehoga, Nathalie Rübsteck.
Dehoga fordert Förderprogramm
Der Dehoga will die Politik in die Pflicht nehmen: „Wir wünschen uns, dass die Politik die Branche als einen der größten Arbeitgeber erkennt und nicht nur die Förderung in Großunternehmen gesteckt wird.“ Notwendig sei ein „spezifisches Förderprogramm für die Branche“. Nathalie Rübsteck: „Die Betriebe benötigen eine Perspektive für die Förderung über den Winter, da im Frühjahr und Sommer durch die Schließung und Einschränkungen vielfach nicht die notwendigen Rücklagen für den Winter erwirtschaftet werden können.“
Aufgrund der Corona-Pandemie ist die Meldung einer Insolvenz für die Betriebe derzeit nicht verpflichtend. Die Frist zur Anzeige wurde bis zum 30. September ausgesetzt. Eventuell werde die Frist noch verlängert. „Als Kurzfristmaßnahme ist dieses Vorgehen in Ordnung, aber über einen längeren Zeitraum ist es volkswirtschaftlich nicht sinnvoll, Unternehmen am Markt zu halten, die nicht zahlungsfähig sind“, so Malte Köster. Der Insolvenzverwalter ist überzeugt, dass es zu einem späteren Zeitpunkt eine Welle von Insolvenzen geben wird. Die Branche spreche bereits jetzt von „Zombie-Unternehmen“: „Aktuell agieren viele Zombie-Unternehmen am Markt, die nicht lebensfähig sind, aber nicht gezwungen sind, einen Insolvenzantrag zu stellen.“
Christopher Ernst, früher Betriebsleiter, heute Geschäftsführer von Haus Kränholm, gehört zu denen, die Pleite und Neuanfang in einem Jahr mitgemacht haben. Zu Jahresbeginn brachen 60 bis 70 Prozent der Umsätze des Gastronomiebetriebes weg, dann konnte Christopher Ernst in dem Fachwerk-Ensemble mit Café und Restaurant in unmittelbarer Nähe zu Knoops Park gar keine Einnahmen mehr verbuchen. Dreieinhalb Monate hat Insolvenzverwalter Köster für diesen „klassischen Sanierungsfall“ gebraucht. Alle Arbeitsplätze, so Köster, konnten erhalten werden. Neben Christopher Ernst und seiner Frau Sonja, die die Serviceleitung übernommen hat, arbeiten sechs Mitarbeiter und fünf Auszubildende im Haus Kränholm.
Der Neustart soll mit einer neuen Betreibergesellschaft gelingen, die ELK Gastronomie GmbH, hinter der Investoren stehen, die namentlich nicht genannt werden wollen. Zu Kränholm steht auch die Stiftung, die das Fachwerkhaus-Ensemble 2011 kaufte und umbauen ließ. „Wir sind sehr dankbar für das Vertrauen der Stiftung“, sagt Christopher Ernst. Die Stiftung komme dem Betrieb in diesem Jahr bei der Pacht entgegen.
Name und Team von Kränholm bleiben bestehen. Auch das Konzept hat sich nur leicht verändert: „Wir glauben an Kunst, Kultur, Kulinarik“, sagt der Geschäftsführer. Allerdings wird Kränholm exklusiver: Die Öffnungszeiten wurden reduziert und auf der Speisekarte stehe eine bewusst begrenzte Zahl ausgesuchter Gerichte. Christopher Ernst will nach eigenen Angaben mit regionalen Anbietern zusammenarbeiten, die ihr Handwerk verstehen. Dazu plant er Kochkurse, Gin-Tastings und Seminare rund um das Thema Ernährung.