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Niedrige Zahlen in Bremen Corona: Regionale Unterschiede bei der Übersterblichkeit

Sterben durch Corona mehr Menschen als üblich? Laut Statistischem Bundesamt ist das eindeutig der Fall - es gibt aber starke Unterschiede zwischen den Bundesländern.
10.12.2021, 07:24 Uhr
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Von Patrick Reichelt und Hannes Koch

Covid-19 führt zu einer Übersterblichkeit in Deutschland. Das heißt: Durch die Krankheit sterben deutlich mehr Menschen, als unter normalen Umständen zu erwarten gewesen wäre. Darauf deuten Zahlen hin, die das Statistische Bundesamt (Destatis) am Donnerstag veröffentlichte.

So starben „zwischen März 2020 und Februar 2021 fast 71.000 Personen mehr als in den zwölf Monaten davor“, schrieb Destatis. Das ist eine Steigerung um 7,5 Prozent. „Der Anstieg der Sterbefallzahlen ist nicht allein durch die Alterung der Bevölkerung erklärbar, sondern maßgeblich durch die Pandemie beeinflusst“, sagte Christoph Unger, der Vizepräsident des Bundesamtes.

Die sogenannte Übersterblichkeit ist ein Indikator für die Schwere einer Pandemie oder anderer Katastrophen. Dabei werden die Sterbefälle eines Jahres mit dem Median der vergangenen Jahre verglichen. Der Median wird auch Zentralwert genannt und liegt genau in der Mitte von zwei Größen. Gegenüber dem Durchschnitt hat er den Vorteil, robuster gegenüber Ausreißern zu sein.

Den Bremer Epidemiologen Hajo Zeeb überrascht es nicht, dass die Pandemie zu einer Übersterblichkeit in Deutschland führt. Er verweist aber auf die deutlichen regionalen Unterschiede. So sei eine Übersterblichkeit in Sachsen-Anhalt, Thüringen oder zuletzt auch Bayern deutlich zu erkennen. „Zwar sind auch in Bremen und Niedersachsen die Todeszahlen im Zusammenhang mit dem Coronavirus erheblich“, sagt der Forscher vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie.

Keine Übersterblichkeit in Bremen

Aufgrund der relativ kleinen Fallzahlen könne man aber nicht von einer Übersterblichkeit sprechen. „Die hohe Impfquote in Bremen spielt sicherlich eine Rolle, warum wir hier vergleichsweise gut dastehen“, so Zeeb. Eine Impfung verhindere insbesondere schwere Verläufe und damit auch Todesfälle. Im Land Bremen sind mit Stand Donnerstag 555 Menschen „an“ oder „mit“ Covid-19 gestorben, insgesamt lagen die Sterbefallzahlen zwischen März 2020 und Februar 2021 um 4,7 Prozent höher als im Vorjahr – sie stiegen um 367 auf 8127. In Niedersachsen gab es bislang 6513 Todesfälle an oder mit dem Coronavirus. Im gleichen Zeitraum sind 98.121 Menschen im Bundesland und damit 3,9 Prozent (3656 Todesfälle) mehr als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor gestorben.

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Die vierte Welle der Krankheit überrollt derzeit das Land. Trotz hunderter Toter täglich läuft in manchen Teilen der Bevölkerung immer noch die Debatte, ob Corona überhaupt gefährlich sei. Die Statistik aus Wiesbaden gibt eine deutliche Antwort.

Mehrere Faktoren entscheidend 

Allerdings sind die Zahlen nicht einfach zu interpretieren. Teilweise unterscheidet sich die Zählweise der verschiedenen Institutionen. Um den tatsächlichen Effekt der Pandemie zu ermitteln, muss man verschiedene Faktoren einkalkulieren.

Von den zusätzlich Verstorbenen ist beispielsweise eine gewisse Anzahl abzuziehen. Denn durch die zunehmende Alterung der Gesellschaft steigen auch die normalen Todeszahlen an. Um den konkreten Corona-Effekt zu berechnen, muss man die Übersterblichkeit deshalb um etwa 25 Prozent reduzieren. Von den 71.000 bleibt dann noch eine Größenordnung von 55.000.

Hinzu kommt, dass Corona nicht bei allen zusätzlichen Sterbefällen als ausschlaggebende Ursache wirkte. Letzteres war 2020 bei etwa 80 Prozent der Fall. Bei den übrigen 20 Prozent „trug Covid-19 als Begleiterkrankung zum Tod bei“, erklärte Destatis. Diese Patientinnen und Patienten litten an „vielfältigen Vorerkrankungen“, etwa Herzproblemen, die früher oder später auch ohne Corona zum Tod geführt hätten. So bleiben von den 55.000 zusätzlichen Toten vielleicht 45.000, die im ersten Jahr der Pandemie als Übersterblichkeit konkret wegen Covid gewertet werden können. Zum Vergleich: Insgesamt verschied 2020 knapp eine Million Menschen in Deutschland.

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Die Daten des Bundesamtes zeigen recht gut, wann mehr Personen gestorben sind, als im Vergleich zu den Vorjahren zu erwarten war. Eine Häufung Corona-bedingter Todesfälle trat demnach von März bis Mai 2020 auf. Ein deutlicher Anstieg war auch von Oktober 2020 bis Februar 2021 zu verzeichnen. Danach lag die Sterberate zeitweise unter der der Vorjahre, weil die Grippewelle ausfiel. In der augenblicklichen vierten Covid-Welle starben seit Oktober 2021 wieder mehr Menschen.

Mit der Todesursachenstatistik 2020 sind erstmals Aussagen möglich, wer an und wer mit Corona gestorben ist. Karin Böhm, Leiterin der Gruppe Gesundheit und Soziales, nannte die Zahlen: 39.758 Menschen starben im vergangenen Jahr an Covid-19 als Grundleiden - 8102 mit Covid-19 als Begleiterkrankung. Die Differenz zu den etwas niedrigeren Todesfallzahlen des Robert-Koch-Instituts liegt Böhm zufolge „an den unterschiedlichen Meldesystemen“.

Rückschlüsse auf Vorerkrankungen

Da auf den Totenscheinen auch Vorerkrankungen erfasst werden, lässt die Todesursachenstatistik erstmals auch genaue Rückschlüsse auf die Vorerkrankungen der Corona-Toten zu. Am häufigsten waren das Bluthochdruck (21 Prozent), Demenz (20 Prozent), Niereninsuffizienz (16 Prozent) und Diabetes mellitus (16 Prozent).

70 Prozent der Covid-19-Toten waren 80 Jahre oder älter, das Durchschnittsalter der Todesopfer der Pandemie lag bei 82,2 Jahren, wie Karin Böhm erläuterte. 19 Prozent der Todesopfer waren zwischen 70 und 79 Jahre alt, 7 Prozent zwischen 60 und 69 Jahre. Nur 3 Prozent der Toten waren jünger als 60 Jahre. Männer waren etwas häufiger betroffen als Frauen, wobei diese Relation je nach Altersgruppe schwankt: Besonders unter den jüngeren Todesopfern waren besonders viele Männer. Im Durchschnitt über alle Altersgruppen waren 52,7 Prozent der Todesopfer männlich.

Zur Sache

Wieso die Todeszahlen verzögert ansteigen

Blickt man auf die Zahlen, so verläuft eine Corona-Welle immer gleich: Zuerst gehen die Infektionszahlen rauf, dann die Krankenhauseinweisungen, zuletzt steigen die Todeszahlen. Diese Verzögerungszeit nennt man auch Latenz. Patienten, die schwer an Covid-19 erkranken, sterben im Schnitt laut RKI zwei bis drei Wochen nach den ersten Symptomen.

Forscherteams wie etwa die Codag-Arbeitsgruppe an der Ludwig-Maximilians-Universität in München haben daher sogenannte Nowcast-Modelle entwickelt. Dadurch ist eine Prognose möglich, wie viele Menschen an oder mit dem Coronavirus sterben werden. Laut den Forschern liefern die prognostizierten Sterbezahlen verlässlichere Aussagen über den Stand der Pandemie. Reine Infektionszahlen würden stark durch die Testhäufigkeit und andere Faktoren beeinflusst. 

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